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Bei Echelon handelt es sich um das vermutlich größte Abhörnetz der Welt, welches von den Geheimdiensten der Staaten des UKUSA-Abkommens betrieben wird: USA, Kanada, Großbritannien, Australien und Neuseeland.
Etwa seit den 80iger Jahren hören der US-Geheimdienst NSA (National Security Agency) und anderen westlichen Geheimdiensten weltweit die gesamte Sprach-, Fax-, Daten- und Mobilfunk-Kommunikation ab, durchsucht diese nach relevanten Schlüsselwörtern und leitet sie ggf. zur Weiterverarbeitung weiter. Ziel ist es, möglichst den kompletten modernen Kommunikationsverkehr mit Hilfe von Satelliten und Mikrowellentürme und dem "Anzapfen" von Überseekabeln abzuhören. Danach müssen die Daten von Interesse identifiziert und von den nicht relevanten Daten getrennt werden.
Zielobjekte der Echelon-Überwachung sind verschiedenster Art, vorwiegend nicht militärische Ziele wie Regierungen, Organisationen, Unternehmen und Privatpersonen.
Eingesetzte Elemente für die Suche nach "interessanten" Informationen sind u.a.:
Snifferprogramme (seit 1995): Durchsuchen den Inhalt von Daten nach bestimmten indizierten (verdächtigen) Begriffen (aus Wörterbüchern), die durch neun größten Internetknotenpunkte laufen.
Roboter/Agenten: Durchsuchen das Internet nach bestimmten Inhalten.
Geschichte
Traditionelle Methoden zur Spionage sind Wanzen, Kameras und Abhörgeräte
Bis zu den 60er Jahren waren die meisten Überwachungsgeräte technologisch einfach und teuer, da sie voraussetzten, daß man den Verdächtigen auf Schritt und Tritt folgte. Informationen wurden schriftlich festgehalten und mühevoll überprüft. (Das Abhören von Telefonaten war ebenfalls sehr arbeitsintensiv. Beispielsweise wurden von der ostdeutsche Polizei etwa 10.000 ausschließlich dazu eingesetzt, die Telefongespräche der Bürger abzuhören und niederzuschreiben.
In den 80er Jahren entstanden neue Formen der elektronischen Überwachung, welche zu einer kontroversen Diskussion führten (Thema: "Lauschangriff").
Die 1947 zwischen den USA und Großbritannien geschlossenen UKUSA-Verträge hatten das Ziel, Abhöraktionen im Rahmen des kalten Krieges hauptsächlich gegen die Sowjetunion durchzuführen. Ursprünglich standen also militärische Zwecke im Vordergrund.
Durch die Nutzung von Telekommunikation war nun ein geheimes Überwachen von fremder Kommunikation auch bei weiter Entfernung möglich. Im Vergleich zu traditionellen Abhörmöglichkeiten war zudem ein globales Abhören aller Kommunikation möglich.
Das Ausspionieren von faßbaren Informationen, wie Briefen, ist dagegen mit viel größerem (Personal-)Aufwand verbunden und nur in Einzelfällen vertretbar.
Somit stellt die Verwendung von Telekommunikation die Basis für eine Gefährdung der Privatsphäre dar.
Sogenannte NSA-Beobachtungsliste enthielt Namen von Leuten, Firmen und Angelegenheiten, die von Interesse für die NSA-Beobachter sind. Als Beispiel wurden in den Siebzigern Vietnam-Kriegsgegner überwacht und persönliche Daten, markante Verhaltensweisen und politische Kontakte notiert. Diese Akten dienten dann zu illegalen Observation. Das Führen derartiger Listen wurde 1975 zugegeben, blieb jedoch ohne Konsequenzen.
Den Beginn des Projektes Echelon letztendlich machte Anfang der 80er Jahre das Vernetzen von 52 Supercomputern. Zudem wurden die Computer der UKUSA-Stationen miteinander verbunden und in eine Plattform integriert.
Nach Ende des kalten Krieges bekamen die Geheimdienst zur Rechtfertigung ihrer Budgets neue Aufgaben zugeteilt und ihre technologische Ausstattung auf bestimmte Bereiche der Strafverfolgung wie die Bekämpfung von Drogenhandel und Terrorismus übertragen wurde.
Aufdeckung
Lange Zeit galt Echelon weiter als "sagenumwobenes Geheimprojekt". 1960 und 1988 gab es durch ehemalige NSA-Mitarbeiter der Geheimdienste erste Enthüllungen über die Abhörtätigkeit von den USA und Großbritannien. (1988: Margaret Newsham)
Erst in den 90iger Jahren begann durch die Journalistentätigkeit einzelner Personen die detailliertere Aufdeckung von Echelon.
