Wie zwei US-Topanalysten durch dubioses Verhalten die Branche in Verruf brachten
Oh Henry! Er ist jung, blond, blauäugig und der bekannteste Analyst bei Merrill Lynch in New York. Henry Blodget (35) verdient fünf Millionen Dollar im Jahr. Berühmt und reich wurde er durch eine einzige Prognose im Dezember 1998. Bei einer Telefonkonferenz von Analysten sagte er, dass die Amazon-Aktie, die damals schon bei 242 Dollar stand, Potenzial für 400 Dollar habe.
Blodget hatte Recht und wurde zum Staranalysten. Bis der Kurseinbruch kam und Amazon wie eine Sternschnuppe verglühte. Derzeit kostet die Aktie rund 20 Dollar. Und was hat Blodget aus dem Desaster gelernt? Nichts. Heute empfiehlt er Amazon wieder.
Oh Mary! Nicht anders Blodgets große Rivalin Mary Meeker (41), die bei Morgan Stanley Dean Witter für ein Jahresgehalt von 15 Millionen Dollar Internet-Aktien analysiert. "Diva of the Internet" wurde sie auf dem Höhepunkt des Börsenbooms tituliert. Oder auch "Bloody Mary", weil sie ihre Mitarbeiter triezt.
Meeker beobachtet derzeit 15 Dotcom-Aktien. Bis auf zwei stuft sie alle als "Strong Buy" oder "Outperformer" ein, als hätte es einen Absturz der Internet-Aktien nie gegeben.
Henry und Mary pushten durch ihre überzogenen Prognosen den Internet-Boom. Sie taten so, als seien sie Beobachter der Szene, dabei waren sie längst wichtige Akteure im Börsenspiel. Fast täglich traten die Popstars der Internet-Welt bei den TV-Sendern CNBC oder CNNfn auf und verbreiteten ihren unerschütterlichen Optimismus über die neue Wirtschaft.
In ihren Research-Berichten jubelten sie die Jungunternehmen hoch. Sie schauten nicht auf wirtschaftliche Erfolgsdaten wie Gewinn oder ähnlich antiquierte Maßeinheiten der alten Wirtschaft. "Page Impressions" (Seitenaufrufe) waren für sie viel wichtiger.
Auch nachdem im Verlauf des vergangenen Jahres ihre heile Internet-Welt zusammengebrochen war, hielten Blodget und Meeker an ihren überzogenen Prognosen fest.
Die Arbeitgeber von Blodget und Meeker hatten großes Interesse daran, dass ihre beiden Staranalysten den Internet-Boom anheizten. Die Investmentbanken konnten in diesem euphorischen Umfeld einen IPO nach dem anderen platzieren und dadurch Millionen an Provisionen kassieren. So nahm Morgan Stanley in drei Jahren fast eine halbe Milliarde Dollar aus dem Geschäft mit Internet-IPOs ein.
Die Analysten halfen bei der Suche nach Börsenkandidaten. Mary Meeker brüstet sich sogar: "Ich habe nie in meinem Leben ein IPO-Mandat einer Firma, die ich wollte, verloren."
Analysten, die sich als Investmentbanker betätigen, geben ihre Objektivität auf. Ein Unternehmen, das sie selbst als IPO-Kandidaten geworben haben, können sie schwerlich neutral bewerten. Die Antwort gibt Meekers Portfolio: Ihre "Strong-Buy"-Empfehlungen betreffen fast nur Unternehmen, die Morgan Stanley an die Börse gebracht hat.
Nicht anders sieht es bei Blodget aus: Er empfiehlt meist Aktien von Firmen, die sein Arbeitgeber Merrill Lynch börsenfähig gemacht hat. Wer kann da noch von Unabhängigkeit reden?
Mit ihren durchsichtigen Spielchen diskreditierten Blodget und Meeker die ganze Zunft. Die amerikanische Analystenschar sitzt plötzlich auf der medialen Anklagebank - und Blodget bald auf der richtigen: Ein geprellter Anleger verklagte ihn und Merrill Lynch auf zehn Millionen Dollar Schadenersatz.
Blodget habe wider besseres Wissen ein Unternehmen viel zu optimistisch beurteilt.
Die dubiosen Praktiken der Staranalysten haben immerhin bewirkt, dass die Unabhängigkeit von Analysten inzwischen in den USA zu einem Thema geworden ist. Die Association of Investment Management and Research (AIMR), eine Standesorganisation der Analysten, arbeitet derzeit an einem neuen Berufskodex. Die Aufsichtsbehörde SEC untersucht einige Fälle an der Wall Street. Und sogar der US-Kongress beschäftigt sich mit den Interessenkonflikten.
Trotz der Kritik: Blodget und Meeker beharren bis heute auf ihren alten Positionen.
"Niemand ist für die Spekulationsblase verantwortlich", so Blodget, "Märkte benehmen sich nun einmal so." Und Meeker sagt: "Es war allgemein bekannt, dass es sich um ein riskantes und spekulatives Feld handelt."
