rufen.
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... Nigam Arora recht, wenn er behauptet, dass nach der Corona-Krise die Wirtschaft in einem nie zuvor gekannten Maße zu einer Erholung ansetzen wird. Völlig normal, denn wir kommen ja von einem historischen Hoch und genau dahin wollen wir nach der Krise natürlich schnellstmöglich wieder zurück. Die eine entscheidende Frage beantwortet diese merkwürdige Analyse jedoch nicht, die lediglich eine Binsenweisheit als Schlussfolgerung liefert: Wann ist das Ende dieser Krise und wann genau der Boden erreicht?
Wir sollten alle hoffen, dass der Boden so bald wie möglich erreicht sein wird, eben damit es wieder (wie beschrieben) bergauf gehen kann und wird, aber bei über 15% Arbeitslosigkeit in den USA, über 10 Mio. Menschen in Kurzarbeit in Deutschland, das Aufkommen von zweiten Ausbruchsewellen in China und gerade einmal einen Bruchteil von bereits wieder genesenen Infizierten in der breiten Bevölkerung stehen wir noch immer relativ am Anfang und haben das Schlimmste an den Börsen wohl noch vor uns. Es sind vor allem die technischen Systeme bzw. die Algorithmen der Handelssysteme, die die Börsen bisher gestützt haben. Die Realwirtschaft in den USA liegt dagegen bereits jetzt am Boden, auch wenn Milliardengewinne der Tech-Unternehmen etwas anderes suggerieren. Der Großteil der Amerikaner arbeitet aber nicht bei Google, Facebook & Co. im Silicon Valley, sondern verdient sein Geld so wie die, die in den letzten Wochen bereits arbeitslos geworden sind: Viele Amerikaner konnten sich ja nicht einmal arbeitslos melden, weil sie gar nicht erst versichert waren. Somit dürfte die Dunkelziffer derer, die nun ohne einen Job bzw. ohne Einkommen dastehen, noch deutlich höher sein als die 30 Mio. Menschen, die schon jetzt offiziell keine Arbeit mehr haben. Ford machte $2 Mrd. Verlust in einem Quartal, das nur zum Teil von der Krise betroffen war. Man rechnet zwar "nur" mit -$5 Mrd. während der gesamten Krise und geht davon aus, dass es zeitlich so wie in China ablaufen wird, während die Krise im eigenen Land sich gleichzeitig immer weiter ausbreitet. Man kann doch keine Vergleiche ohne vergleichbare Parameter anstellen, aber in den USA konstruiert man sich seine Welt seit jeher so, wie sie einem gefällt. Man darf also weiterhin sehr gespannt sein, wie das dort weitergeht. An einigen Orten demonstriert man bereits bewaffnet vor den Gebäuden des Gouverneurs, aber Trump hat ja alles fest im Griff: Erst will er den Menschen Desinfektionsmittel spritzen, dann hat seine Tochter Ivanka (auf einer eigentlich illegalen Reise) durch Gespräche mit wichtigen Persönlichkeiten plötzlich bis zu 15 Mio. neue Arbeitsplätze geschaffen. Trump ist so ziemlich der letzte Mensch auf Erden, der diese Krise in den USA wird meistern können, und genau deshalb wird er dieses Land in den nächsten Wochen in einen noch tieferen Abgrund führen, denn ein guter "Dealmaker" ist noch lange kein guter Krisenmanager.
Ja, nach der Krise werden die Kurse wieder stark steigen und das für eine sehr lange Zeit, aber sebst wenn sich die Kurse Jahr für Jahr um jeweils 30% erholen sollten, wird es ganze 4 Jahre dauern, bis sie (ausgehend von 10.000 Punkten beim Dow Jones) wieder das Niveau erreicht haben werden, das man kurz vor Ausbruch der Krise erreicht hatte. Ihr denkt, dass die Börse nicht auf diesen Wert abstürzen kann? Ich denke schon, dass das möglich und auch nicht ganz so unwahrscheinlich ist, wie es klingt.
Mir ist schon klar, dass es Ihnen als Optimist sicherlich leichter fällt, eine Situation zu verkennen, statt sich ihrer unliebsamen Konsequenzen zu stellen. Ich bin auch Optimist, bin es schon immer gewesen und werde es hoffentlich auch immer sein, aber ich verwechsle nicht Optimismus mit Blauäugigkeit, so wie sie es tun.
Kurz zu Ihren Punkten, da ich doch etwas tiefer im Thema bin, als Sie es sich vielleicht vorstellen könnten:
1) Der maximale Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers bis Ende April dürfte bei etwa 10 Tagen liegen. De facto habe ich aber konkrete Daten aus einem Unternehmen mit mehreren 10.000 Mitarbeitern, das hier gerade einmal einen Wert von durchschnittlich 1,43 Tagen (Resturlaub bis Ende April) ermittelt hat, auch weil viele ihre Konten bereits mit Winter- und Osterurlauben "überlastet" hatten. Auch wird der jährliche Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer anteilig zu ihrer Kurzarbeitsquote gekürzt: Wer also zu 100% kurzarbeitet, hat in dieser Zeit auch keinen Anspruch auf Erholungsurlaub. Wer zu 50% arbeitet, erwirbt in dieser Zeit auch nur die Hälfte der Ansprüche. Viele Unternehmen stocken das Kurzarbeitergeld auf, entweder weil sie tariflich dazu verpflichtet sind oder es aber freiwillig tun, was ich persönlich gut und richtig finde, wenn man dazu die Möglichkeit hat. Dieser Umstand belastet die Unternehmen jedoch deutlich mehr als der Abbau von (nicht wirklich vorhandenen) Resturlauben oder Überstunden, die so früh im Jahr eher zu vernachnlässigen sind.
