T E L E K O M M U N I K A T I O N
Die Luft wird dünn
Der Aktienkurs der Deutschen Telekom stürzt immer tiefer. In kaum einem Geschäftsfeld macht der Telefonkonzern derzeit Gewinne, der Schuldenberg ist bedrohlich hoch, der Kauf der US-Gesellschaft VoiceStream ist gefährdet - harte Zeiten für Konzernchef Ron Sommer.
Die Herren der Telekom waren etwas erschöpft, aber das Hochgefühl des "wahrhaft historischen Tages" wischte alle Müdigkeit weg. Liza Minelli sang "Money makes the world go round", und der Champagner floss in Strömen. Sogar Anti-Alkoholiker Ron Sommer nippte ab und zu an einem Glas, während er jedem erzählte: "Ich wüsste heute keine bessere Anlage als die T-Aktie." Denn schließlich kostete das Papier "nicht mehr als ein Kinobesuch".
Das war im November 1996. Und die große Party im New Yorker Guggenheim Museum war der krönende Abschluss einer gigantischen Marketing- und Werbekampagne, mit der die Deutsche Telekom ein Volk zu Aktionären gemacht hatte. Mehr als 1,7 Millionen Deutsche hatten damals zum ersten Mal Aktien gekauft und sich zum Einstandspreis von 28,50 Mark je Aktie an dem Staatsunternehmen beteiligt.
Die größte Aktienemission in der Geschichte hatte der Telekom 20 Milliarden Mark gebracht, und das war erst der Anfang. Knapp drei Jahre später versetzte Sommer die Deutschen erneut in ein Aktienfieber. Obwohl das Papier mit knapp 40 Euro inzwischen deutlich teurer war als ein Kinobesuch mit einer Familie, griffen erneut Millionen Kleinanleger begeistert zu.
Als zu Beginn des neuen Jahrtausends die Volksaktie im Gefolge der Internet-Euphorie zeitweise bis auf knapp 104 Euro hochschoss, schien es kein Halten mehr zu geben. Der Traum vom schnellen Geld setzte alle Vorsichtsmechanismen außer Kraft. Fast wie von Sinnen kauften Anleger aus aller Welt die hoch notierten Papiere.
Sogar noch im Juni vergangenen Jahres, als die dritte Tranche der Telekom zum Preis von 66 Euro herauskam, war die Aktie - trotz deutlicher Warnzeichen an der Börse - mehr als dreifach überzeichnet. Statt 15 Milliarden Euro hätte Bundesfinanzminister Hans Eichel damals auch 45 Milliarden Mark einnehmen können.
Seither geht's bergab, und unzählige Investoren klagen über hohe Verluste. Innerhalb der vergangenen zwölf Monate verlor das Papier fast drei Viertel seines Werts und erreichte vergangene Woche mit 26,50 Euro einen traurigen Tiefstand. Selbst wer im Juni eingestiegen ist, hat bis heute mehr als die Hälfte seines Investments verloren.
"Herr Sommer, was haben Sie mit meinem Geld gemacht?", prangerten verbitterte Kleinaktionäre in der "Bild"-Zeitung den Telekom-Chef an. "Hoffentlich", stöhnt der Heilpraktiker Klaus Herting, "nimmt Sommer bald seinen Hut."
Der Ärger der zurzeit rund drei Millionen Kleinaktionäre ist verständlich. Jahrelang hat das "Dax-notierte Superunternehmen mit dem obersmarten Ron Sommer an der Spitze" ("taz") rosige Versprechungen gemacht. Ein Unternehmen von Weltformat, ein echter "Global Player" mit hervorragenden Zukunftsaussichten sollte entstehen.
Kein anderes Unternehmen auf der Welt, verkündete der promovierte Mathematiker Sommer noch im vergangenen Jahr, habe "bessere Ausgangsvoraussetzungen". Mit den Bereichen Festnetz, Mobilfunk, Internet und Systemlösungen sei die Telekom für den Wandel ins Zeitalter für Informations-Technologie ausgezeichnet präpariert.
Die Realität sieht anders aus. Seit Monaten bereits kann der deutsche Telefonriese seine Bilanz nur noch durch Sonderverkäufe positiv gestalten. In kaum einem seiner Kerngeschäftsfelder macht das Unternehmen - trotz erheblicher Umsatzzuwächse - zur Zeit Gewinn. Rund eine Milliarde Euro verbuchte der Konzern allein im letzten Quartal als Verlust.
