Die Krisenszenarien anderer Analysten interessieren ihn wenig: Harry S. Dent prophezeit unglaubliche Kurssteigerungen. Im AKTIONÄR nimmt er Stellung zu seinen Thesen und erläutert deren Hintergründe.
In Zeiten unsicherer Börsen, eines drohenden Irak-Krieges und einer immer noch unsicheren Wirtschaft erscheinen Prognosen wie die von Harry S. Dent ins Reich der Fantasie zu gehören. Er sieht den Dow in den nächsten Jahren um mehrere hundert Prozent ansteigen, hält nicht viel von Goldinvestments und lässt alle derzeit wichtig erscheinenden Einflussfaktoren außer Acht. Seine sehr langfristig angelegte Investmentstrategie und deren Hintergründe hat er in einem Gespräch mit dem AKTIONÄR näher beleuchtet.
DER AKTIONÄR: Herr Dent, bitte erläutern Sie unseren Lesern Ihren Ansatz zur Analyse der Aktienmärkte.
Harry S. Dent: Wie viele andere Analysten beobachten wir diverse zyklische und technische Indikatoren. Der Unterschied bei uns ist, dass wir uns hauptsächlich auf zwei grundsätzliche und langfristige Ansätze konzentrieren.
Wir sind mittlerweile in der Lage, für den durchschnittlichen Konsumenten sehr genaue Relationen zwischen Alter einerseits und Einkommen, Ausgaben, Verschuldungs- und Investmentsituation andererseits zu bestimmen.
In den USA und anderen Industrienationen wie beispielsweise Deutschland wachsen im Alter zwischen 45 und 49 Jahren Einkommen und Ausgaben sehr stark an. Das ist ein grundsätzlicher Trend, der sowohl das Wirtschaftswachstum als auch die Gewinne der Aktiengesellschaften bestimmt.
Außerdem haben wir eindeutig identifiziert, in welchem Zyklus technologische Innovationen auftreten. Dieser Zyklus tritt ungefähr einmal pro Generation oder, anders gesagt, etwa alle 80 Jahre auf. Die neuen Technologien führen an bestimmten Stellen des Zyklus zu einem unglaublichen Anstieg der Produktivität, haben im Anschluss aber auch dramatische Marktbereinigungen zur Folge. Die letzte konnten wir erst jüngst beobachten.
Bei wie viel Punkten steht der Dow Jones in zehn Jahren?
Wir gehen davon aus, dass der Dow Jones im Jahr 2008 oder 2009 zwischen 33.000 und 40.000 Punkten notiert. Das wird dadurch erreicht, dass der Dow Jones weiterhin dem Wachstumspfad folgt, den er bereits seit Beginn des Booms im Jahr 1982 des Öfteren bestätigt hat. Unseren fundamentalen Indikatoren zufolge wird die Wirtschaft ihr starkes Wachstum wieder aufnehmen und ungefähr bis ins Jahr 2009 beibehalten. Für die Jahre zwischen 2014 und 2022 sagen allerdings dieselben Fundamentaldaten, unterstützt von unseren zyklischen Indikatoren, dass es zu einem ausgedehnten Bärenmarkt kommen wird. Dieser wird dem, was wir seit den 90er-Jahren in Japan erleben, ähneln. Im Zuge dieses Bärenmarkts wird der Dow Jones mindestens die Tiefs des Jahres 2002 erreichen, wenn nicht sogar noch tiefer fallen. Mit dem nächsten Bullenmarkt rechnen wir danach nicht vor 2023.
Nimmt man die Demografie als bestimmenden Faktor, dann steht Deutschland vor dem Problem eines Bevölkerungsrückgangs. Wirkt sich das auch auf den Dax aus oder muss der Demografie-Faktor global gesehen werden?
Obwohl die Geburtenrate und die Einwanderung in Deutschland langfristig abnehmen werden, treten dennoch immer mehr Mitglieder der Baby-Boomer-Generation um das Jahr 2010 in diejenige Lebensphase ein, in der sie am meisten ausgeben. Aus diesem Grund sind die demographischen Vorzeichen für dieses Jahrzehnt noch gut. Langfristig gesehen steht Deutschland und Europa allerdings nach dem Jahr 2009 eine längere Phase des Niedergangs bevor als den USA, falls es nicht gelingen sollte, die schwindenden Geburtenraten durch erhöhte Zuwanderung auszugleichen.