Quelle: manager-magazin.de
So long,
Calexa
Oh Henry! Er ist jung, blond, blauäugig und der bekannteste Analyst bei Merrill Lynch in New York. Henry Blodget (35) verdient fünf Millionen Dollar im Jahr. Berühmt und reich wurde er durch eine einzige Prognose im Dezember 1998. Bei einer Telefonkonferenz von Analysten sagte er, dass die Amazon-Aktie, die damals schon bei 242 Dollar stand, Potenzial für 400 Dollar habe.
Blodget hatte Recht und wurde zum Staranalysten. Bis der Kurseinbruch kam und Amazon wie eine Sternschnuppe verglühte. Derzeit kostet die Aktie rund 20 Dollar. Und was hat Blodget aus dem Desaster gelernt? Nichts. Heute empfiehlt er Amazon wieder.
Oh Mary! Nicht anders Blodgets große Rivalin Mary Meeker (41), die bei Morgan Stanley Dean Witter für ein Jahresgehalt von 15 Millionen Dollar Internet-Aktien analysiert. "Diva of the Internet" wurde sie auf dem Höhepunkt des Börsenbooms tituliert. Oder auch "Bloody Mary", weil sie ihre Mitarbeiter triezt.
Meeker beobachtet derzeit 15 Dotcom-Aktien. Bis auf zwei stuft sie alle als "Strong Buy" oder "Outperformer" ein, als hätte es einen Absturz der Internet-Aktien nie gegeben.
Henry und Mary pushten durch ihre überzogenen Prognosen den Internet-Boom. Sie taten so, als seien sie Beobachter der Szene, dabei waren sie längst wichtige Akteure im Börsenspiel. Fast täglich traten die Popstars der Internet-Welt bei den TV-Sendern CNBC oder CNNfn auf und verbreiteten ihren unerschütterlichen Optimismus über die neue Wirtschaft.
In ihren Research-Berichten jubelten sie die Jungunternehmen hoch. Sie schauten nicht auf wirtschaftliche Erfolgsdaten wie Gewinn oder ähnlich antiquierte Maßeinheiten der alten Wirtschaft. "Page Impressions" (Seitenaufrufe) waren für sie viel wichtiger.
Auch nachdem im Verlauf des vergangenen Jahres ihre heile Internet-Welt zusammengebrochen war, hielten Blodget und Meeker an ihren überzogenen Prognosen fest.
Die Arbeitgeber von Blodget und Meeker hatten großes Interesse daran, dass ihre beiden Staranalysten den Internet-Boom anheizten. Die Investmentbanken konnten in diesem euphorischen Umfeld einen IPO nach dem anderen platzieren und dadurch Millionen an Provisionen kassieren. So nahm Morgan Stanley in drei Jahren fast eine halbe Milliarde Dollar aus dem Geschäft mit Internet-IPOs ein.
Die Analysten halfen bei der Suche nach Börsenkandidaten. Mary Meeker brüstet sich sogar: "Ich habe nie in meinem Leben ein IPO-Mandat einer Firma, die ich wollte, verloren."
Analysten, die sich als Investmentbanker betätigen, geben ihre Objektivität auf. Ein Unternehmen, das sie selbst als IPO-Kandidaten geworben haben, können sie schwerlich neutral bewerten. Die Antwort gibt Meekers Portfolio: Ihre "Strong-Buy"-Empfehlungen betreffen fast nur Unternehmen, die Morgan Stanley an die Börse gebracht hat.
Nicht anders sieht es bei Blodget aus: Er empfiehlt meist Aktien von Firmen, die sein Arbeitgeber Merrill Lynch börsenfähig gemacht hat. Wer kann da noch von Unabhängigkeit reden?
Mit ihren durchsichtigen Spielchen diskreditierten Blodget und Meeker die ganze Zunft. Die amerikanische Analystenschar sitzt plötzlich auf der medialen Anklagebank - und Blodget bald auf der richtigen: Ein geprellter Anleger verklagte ihn und Merrill Lynch auf zehn Millionen Dollar Schadenersatz.
Blodget habe wider besseres Wissen ein Unternehmen viel zu optimistisch beurteilt.
Die dubiosen Praktiken der Staranalysten haben immerhin bewirkt, dass die Unabhängigkeit von Analysten inzwischen in den USA zu einem Thema geworden ist. Die Association of Investment Management and Research (AIMR), eine Standesorganisation der Analysten, arbeitet derzeit an einem neuen Berufskodex. Die Aufsichtsbehörde SEC untersucht einige Fälle an der Wall Street. Und sogar der US-Kongress beschäftigt sich mit den Interessenkonflikten.
Trotz der Kritik: Blodget und Meeker beharren bis heute auf ihren alten Positionen.
"Niemand ist für die Spekulationsblase verantwortlich", so Blodget, "Märkte benehmen sich nun einmal so." Und Meeker sagt: "Es war allgemein bekannt, dass es sich um ein riskantes und spekulatives Feld handelt."
Quelle: manager-magazin.de
So long,
Calexa