Der Schuldenberg, den Sommer mit dem Kapital der Aktionäre eigentlich abbauen wollte, ist wieder so hoch wie vor der Privatisierung. Rund 56 Milliarden Euro hat sich der Ex-Monopolist derzeit bei Banken und Anlegern geliehen.
Besserung ist nicht in Sicht. Ob Festnetz, Internet oder Mobilfunk: In allen Bereichen stehen Sommer und seine Manager vor gewaltigen Herausforderungen. Einige Probleme sind die Folge der Neubewertung der einstigen Boombranche, andere sind hausgemacht.
So hatte Sommer unmittelbar nach der Freigabe des Telefonmarktes 1998 die Tarife im Festnetz drastisch gesenkt. Den Herausforderern wie Arcor, Otelo oder Mobilcom sollte der Start so schwer wie möglich gemacht werden.
Die Strategie ging nur halb auf. Zwar stehen viele Konkurrenten inzwischen vor dem Aus oder sind schon völlig von der Bildfläche verschwunden. Gleichzeitig brachen der Telekom aber in ihrem mit Abstand größten Geschäftsbereich die einst üppigen Gewinne weg.
Schon in den nächsten Wochen drohen weitere Einschnitte. Dann will die Regulierungsbehörde darüber entscheiden, zu welchen Preisen die Konkurrenten Leitungen und Telefonanschlüsse von der Telekom mieten dürfen. "Nach bisheriger Aktenlage", verlautet aus der Behörde, sei es "so gut wie sicher", dass die Gebühren unter den bisherigen Sätzen liegen und damit weitere Löcher in die Kasse des Ex-Monopolisten reißen.
Große Versprechungen machte Sommer auch beim Börsenstart der Internet-Tochter T-Online. Die sollte, versicherte er den Aktionären im vergangenen Frühjahr, zur Weltmarke ausgebaut werden.
Knapp ein Jahr später ist davon noch wenig zu sehen. Zwar verfügt die Internet-Tochter offiziell über acht Millionen Kunden. Aber ihre Verweildauer auf T-Online-Seiten ist viermal niedriger als beim Konkurrenten AOL. Entsprechend klein sind die Werbeeinnahmen: 30 Millionen der insgesamt 52 Millionen Euro stammen aus Anzeigen des Mutterkonzerns Telekom.
Im Sommer vergangenen Jahres setzte Sommer deshalb in einer Hauruck-Aktion fast den gesamten T-Online-Vorstand vor die Tür. Mehr attraktive Inhalte, forderte er, müsse T-Online bieten und holte - nach monatelangem Führungsvakuum - den in diesem Geschäft reichlich unerfahrenen Deutsche-Bank-24-Manager Thomas Holtrop an die Spitze. Der, so Sommer, solle sich fortan um attraktive Spiele, Nachrichten und Einkaufsportale kümmern - und das "für den gesamten Konzern".
Auch dieser Plan scheint nicht aufzugehen. Der für Inhalte verantwortliche Manager ist zur Zeit nicht Holtrop, sondern der mächtige Sommer-Vertraute Jürgen Kindervater, im Hauptberuf Bereichsleiter Unternehmenskommunikation.
Vergangene Woche musste Sommer eine weitere Schlappe eingestehen und das so genannte Flatrate-Angebot von T-Online zurücknehmen. Im Juni vergangenen Jahres hatte er den Tarif, bei dem Kunden für 79 Mark unbegrenzt im World Wide Web surfen können, gegen heftige Widerstände des Technikvorstands Gerd Tenzer und des damaligen T-Online-Chefs Wolfgang Keuntje durchgeboxt. "Der Markt will das Angebot, wir werden es ihm geben", hatte der Chef damals entschieden.
Die Surfpauschale brachte nicht nur Ärger mit der Regulierungsbehörde, die darin eine Art Dumping gegenüber den Wettbewerbern sah. Das Discount-Angebot sorgte bei T-Online wegen der unerwartet hohen Dauernutzung auch für dramatische Verluste. Sommer hatte keine andere Wahl, als den Tarif vergangene Woche wieder vom Markt zu nehmen.
In der Boom-Sparte Mobilfunk hat die Telekom zwar eine beeindruckende Aufholjagd zum Marktführer D2 Vodafone hingelegt. Doch Ausgaben von rund 30 Milliarden Mark für UMTS-Lizenzen in England und Deutschland belasten die Bilanz.
