Jochen Steffens Einschätzung, warum die verbale Intervention der Fed hinsichtlich einer Zinssenkung mal wieder exakt an einer charttechnisch wichtigen Marke stattfand.
Will Bernanke die Aktienmärkte stützen?
Ben Bernanke hat der Hoffnung auf weitere Zinssenkungen neue Nahrung gegeben. Seiner Meinung nach stellen die Turbulenzen an den Kreditmärkten immer noch eine Bedrohung für die US-Konjunktur dar. Die Fed sei alarmiert und könne flexibel reagieren. Diese Aussage wurde vom Markt als Hinweis auf eine Zinssenkung bei der nächsten Fed-Sitzung am 11. Dezember gewertet.
Offenbar will die Fed die Aktienmärkte stützen, denn genau dazu werden solche verbalen Zinssenkungen eingesetzt. Die Fed erreicht damit, dass Anleger auf weitere Zinssenkungen spekulieren, das stabilisiert die Märkte und kann ein weiteres Abrutschen verhindern – zumindest für eine Weile.
Die Frage ist, warum?
Ich habe mich unterdessen gefragt, warum die Fed sich zu dieser verbalen Zinssenkung entschlossen hat, da verbale Zinssenkungen keinen Einfluss auf die Kreditmarktkrise haben.
Auf den ersten Blick sind mir natürlich die US-Präsidentschaftswahlen eingefallen, die im November nächsten Jahres stattfinden. Sollte die US-Wirtschaft 2008 in eine Rezession abrutschen, dann wird es noch schwerer für die Republikaner werden, die Wahlen zu gewinnen. Aber die Lösung befriedigte mich nicht. Denn dazu braucht man solche Zinssenkungen nicht anzukündigen, man muss sie lediglich beschließen. Es musste etwas anderes sein.
Rettung in letzter Minute
Diese verbalen Zinssenkungen, die schon zuvor (am Mittwoch) von Fed-Fize Donald Kohn zu hören waren, haben interessanterweise in letzter Minute verhindert, dass der S&P500 seinen Aufwärtstrend verletzt.
Absicht? Könnten Sorgen, dass der Aktienmarkt bei einem Bruch des Abwärtstrend massiv einbricht, die Fed motiviert haben? Amerikaner sind sehr chartverliebt. Hier haben solche Marken zum Teil einen erheblichen Einfluss auf die weitere Kursentwicklung. Und tatsächlich, weiter fallende Aktienmärkte wären in der aktuellen Situation gefährlich:
Kurse machen Nachrichten
Wie ich hier schon häufig geschrieben habe, machen Kurse Nachrichten und nicht umgekehrt. Auch der Fed dürfte dieser Umstand bekannt sein. Wenn die Kurse weiter fallen, wird die Stimmung nach und nach bearisher werden. Das muss vermieden werden, ist aber nur eine Seite. Es funktioniert auch umgekehrt.
Wenn die Fed also die US-Börsen durch weitere Liquiditätszufuhr dazu zwingt, wieder einen neuen Aufwärtstrend auszubilden, werden irgendwann positiven Nachrichten folgen. Positive Nachrichten werden sowohl bei den Verbrauchern, als auch bei den Unternehmen zu höherer Investitionsbereitschaft führen, die wiederum zu mehr Wirtschaftswachstum führen kann.
Konsum durch Aktiengewinne
Aber noch einen positiven Effekt haben steigende Aktienkurse: In den letzten Jahren, vor der Immobilienkrise, war der US-Immobilienmarkt eine der Stützen des wirtschaftlichen Aufschwungs in den USA. Sie haben die Charts zum Immobilienmarkt gesehen, die ich Ihnen in dieser Woche vorgestellt habe. Man konnte deutlich diesen massiven Einbruch in den letzten Monaten erkennen. Dieser wird sich natürlich auf die US-Konjunktur auswirken. Das ist alles bekannt und beschrieben.
Daneben haben natürlich die Gewinne im Immobiliensektor auch dazu geführt, dass viele Menschen zu einer höheren Konsumbereitschaft neigten. Etwas Ähnliches kennen wir vom Aktienmarkt. Wenn Sie große Gewinne mit Aktien gemacht haben, gönnen Sie sich auch gerne mal etwas.
In Deutschland wirken sich steigende Aktienmärkte kaum auf den Konsum aus, da hier zu wenige Menschen im Aktienmarkt investiert sind. In den USA sieht das Bild schon anders aus. Dort existiert eine ganz andere Aktienkultur.
Sollte also jetzt nach dem Immobilienmarkt auch noch der Aktienmarkt einbrechen, wäre das demnach ein weiterer den US-Konsum belastender Aspekt. Und das in einer Zeit, in der der Konsum durch die steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreise sowieso schon belastet genug ist. Ein steigender Aktienmarkt würde sich hingegen positiv auswirken.
Wird der Markt durch sinkende Zinsen in den Himmel getrieben?
Es kann also sein, dass die Fed zurzeit tatsächlich ein höheres Interesse an steigenden Aktienmärkten hat. Warum sonst sollte Ben Bernanke seine Inflationsziele aufgeben? Wobei noch nicht wirklich sicher, ist, dass es in den USA zu einer Inflation kommt, wie gesagt, das Deflatinsszenario hat immer noch seinen Reiz. Dazu in den nächsten Tagen jedoch mehr.
Jochen Steffens
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