Alle Welt blickt momentan auf den drohenden Krieg im Irak. Welche Auswirkungen hätte dieser Ihrer Meinung nach kurz- und langfristig auf die Börsen?
Ein negatives Irak-Szenario ist bereits in den Kursen eingepreist. Wir werden jedoch vermutlich den Krieg eher vermeiden oder schnell gewinnen können. Insofern werden die Märkte durch den Faktor Irak in den kommenden Monaten wahrscheinlicher steigen als weiter abgeben.
Seit längerem erweist sich das Gold einmal wieder als beliebter Zufluchtsort des Kapitals. Wie sehen Sie die Entwicklung des Goldpreises in diesem und den kommenden Jahren?
Gold ist nicht nur in den letzten 22 Jahren permanent gefallen, sondern hat mit der Zeit auch immer geringere Reaktionen auf politische Ereignisse und Krisen gezeigt. Durch das Informationszeitalter hat es seinen Status als Währung eingebüßt und wird wieder mehr als Rohstoff gesehen. In der jüngsten Vergangenheit hat es durch Terrorismus, Irak und Nordkorea stark angezogen, wobei allerdings auch die Tatsache eine Rolle gespielt hat, dass es nach 22 Jahren stark überverkauft war. Den Goldpreis sehen wir in den nächsten Jahren unverändert oder leicht steigend. Wir glauben aber nicht daran, dass Gold den Aktienmärkten auch nur entfernt das Wasser wird reichen können. In der Zeit nach 2009 kann man es teilweise zur Absicherung einsetzen.
Sehr viele Analysten rechnen damit, dass die US-Volkswirtschaft im dritten Quartal dieses Jahres deutliche Anzeichen einer Erholung zeigen wird. Wie sehen Sie die kommende Entwicklung?
In diesem Jahr rechnen wir mit einem signifikanten Anstieg der US-Aktienmärkte. Ich rechne damit, dass der Dow Jones in diesem Jahr den Bereich zwischen 10.400 und 11.400 Punkten erreicht und dass wir im zweiten Quartal bereits eine deutliche Erholung der Volkswirtschaft sehen werden.
Sie geben einen Börsenbrief heraus, den Harry S. Dent Forecast. Welches Ziel verfolgen Sie mit diesem Brief? Wo liegen die inhaltlichen Schwerpunkte?
In den monatlichen Ausgaben gehen wir auf kurzfristige Trends und wahrscheinliche Marktszenarien ein. Viel wichtiger sind jedoch unsere umfangreichen vierteljährlich erscheinenden Ausgaben. In diesen können wir unseren Abonnenten unsere neuesten Forschungsergebnisse bezüglich Demografie, Technologiezyklen und zyklischen Indikatoren unmittelbar vorstellen. Bis dieses Material in ein neues Buch einfließt, kann es oftmals Jahre dauern. Außerdem können wir in diesen Ausgaben auf den längerfristigen Ausblick eingehen. Das dritte Ziel der Quartals-Updates ist es, unsere Abonnenten über Änderungen unserer Anlagestrategie und Umschichtungen in andere Sektoren zu informieren.
Welchen Rat würden Sie Investoren, die momentan Geld anlegen wollen, geben? Wo würden Sie Schwerpunkte setzen? Haben Sie persönliche Aktienfavoriten?
Die Blue-Chips unter den Wachstumsaktien werden in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts das beste Verhältnis von Chance und Risiko bieten. Unsere Favoriten sind die Bereiche Technologie, Finanzdienstleister, Biotechnologie, Asien (ohne Japan) und das Gesundheitswesen - und zwar in dieser Reihenfolge. Zwischen 2004 und 2008 werden die Technologieaktien wieder sehr stark anziehen und eine neue Blase ausbilden. Wir setzen normalerweise nicht auf Einzelaktien sondern auf Sektoren.
Wenn wir einzelne Titel auswählen müssten, dann würden wir uns auf die Marktführer der genannten Branchen konzentrieren. Aktien wie Microsoft, Intel, Applied Materials, Oracle, Peoplesoft und Dell im Technologiesektor, Amgen im Biotechbereich, Pfizer und Medtronic im Sektor Pharma/Gesundheit und Aktien wie Citigroup, Schwab und American Express bei den Finanzdienstleistern.
(Quelle: http://www.deraktionaer.de/Nachgehakt_current_226651.html)
MfG
masteruz