2) Die von Hubertus Heil veröffentlichte Zahl von "über 10. Mio. Arbeitnehmern in Kurzarbeit" bezieht sich auf die Arbeitnehmer und nicht auf die Betriebe. Es ist richtig, dass damit nicht zwingend FTEs (Vollzeitstellen) gemeint sein müssen. Bei dem von mir genannten Unternehmen waren im Monat April 55% der Arbeitnehmer in Kurzarbeit, wobei die Quote auf FTEs umgerechnet "nur" etwa 40% betragen hat. Große Teile des Backoffice sind nicht zu 100% in Kurzarbeit, aber das Unternehmen wird jetzt im Mai die Kurzarbeit auf knapp über 70% der Beschäftigten ausweiten und dann wird die FTE-Quote auch mehr als 50% betragen. De facto ist also für 50% der Beschäftigten keine Arbeit vorhanden. Als ehemaliger Unternehmer bin ich relativ gut vernetzt im Rhein-Main-Gebiet und habe durch Rückmeldungen von befreundeten Unternehmern eher den Eindruck gewonnen, dass sich die Situation jetzt im Mai eher verschärfen als entspannen wird. Nun ja, vielleicht kenne ich ja nur die "falschen" Leute ...
3) Am Ende des Tages geht es nicht darum, ob jemand sich statt Iglo-Fischstäbchen lieber doch die günstigeren ALDI-Fischstäbchen kauft, sondern um allgemeine Zukunftsängste. Natürlich wäre es prima, wenn alle ihre (auch verringerten) Einkommen komplett in den Konsum stecken würden, aber de facto lässt sich doch jetzt schon sagen, dass die meisten Läden seit der ersten Lockerungen nicht 60% bis 87% ihrer vorherigen Umsätze erreichten, sondern gerade einmal 10% bis 40% der Umsätze erzielen konnten (Möbel, Mode, Haushaltswaren etc.). Die Menschen halten (eben weil es menschlich ist) ihr Geld zurück und warten erst einmal ab, was da noch kommen wird. Größere Investitionen wird es in den nächsten Wochen und Monaten nur dann geben, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Sie verkennen offenbar, dass der Mensch eben nicht der von Ihnen angenommene Homo Oeconomicus ist, der sich ausschließlich rational und förderlich für die Wirtschaft verhält. Ihr Weltbild scheint mir etwas zu naiv, als dass es die Wirklichkeit widerspiegeln könnte.
Zu den Punkten bezüglich der Weltwirtschaft:
1) Sie schreiben, dass man in den USA genauso schnell wieder eingestellt werden kann, wie man entlassen wurde. Das mag in wirtschaftlich guten Zeiten zu einem Nullsummenspiel führen und ist damit tatsächlich zu vernachlässigen, aber wenn 30 Mio. Amerikaner keine Arbeit mehr haben (und bald werden es wohl noch deutlich mehr sein), wird der Konsum derart absinken, dass die Wiedereinstellung der Arbeitnehmerschaft (wenn überhaupt) nur sehr schleppend erfolgen wird. Als Arbeitgeber stelle ich doch nicht mehr Leute ein, als ich tatsächlich brauche! Dieses Verhalten wird die Rezession erst nachhaltig anfachen und da können die Notenbanken noch so viel Geld über die Anleihemärkte in die Wirtschaft spülen. Die Menschen brauchen (dauerhaft) Konsumschecks in Höhe Ihrer früheren Einkommen, um den aktuellen Fall zu bremsen. Alles andere wird eine Abwärtsspirale in Gang setzen, die man nicht mehr aufhalten kann, weil niemand (außer den Börsenzockern) dieses Notenbankgeld aufnehmen kann und wird. Jeder Tag, an dem das gedruckte Geld in den USA nicht direkt bei den Konsumenten abgeladen wird, ist für die USA ein verlorener Tag im Kampf ums mittelfristige Überleben ihrer Volkswirtschaft.
2) Ich denke auch, dass auch Europa seine Lieferketten überdenken muss, aber de facto ist das nur auf der einen Seite ein Möglichkeit für Wachstum, und zwar wenn der Staat bzw. die Staatengemeinschaft dort aktiv Geld investiert und es den Unternehmen schenkt, denn auf der anderen Seite kostet dieser Umbau die Unternehmen Milliarden an Euros und durch die zwangsläufige Verteuerung der Produkte wird die Produktion (und damit auch der Bedarf an Arbeitnehmern) eher rückläufig sein, während die Umsätze bestenfalls stagnieren und die Gewinne sinken werden.
Ich muss in keine Glaskugel sehen, um Wirtschaftstheorie in die Realität zu übersetzen. Wir müssen schnellstmöglich einen kompletten Umbau der Wirtschaft in Gang setzen, der uns allen sehr viel abverlangen wird, sowohl direkt (in den Geldbeuteln und Kassen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber) als auch indirekt (über Steuern und Sozialabgaben) für die Finanzierung der oben genannten Programme. Die Unternehmensgewinne der Vergangenheit gehören der Vergangenheit an und dennoch darf Protektionismus nicht die Lösung aller Probleme sein, denn wir leben nun einmal alle auf demselben Planeten und wir brauchen auch die Ressourcen der anderen und den globalen Austausch, um allgemeinen Fortschritt zu ermöglichen. Kurzfrisitg aber sehe ich schwarz für die Weltwirtschaft, insbesondere für die USA, und lasse mich aber gerne eines Besseren belehren, denn in dieser (von mir gezeichneten Welt) möchte ich nicht länger leben als unbedingt nötig.
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