Noch immer ist ungewiss, ob die gewaltigen Investitionen in die dritte Generation des Mobilfunks jemals wieder hereinkommen. Zunehmend verlieren Banken das Vertrauen. Aus dem eigentlich schon für vergangenen Oktober geplanten Börsengang der T-Mobil wird wohl auch in diesem Jahr nichts werden.
Allerdings: Der Börsengang, und das ist Sommers einziger Trost in diesen trüben Tagen, ist auch nicht dringend erforderlich, um die Liquidität und die Finanzierung seiner Zukunftsprojekte sicherzustellen. Früher als die Konkurrenten hat er sich am Kapitalmarkt genügend Geld besorgt - zu Zinsen, die deutlich unter denen liegen, die üblich sind, seit die Banken die großen Risiken der neuen Mobilfunk-Generation entdeckt haben.
Den wahren Grund für das "T-esaster", wie Telekom-Mitarbeiter frotzeln, sehen die Manager in der Bonner Firmenzentrale deshalb auch nicht in den hausgemachten Problemen, sondern in den sich dramatisch verschlechternden Zahlen der Konkurrenz.
Da sieht es in der Tat bei vielen düster aus. Selbst einstige Vorzeigekonzerne wie die amerikanische AT&T und die britische BT oder die zeitweise als neue Stars gelobten Firmen wie die amerikanische MCI Worldcom, France Télécom und KPN aus den Niederlanden müssen sich mit sprunghaft steigenden Schulden und Zinsausgaben herumschlagen. Die Folge: Die Aktienkurse brechen ein, Ratingagenturen stufen die Kreditwürdigkeit der Firmen zurück, Banken verlangen noch höhere Zinsen und belasten so die Bilanzen der Firmen immer stärker.
Die Ursachen für diesen Teufelskreis sind fast überall die gleichen: Im Festnetzgeschäft brechen die Gewinne weg, und die Investitionen in den noch boomenden Mobilfunk steigen in bis vor kurzem unvorstellbare Größenordnungen.
So gehen zum Beispiel die Analysten davon aus, dass allein die Zinsbelastungen bei BT in den nächsten Jahren von 600 Millionen Euro (2000) auf fast vier Milliarden Euro (2003) steigen. Bei der France Télécom rechnen die Experten sogar mit einem Anstieg von 2,1 Milliarden auf 5,2 Milliarden Euro. Beim Bonner Konkurrenten dürfte die Belastung dagegen durch den geplanten Verkauf von Beteiligungen und nicht mehr benötigter Immobilien von 3,3 Milliarden auf 1,1 Milliarden Euro sinken.
Tapfer behauptet Sommer deshalb, die Telekom sei "sowohl strategisch wie auch von der Finanzierungsseite deutlich besser aufgestellt als die meisten anderen Unternehmen". Daher sei das ganze Gerede über seinen Rücktritt, das vergangene Woche an den Börsen die Runde machte, "absoluter Quatsch".
Vom Hauptaktionär der Telekom, der Bundesregierung, droht dem unter Druck geratenen Manager auch keine akute Gefahr. Eine Trennung von Sommer, heißt es im Finanzministerium, sei "aktuell kein Thema". Wohl auch mangels Alternative: In Deutschland, wissen Berater, die im Auftrag der Regierung den Markt beobachtet haben, seien derzeit passende Manager nicht zu finden.
Doch zumindest zwei entscheidende Hürden muss Sommer noch nehmen, damit sich die Einschätzung des Hauptaktionärs hält. Er muss die geplante Übernahme des US-Mobilfunkunternehmens VoiceStream endgültig schaffen und die Bilanzgewinne verbessern.
Beides ist nicht sicher. So sieht der Übernahmevertrag für die VoiceStream-Aktionäre - unter ihnen die als VoiceStream-Werbestar tätige Schauspielerin Jamie Lee Curtis - eine Nachverhandlungsklausel vor. Sollte der Kurs der Telekom vor Abschluss des Deals am 31. Mai an 7 von 15 Handelstagen unter 33 Euro liegen, kann VoiceStream nachverhandeln. Damit könnte das ohnehin schon teure Engagement noch mehr ins Geld gehen oder sogar völlig platzen.
Angesichts nachlassender Gewinne sorgen sich die Berliner auch um die Pensionsansprüche der ehemaligen Postbeamten. Sollte die Telekom deren Pensionskasse nicht mehr bedienen können, müsste der Bund in die Bresche springen. Und dann, daran lassen Regierungsvertreter keinen Zweifel, wird die Luft für Sommer ganz dünn.
