Der aktuelle Kommentar aus dem Blicklog ist ebenfalls des Einrahmens wert, trifft einfach so was von punktgenau den Nagel auf den Kopf.
"Denn sie wissen nicht, was sie tun: Anlageexperten der Medien und der DAX 12.000"
In den vergangenen Jahrzehnten habe ich schon einigen haarsträubenden Schwachsinn über die Aktienanlage gelesen. Speziell die Periode um die Blase im Jahr 2000 war voll von den schönen Stilblüten.
Allerdings haben sich in vergangenen Zeiten die Aktienverkäufer noch schöne Wachstumsstorys ausgedacht. Die meisten davon stimmten dann nicht, aber letztlich muss man von jedem Aktienkäufer erwarten können, dass er sich der Risiken bewusst ist; und vor allem nicht leichtgläubig jede Wachstumsprognose als wahr ansieht. Nur bei geschlossenen Fonds werden finanziell Naive brutaler abgestraft als an der Börse.
Heute allerdings braucht man keine (erfundenen oder wahren) Storys mehr, um Aktien zu verkaufen. Beim DAX von 12.000 lautet der in den Medien von sog. Experten gerne verbreitete Ratschlag: Kaufen Sie Aktien (vorzugsweise in Form von Indexfonds), weil die Aktienindizes früher schon stark gestiegen sind (z. B. hier oder hier). Und wenn sie mal deutlich gefallen sind, dann sind sie hinterher irgendwann auch wieder stark gestiegen und haben die Verluste locker aufgeholt. Also kein Problem, wenn man mit dem Timing völlig daneben liegt. Denn langfristig wird alles gut!
Diese Sichtweise hat nur vier nicht ganz unwesentliche Probleme:
1) Sie ist grundsätzlich superdämlich, weil lediglich aus vergangener Performance Rückschlüsse auf die Zukunft gezogen werden. Dieses prozyklische Verhalten ist das sicherste Rezept für ein finanzielles Desaster, da dann immer die Geldanlagen am besten sein müssten, die vorher am stärksten im Kurs gestiegen sind.
2) Sie ist empirisch falsch. Denn tatsächlich gilt die Behauptung, dass sich Aktienmärkte nach ein paar Jahren immer wieder erholt haben, nur für den US-Markt. Zudem kann man sie nur aufrechterhalten, wenn man Inflation, Steuern und Transaktionskosten unberücksichtigt lässt. Ich habe im vergangenen Jahr mal versucht, adjustierte Zahlen zu berechnen, die dann leider die heute vielfach geäußerte Behauptung nicht stützen. (Für Interessierte hier der Link). Leider haben sich angebliche Experten wie Bankanalysten, Journalisten und Finanzwissenschaftler angewöhnt, Aktienrenditen schönzurechnen, wie z. B., beim Handelsblatt Renditerisiko-Radar. Damit disqualifizieren sie sich aber selbst. Denn für das Verhalten, an nominale und nicht an reale Wirtschaftszahlen zu glauben, hat die Ökonomie schon seit Längerem den Begriff Geldillusion geprägt. Insofern gibt es bei Fachleuten eigentlich keine Entschuldigung für diese Rechenkunststückchen.
3) Erfahrungsgemäß kommen ca. 80%-90% der Privatanleger mit dem Aktienmarkt nicht zurecht, wenn sie ihre Anlageentscheidung selbst treffen. Hieran ist weniger eine schlechte Anlageberatung schuld als psychologische Faktoren, die letztlich in einer leichtfertigen Unterschätzung von Risiken an der Börse münden. Andreas Hackethal von der Universität Frankfurt hat das einmal so ausgedrückt: “Anleger, die selbstständig an die Märkte gingen, haben teure Verhaltensmuster.” Hierzu gehören eine mangelnde Streuung im Portfolio, übermäßiges und somit teures Handeln, Selbstüberschätzung (und damit einhergehend Beratungsresitenz), prozyklisches Verhalten durch die Jagd auf Trends sowie die Neigung, “Verlierer auszusitzen” und Gewinner vorschnell zu verkaufen.
4) Indexfonds beheben beheben die Probleme von Privatanlegern am Aktienmarkt nicht. Speziell ETFs verstärken möglicherweise sogar die Schwierigkeiten. Tatsächlich wird nur der Mangel einer zu geringen Streuung angegangen, dies kann man auch mit konventionellen Fonds. Die Frage nach der Anlagestrategie sowie was man wann kauft oder verkauft, lösen auch Indexfonds nicht. Die geringen Kosten dieser Produkte werden in den Medien derzeit oft als entscheidender Vorteil hervorgehoben. Empirische Untersuchungen haben aber gezeigt, dass sich gerade die niedrigen Gebühren in der Praxis als Verführung für Privatanleger erwiesen haben, noch mehr überflüssige Transaktionen mit schlechtem Timing durchzuführen. ETFs sind also für den unerfahrenen Anleger eher noch gefährlicher wie andere Aktienfonds. Jack Bogle, der Vater der Indexfonds, hat deswegen auch vor Kurzem öffentlich ausdrücklich vor dem naiven Umgang mit ETFs gewarnt.
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Wer keine Aktien hat und diese auch nicht will, weil er die Täuschungsmechanismen der Börse nicht durchschaut, sollte auch weiterhin darauf verzichten. Insbesondere sollte er sich nicht beleidigen lassen, weil er angeblich nichts von “Aktienkultur” versteht. Hiervon verstehen die heutigen Propagandisten der Aktie in Deutschland offensichtlich am allerwenigsten. Wer zu Tiefstkursen zur Vorsicht mahnt und erst bei neuen Höchstständen die langfristigen Qualitäten der Aktie entdeckt, beweist nur seine Inkompetenz.
Man sollte sich auch nicht in die Aktie drängen lassen, weil angeblich ein „Anlagenotstand“ besteht. Notstand haben derzeit nur diejenigen, die von risikofreien und hohen Renditen träumen – also vom Friede-Freude-Eierkuchenland. Risiken geht man immer ein: bei Aktien vorwiegend makroökonomische und unternehmerische Risiken; bei Renten und anderen Zinsanlagen insbesondere Inflations- und Kreditrisiken. Deswegen sollte man – egal bei welcher Kapitalanlage – nicht nur von möglichen Renditen träumen, sondern vor allem die Risiken identifizieren und abwägen. Warren Buffets hat einmal zur grundsätzlichen Vorsicht gemahnt: „Meine zwei Investmentregeln sind: Regel eins: Verliere nie Geld. Regel zwei: vergesse niemals Regel eins.” (“My two rules of investing: Rule one – never lose money. Rule two – never forget rule one.”)
Entgangene Gewinne lassen sich nun einmal leichter verschmerzen als realisierte Verluste.
Komplett hier
www.blicklog.com/2015/03/24/...-der-medien-und-der-dax-12-000/
Bubbles are normal and non-bubble times are depressions!