Die Weltbörsen unter der Lupe

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tom68:

Die Weltbörsen unter der Lupe

 
16.05.01 11:51
Die Weltbörsen unter der Lupe von Jens Ehrhardt  

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Zwischen Hoffen und Bangen - Von Jens Ehrhardt
Nach den dramatischen Kursverlusten rund um die Welt - insbesondere bei Technologiewerten - machte sich in den letzten Wochen wieder ein wenig Optimismus breit. Das Platzen der Spekulationsblase bei den Titeln der allseits hochgelobten Titel der New Economy hat das Vertrauen der Investoren in diese Aktien jedoch nachhaltig gestört. Auffällig ist jedoch, dass einige Substanzwerte von der allgemeinen Baisse kaum betroffen waren. Manche konnten in dieser Zeit sogar neue All-Time-Highs markieren.

Fragezeichen USA

Vom fundamentalen Gesichtspunkt her betrachtet, ist es äußerst fraglich, ob sich die Konjunktur in der wichtigsten Volkswirtschaft der Welt - den USA - schnell wieder erholen wird. Die Chance, dass in den USA und in Europa eine V-mäßige und damit schnelle Konjunkturerholung eintreten wird, ist gering - trotz der aggressiven Zinssenkungspolitik der USA und der nun auch in Europa einsetzenden Politik der Zinssenkung als Mittel zur Stimulierung der Wirtschaft.

Sollte diese Variante der sich rasch erholenden Konjunktur wahrscheinlich sein, wären Zinssenkungen faktisch überflüssig, da diese sich erst mit einer Zeitverzögerung von 9 bis 12 Monaten auf die Konjunktur auswirken. Damit würden die Zinssenkungen erst in einer Phase einer sich deutlich wieder erholenden Konjunktur wirken - so jedenfalls die optimistischen Prognosen der meisten Börsenfachleute. Unter diesem Blickwinkel betrachtet, erwartet anscheinend auch Greenspan keine schnelle Konjunkturerholung. Abgesehen von der Konjunktur lauern in den USA wie auch in Europa immer noch Gefahren von der Inflationsseite.

Die Inflationsraten sind immer noch im Steigen begriffen - siehe zum Beispiel fünf Prozent Lohnerhöhung auf Jahresbasis in den USA bei rückläufiger Produktivität - so dass nun auch von der Europäischen Zentralbank der Stabilisierung der Wirtschaft klar der Vorrang gegeben wird - gegenüber der Eindämmung der Inflation.

Was die Masse erwartet, tritt nicht ein

Die meisten Wertpapier-Spezialisten erwarten nach wie vor in den nächsten Wochen den Test der Frühjahrs-Tiefstkurse an den Aktienmärkten. Und immer wenn die meisten einen Test des Tiefs erwarten, kommt es nicht dazu. Die Börsen stehen derzeit im Spannungsfeld zwischen Unternehmensgewinnen einerseits und Liquidität plus Anlegerpsychologie andererseits. In den USA wird von Rückgängen bei den Unternehmensgewinnen in einer Größenordnung zwischen 5 und 20 Prozent in diesem Jahr ausgegangen, während die Schätzungen für Deutschland zwischen einem Gewinnplus von über 20 Prozent (HSBC) und einem Minus von 12 Prozent (Deutsche Bank) weit auseinandergehen. Bei derart weit auseinandergehenden Gewinnschätzungen ist für die Börse der Gewinnfaktor wenig hilfreich. Schlechte Unternehmensmeldungen wirken sich jedoch kaum noch auf die Kurse aus, die Börse hat diese scheinbar schon eingepreist.

Bleiben somit als wichtigste Einflussfaktoren die monetäre Seite und die Psychologie. Im monetären Sektor wirken die anhaltende Ausweitung der US-Geldmenge (M1 plus Geldmarktfonds) und die überraschende Zinssenkung der Europäischen Zentralbank positiv. Damit wandern die Notenbanken allerdings auf dünnem Eis, da die Teuerungsraten überall weiter anziehen. Dies ist in der ersten Phase eines Konjunkturabschwungs jedoch normal, da der Kostendruck der Unternehmen wächst. Zusätzlich belasten aber die anhaltend hohen Ölpreise. Somit bleibt die Gefahr einer Stagflation - das heißt Konjunkturabschwächung und Inflation - weiterhin akut. Neben weiteren Belastungsfaktoren wie verschlechterten Gewinnerwartungen, Verschuldungsproblemen und eventuellen Währungsturbulenzen kann dies zu Belastungen der Börse im zweiten Halbjahr führen.

Hoffnungen ruhen auf der Börsenpsychologie

Der positive Faktor für die Börse ist die Börsenpsychologie. Im Hinblick auf die verständliche Unsicherheit haben viele Anleger in Europa und in den USA Barreserven angesammelt. Geldmarktfonds hatten in den letzten Monaten die höchsten Zuwachsraten unter allen Fondsarten. Gerade durch möglichst niedrige Kurzfristzinsen will Greenspan wohl hier den Hebel ansetzen, um die Anleger aus den Geldmarktfonds heraus und in die Aktienmärkte hinein zu bekommen. Nach den teilweise extremen Kaufsignalen wie etwa die Put/Call-Ratio im März diesen Jahres ist davon auszugehen, dass die zu Anfang April begonnene Aufwärtsbewegung noch nicht vorbei ist. Hat es in der Vergangenheit doch nie eine deutliche Abwärtsbewegung der Börsen gegeben, wenn aggressive Zinssenkungen und sehr günstige markttechnische Indikatoren - wie viel Pessimismus und hohe Barbestände der Anleger - aufeinander trafen.

Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass die Risikobereitschaft der Anleger tendenziell weiter sinken wird. So ist auch festzustellen, dass kaum noch Geld in Private Equity beziehungsweise Venture-Fonds investiert wird. Im vergangenen Jahr noch als Alternative zu stark schwankenden Aktienfonds mit durchschnittlichen Renditen von 20 Prozent in den letzten 10 Jahren angepriesen, stellt sich nun heraus, dass Venture-Fonds offenbar sehr stark von der allgemeinen Börsensituation abhängen.

Die einzig vertretbare Alternative, Gelder in den Aktienmärkten zu investieren, besteht in Value-Aktien mit guter Substanz, hoher Rendite und Kurs-Gewinn-Verhältnissen (KGV) von 10 oder darunter, die nach wie vor ein gutes Chance/Risiko-Verhältnis aufweisen. Auch Festgeld, Renten oder Sachwerte bieten dazu vorerst keine Alternative.

Dr. Jens Ehrhardt ist Fondsmanager und Herausgeber des Börsenbriefes "Finanzwoche". Weitere Informationen finden Sie unter www.dje.de.

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