FRANK DOHMEN, KLAUS-PETER KERBUSK
Die Luft wird dünn
Der Aktienkurs der Deutschen Telekom stürzt immer tiefer. In kaum einem Geschäftsfeld macht der Telefonkonzern derzeit Gewinne, der Schuldenberg ist bedrohlich hoch, der Kauf der US-Gesellschaft VoiceStream ist gefährdet - harte Zeiten für Konzernchef Ron Sommer.
Die Herren der Telekom waren etwas erschöpft, aber das Hochgefühl des "wahrhaft historischen Tages" wischte alle Müdigkeit weg. Liza Minelli sang "Money makes the world go round", und der Champagner floss in Strömen. Sogar Anti-Alkoholiker Ron Sommer nippte ab und zu an einem Glas, während er jedem erzählte: "Ich wüsste heute keine bessere Anlage als die T-Aktie." Denn schließlich kostete das Papier "nicht mehr als ein Kinobesuch".
Das war im November 1996. Und die große Party im New Yorker Guggenheim Museum war der krönende Abschluss einer gigantischen Marketing- und Werbekampagne, mit der die Deutsche Telekom ein Volk zu Aktionären gemacht hatte. Mehr als 1,7 Millionen Deutsche hatten damals zum ersten Mal Aktien gekauft und sich zum Einstandspreis von 28,50 Mark je Aktie an dem Staatsunternehmen beteiligt.
Die größte Aktienemission in der Geschichte hatte der Telekom 20 Milliarden Mark gebracht, und das war erst der Anfang. Knapp drei Jahre später versetzte Sommer die Deutschen erneut in ein Aktienfieber. Obwohl das Papier mit knapp 40 Euro inzwischen deutlich teurer war als ein Kinobesuch mit einer Familie, griffen erneut Millionen Kleinanleger begeistert zu.
Als zu Beginn des neuen Jahrtausends die Volksaktie im Gefolge der Internet-Euphorie zeitweise bis auf knapp 104 Euro hochschoss, schien es kein Halten mehr zu geben. Der Traum vom schnellen Geld setzte alle Vorsichtsmechanismen außer Kraft. Fast wie von Sinnen kauften Anleger aus aller Welt die hoch notierten Papiere.
Sogar noch im Juni vergangenen Jahres, als die dritte Tranche der Telekom zum Preis von 66 Euro herauskam, war die Aktie - trotz deutlicher Warnzeichen an der Börse - mehr als dreifach überzeichnet. Statt 15 Milliarden Euro hätte Bundesfinanzminister Hans Eichel damals auch 45 Milliarden Mark einnehmen können.
Seither geht's bergab, und unzählige Investoren klagen über hohe Verluste. Innerhalb der vergangenen zwölf Monate verlor das Papier fast drei Viertel seines Werts und erreichte vergangene Woche mit 26,50 Euro einen traurigen Tiefstand. Selbst wer im Juni eingestiegen ist, hat bis heute mehr als die Hälfte seines Investments verloren.
"Herr Sommer, was haben Sie mit meinem Geld gemacht?", prangerten verbitterte Kleinaktionäre in der "Bild"-Zeitung den Telekom-Chef an. "Hoffentlich", stöhnt der Heilpraktiker Klaus Herting, "nimmt Sommer bald seinen Hut."
Der Ärger der zurzeit rund drei Millionen Kleinaktionäre ist verständlich. Jahrelang hat das "Dax-notierte Superunternehmen mit dem obersmarten Ron Sommer an der Spitze" ("taz") rosige Versprechungen gemacht. Ein Unternehmen von Weltformat, ein echter "Global Player" mit hervorragenden Zukunftsaussichten sollte entstehen.
Kein anderes Unternehmen auf der Welt, verkündete der promovierte Mathematiker Sommer noch im vergangenen Jahr, habe "bessere Ausgangsvoraussetzungen". Mit den Bereichen Festnetz, Mobilfunk, Internet und Systemlösungen sei die Telekom für den Wandel ins Zeitalter für Informations-Technologie ausgezeichnet präpariert.
Die Realität sieht anders aus. Seit Monaten bereits kann der deutsche Telefonriese seine Bilanz nur noch durch Sonderverkäufe positiv gestalten. In kaum einem seiner Kerngeschäftsfelder macht das Unternehmen - trotz erheblicher Umsatzzuwächse - zur Zeit Gewinn. Rund eine Milliarde Euro verbuchte der Konzern allein im letzten Quartal als Verlust.