Nicky Hager deckte in seinem 1996 erschienenen Buch "Secret Power" erstmals das globale Lauschsystem Echelon in Neuseeland (Waihopai-Station) auf, welches in genauen Details Echelon beschreibt. Dazu interviewte er über 50 Personen aus Geheimdienstkreisen und brachte neue Erkenntnisse über das Abhörnetz zu tage. Dies bildete die Basis für die darauf einsetzende Diskussion in der Öffentlichkeit.
Das dem Europaparlament zugeordnete Amt zur Bewertung von Technikfolgen "Stoa" (Science and Technology Options Assessment Panel
) in Luxemburg gaben Berichte zur Untersuchung der technischen Möglichkeiten zur Überwachung des Telekommunikationsverkehrs in Auftrag.
Daraus folgten die offiziellen EU-Berichte "Bewertung der Technologien für eine politische Kontrolle" von 1998 (von Steve Wright) und "Interception Capabilities 2000" vom April 2000 (verfaßt von Duncan Campbell) schreiben erstmals umfassend und kritisch über den Stand der Dinge bezüglich des Abhörens und Überwachens von elektronischer Kommunikation für Geheimdienstzwecke ("communications intelligence").
Der zweite Bericht gibt zum Teil detaillierte Beschreibungen der Überwachungsabläufe von der Planung, über die Datensammlung und Verarbeitung bis hin zur Datenverteilung an die jeweiligen Geheimdienste.
Laut dem Stoa-Bericht dient der schnelle Zugriff auf die gesamte weltweite Telekommunikation und der Informationsauswertung inzwischen zunehmend der Wirtschaftsspionage gegen europ. Unternehmen, indem die Informationen an US-amerikanische Konkurrenten weitergegeben werden und ihnen so ein Wettbewerbsvorteil verschafft wird.
Im Stoa-Bericht sind einige Beispiele für Wirtschaftsspionage aufgeführt:
1994 soll der französische Konzern Thomson CSF einen 1.4 Milliarden Dollar Auftrag an das US-Unternehmen Rayton verloren haben, weil die NSA Verhandlungen zwischen Paris und Brasilien abgehört hatte.
Sechs-Milliarden-Dollar-Flugzeug-Deal mit Saudi-Arabien. Nicht der europäische Airbus erhielt den Zuschlag, sondern Boeing, weil die NSA bei den gesamten Verhandlungen "zugeschaltet" war. Und auch bei Militäraufträgen für Kampfflugzeuge hätten US-Unternehmen Vorteile, vor dem europäischen Tornado.
Die USA erlangte Vorteile für die Verhandlungen mit der EU über das Handels- und Zollabkommen GATT.
Im Stoa-Bericht wird zudem der Verdacht geäußert, daß große US-Software-Anbieter geheime Programme in die Software einbauen, um der NSA den Zugriff zu gewährleisten.
Die Berichte kommt zu der Schlußfolgerung, daß das Abhören internationaler Kommunikation seit langer Zeit routinemäßig benutzt wird, um heikle Daten aus alle Lebensbereichen zu sammeln.
In der heutigen Informationsgesellschaft stellen Informationen eine der wertvollsten Waren dar.
Wirtschaftliche und politische Bedeutung
Von Regierungsseite wurde die Existenz von Echelon lange dementiert.
Es geht nicht nur um Wirtschaftsspionage, sondern auch um Fragen des Datenschutzes. Echelon wirft die Fragen nach der Arbeit der Geheimdienste und der Überwachung von Bürgern auf.
In der EU:
Die Existenz von Echelon wurde von offizieller EU-Seite auch nach dem Bericht abgestritten.
Als Resonanz auf die Ergebnisse der Stoa-Berichte und die öffentliche Diskussion, forderten die Grünen im Europaparlament die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, um den Behauptungen nachzugehen, die USA würden mit dem Echelon-System Industriespionage zugunsten amerikanischer Unternehmen betreiben.
Daraufhin wurde Mitte 2000 ein vorübergehender Untersuchungsausschuß zum Thema Echelon eingerichtet, der auch untersuchen soll, in wieweit die Rechte der Bürger gegen Geheimdienstaktivitäten geschützt sind und ob für die europäische Industrie Risiken bestehen.
Der Echelon-Untersuchungsausschuß im Europäischen Parlament hört eine Reihe von technischen und politischen Experten an. Laut Berichten werden jedoch nur die unverfänglichen Fragen beantwortet.
Großbritannien lehnt es ab, einen Vertreter zu dem Ausschuß zu entsenden.
Auch das US-amerikanische FBI wurde vor den Ausschuß geladen, um über das Internet-Überwachungstool Carnivore zu berichten. Das FBI lehnte die Einladung ebenfalls ab.
Im Zuge der Entwicklungen gibt es in einigen Staaten nationale Ermittlungen bezüglich Echelon in Belgien, Frankreich und Italien (Stand Nov. 2000).