Der Schuldenberg, den Sommer mit dem Kapital der Aktionäre eigentlich abbauen wollte, ist wieder so hoch wie vor der Privatisierung. Rund 56 Milliarden Euro hat sich der Ex-Monopolist derzeit bei Banken und Anlegern geliehen.
Besserung ist nicht in Sicht. Ob Festnetz, Internet oder Mobilfunk: In allen Bereichen stehen Sommer und seine Manager vor gewaltigen Herausforderungen. Einige Probleme sind die Folge der Neubewertung der einstigen Boombranche, andere sind hausgemacht.
So hatte Sommer unmittelbar nach der Freigabe des Telefonmarktes 1998 die Tarife im Festnetz drastisch gesenkt. Den Herausforderern wie Arcor, Otelo oder Mobilcom sollte der Start so schwer wie möglich gemacht werden.
Die Strategie ging nur halb auf. Zwar stehen viele Konkurrenten inzwischen vor dem Aus oder sind schon völlig von der Bildfläche verschwunden. Gleichzeitig brachen der Telekom aber in ihrem mit Abstand größten Geschäftsbereich die einst üppigen Gewinne weg.
Schon in den nächsten Wochen drohen weitere Einschnitte. Dann will die Regulierungsbehörde darüber entscheiden, zu welchen Preisen die Konkurrenten Leitungen und Telefonanschlüsse von der Telekom mieten dürfen. "Nach bisheriger Aktenlage", verlautet aus der Behörde, sei es "so gut wie sicher", dass die Gebühren unter den bisherigen Sätzen liegen und damit weitere Löcher in die Kasse des Ex-Monopolisten reißen.
Große Versprechungen machte Sommer auch beim Börsenstart der Internet-Tochter T-Online. Die sollte, versicherte er den Aktionären im vergangenen Frühjahr, zur Weltmarke ausgebaut werden.
Knapp ein Jahr später ist davon noch wenig zu sehen. Zwar verfügt die Internet-Tochter offiziell über acht Millionen Kunden. Aber ihre Verweildauer auf T-Online-Seiten ist viermal niedriger als beim Konkurrenten AOL. Entsprechend klein sind die Werbeeinnahmen: 30 Millionen der insgesamt 52 Millionen Euro stammen aus Anzeigen des Mutterkonzerns Telekom.
Im Sommer vergangenen Jahres setzte Sommer deshalb in einer Hauruck-Aktion fast den gesamten T-Online-Vorstand vor die Tür. Mehr attraktive Inhalte, forderte er, müsse T-Online bieten und holte - nach monatelangem Führungsvakuum - den in diesem Geschäft reichlich unerfahrenen Deutsche-Bank-24-Manager Thomas Holtrop an die Spitze. Der, so Sommer, solle sich fortan um attraktive Spiele, Nachrichten und Einkaufsportale kümmern - und das "für den gesamten Konzern".
Auch dieser Plan scheint nicht aufzugehen. Der für Inhalte verantwortliche Manager ist zur Zeit nicht Holtrop, sondern der mächtige Sommer-Vertraute Jürgen Kindervater, im Hauptberuf Bereichsleiter Unternehmenskommunikation.
Vergangene Woche musste Sommer eine weitere Schlappe eingestehen und das so genannte Flatrate-Angebot von T-Online zurücknehmen. Im Juni vergangenen Jahres hatte er den Tarif, bei dem Kunden für 79 Mark unbegrenzt im World Wide Web surfen können, gegen heftige Widerstände des Technikvorstands Gerd Tenzer und des damaligen T-Online-Chefs Wolfgang Keuntje durchgeboxt. "Der Markt will das Angebot, wir werden es ihm geben", hatte der Chef damals entschieden.
Die Surfpauschale brachte nicht nur Ärger mit der Regulierungsbehörde, die darin eine Art Dumping gegenüber den Wettbewerbern sah. Das Discount-Angebot sorgte bei T-Online wegen der unerwartet hohen Dauernutzung auch für dramatische Verluste. Sommer hatte keine andere Wahl, als den Tarif vergangene Woche wieder vom Markt zu nehmen.
In der Boom-Sparte Mobilfunk hat die Telekom zwar eine beeindruckende Aufholjagd zum Marktführer D2 Vodafone hingelegt. Doch Ausgaben von rund 30 Milliarden Mark für UMTS-Lizenzen in England und Deutschland belasten die Bilanz.
Noch immer ist ungewiss, ob die gewaltigen Investitionen in die dritte Generation des Mobilfunks jemals wieder hereinkommen. Zunehmend verlieren Banken das Vertrauen. Aus dem eigentlich schon für vergangenen Oktober geplanten Börsengang der T-Mobil wird wohl auch in diesem Jahr nichts werden.
Allerdings: Der Börsengang, und das ist Sommers einziger Trost in diesen trüben Tagen, ist auch nicht dringend erforderlich, um die Liquidität und die Finanzierung seiner Zukunftsprojekte sicherzustellen. Früher als die Konkurrenten hat er sich am Kapitalmarkt genügend Geld besorgt - zu Zinsen, die deutlich unter denen liegen, die üblich sind, seit die Banken die großen Risiken der neuen Mobilfunk-Generation entdeckt haben.
Den wahren Grund für das "T-esaster", wie Telekom-Mitarbeiter frotzeln, sehen die Manager in der Bonner Firmenzentrale deshalb auch nicht in den hausgemachten Problemen, sondern in den sich dramatisch verschlechternden Zahlen der Konkurrenz.
Da sieht es in der Tat bei vielen düster aus. Selbst einstige Vorzeigekonzerne wie die amerikanische AT&T und die britische BT oder die zeitweise als neue Stars gelobten Firmen wie die amerikanische MCI Worldcom, France Télécom und KPN aus den Niederlanden müssen sich mit sprunghaft steigenden Schulden und Zinsausgaben herumschlagen. Die Folge: Die Aktienkurse brechen ein, Ratingagenturen stufen die Kreditwürdigkeit der Firmen zurück, Banken verlangen noch höhere Zinsen und belasten so die Bilanzen der Firmen immer stärker.
Die Ursachen für diesen Teufelskreis sind fast überall die gleichen: Im Festnetzgeschäft brechen die Gewinne weg, und die Investitionen in den noch boomenden Mobilfunk steigen in bis vor kurzem unvorstellbare Größenordnungen.
So gehen zum Beispiel die Analysten davon aus, dass allein die Zinsbelastungen bei BT in den nächsten Jahren von 600 Millionen Euro (2000) auf fast vier Milliarden Euro (2003) steigen. Bei der France Télécom rechnen die Experten sogar mit einem Anstieg von 2,1 Milliarden auf 5,2 Milliarden Euro. Beim Bonner Konkurrenten dürfte die Belastung dagegen durch den geplanten Verkauf von Beteiligungen und nicht mehr benötigter Immobilien von 3,3 Milliarden auf 1,1 Milliarden Euro sinken.
Tapfer behauptet Sommer deshalb, die Telekom sei "sowohl strategisch wie auch von der Finanzierungsseite deutlich besser aufgestellt als die meisten anderen Unternehmen". Daher sei das ganze Gerede über seinen Rücktritt, das vergangene Woche an den Börsen die Runde machte, "absoluter Quatsch".
Vom Hauptaktionär der Telekom, der Bundesregierung, droht dem unter Druck geratenen Manager auch keine akute Gefahr. Eine Trennung von Sommer, heißt es im Finanzministerium, sei "aktuell kein Thema". Wohl auch mangels Alternative: In Deutschland, wissen Berater, die im Auftrag der Regierung den Markt beobachtet haben, seien derzeit passende Manager nicht zu finden.
Doch zumindest zwei entscheidende Hürden muss Sommer noch nehmen, damit sich die Einschätzung des Hauptaktionärs hält. Er muss die geplante Übernahme des US-Mobilfunkunternehmens VoiceStream endgültig schaffen und die Bilanzgewinne verbessern.
Beides ist nicht sicher. So sieht der Übernahmevertrag für die VoiceStream-Aktionäre - unter ihnen die als VoiceStream-Werbestar tätige Schauspielerin Jamie Lee Curtis - eine Nachverhandlungsklausel vor. Sollte der Kurs der Telekom vor Abschluss des Deals am 31. Mai an 7 von 15 Handelstagen unter 33 Euro liegen, kann VoiceStream nachverhandeln. Damit könnte das ohnehin schon teure Engagement noch mehr ins Geld gehen oder sogar völlig platzen.
Angesichts nachlassender Gewinne sorgen sich die Berliner auch um die Pensionsansprüche der ehemaligen Postbeamten. Sollte die Telekom deren Pensionskasse nicht mehr bedienen können, müsste der Bund in die Bresche springen. Und dann, daran lassen Regierungsvertreter keinen Zweifel, wird die Luft für Sommer ganz dünn.
FRANK DOHMEN, KLAUS-PETER KERBUSK