Laut Zeitungsartikeln kommt Frankreich zum Ergebnis, daß zum einen Software produziert wurde, um Echelon die Arbeit zu erleichtern und die Konsequenz ist, daß zum anderen müsse die EU deshalb eigene Software entwickeln, die sicher ist.
in Deutschland:
die Existenz von Echelon wurde auch von deutschen Politikern lange abgestritten. (ein Abhörexperte meint: "Man durfte ja nichts sagen, um zwischenstaatliche Projekte nicht zu gefährden." /4/)
in Deutschland ist es sehr still um Echelon (wird nicht thematisiert)
Die Reaktionen sind eher vorsichtig: "Alles sei bombastisch aufgebauscht" (SPD)
Die Grüne EU-Abgeordnete lka Schröder erstattet Strafanzeige am 16.10 2000 ("Betrieb und Tolerierung des Spionagesystems Echelon"):
"Die Abhörtätigkeiten begründeten den Verdacht, daß gegen die Regelungen des Patent-, Gebrauchsmuster- und Halbleiterschutzgesetzes verstoßen werde. Außerdem werde die "Vertraulichkeit des Wortes" nach ¤ 201 StGB verletzt. Daten werden ausgespäht, das Briefgeheimnis gegebenenfalls verletzt, was gegen die Paragraphen 202 und 202a des StGB verstößt. Zudem würden fremde Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse mit technischen Mitteln verwertet - Paragraph 17 UWG, wobei das deutsche Strafrecht nach Paragraph 20 UWG wohl auch auf eine im Ausland begangene Tat anwendbar ist."/7/
Dem technologischen Fortschritt stehen überholte Vorschriften gegenüber, die nicht mit der immer weiter verbreiteten mißbräuchlichen Verwendung Schritt halten konnten.
in Amerika:
Der Amerikanische Kongreß fordert von der NSA, darüber in Kenntnis gesetzt zu werden, ob mit Echelon auch amerikanische Bürger gesetzeswidrig abgehört worden seien.
Die US-Diplomatie will eine obligatorische Schlüsselhinterlegung (Key Escrow) in Europa durchzusetzen. Für die Öffentlichkeit werden Argumente wie organisiertes Verbrechen, Drogenhandel und Kinderpornographie in die Waagschale geworfen.
Die US-Regierung bemüht sich, die Privatsphäre des Einzelnen zu beschränken und die Möglichkeiten der Geheimdienste zu vermehren mit der Begründung der Bekämpfung der Cyberkriminalität. Es sollten Gesetze geschaffen werden, die es für alle Unternehmen von Kommunikationstechnologien möglich machen, Überwachungsmöglichkeiten einzubauen. Die zweite Strategie soll die Herstellung und Verbreitung von Hardware- und Softwareprodukten beschränken, die Kryptographie ermöglichen, die es den Menschen erlaubt, ihre Kommunikation und ihre Dateien zu verschlüsseln, damit sie andere nicht lesen können."
- Ungarn, Tschechei, Japan, Holland und Großbritannien haben bereits Gesetzte für einfacheres Anhören
Chancen für die Grundrechte
Es sollte eine klare Unterscheidung zwischen inländischem Abhören zu Strafverfolgungszwecken und dem Abhören zu Zwecken der Geheimdienste erfolgen
In 50 Staaten : Privatsphäre als grundlegendes Menschenrecht
Der ehemalige NSA Direktor William Studeman nimmt zu dem Problem der Informationsmenge Stellung (siehe Stoa-Report):
"Informationsmanagement wird zum größten, singulären Problem für die US-Geheimdienste. [...] Ein technisches System zur Informationssammlung allein generiert 1 Million Inputs pro halber Stunde. Filter reduzieren das auf 6500 Inputs, nur 1000 Inputs entsprechen den Kriterien zur Weiterleitung; 10 Inputs davon werden von Mitarbeitern analysiert und nur ein Bericht wird schließlich verfaßt".
Leistungsfähige Verschlüsselung (Kryptographie) kann zu einem zunehmenden Problem für das Abhören von Kommunikation werden, wenn der Nutzen in keinem Verhältnis mehr zum Aufwand steht, an die Informationen zu gelangen
Kritische Statements
Grundrechte und Privatsphäre werden abgebaut!
Es gäbe demnach innerhalb der NATO drei Arten von Bündnispartnern:
Länder wie Großbritannien und die USA, die über alle Informationen verfügen
Länder wie Deutschland, die mit weniger Informationen ausgestattet werden
Länder ohne jegliche Informationen.
Echelon ist eine Enttäuschung für die Glaubwürdigkeit politischer Initiativen bzw. Abkommen (z.B. NTA="Neue Transatlantische Agenda"), um gegenseitiges Vertrauen in pol., wirt. und kult. Politikfeldern aufzubauen.
Die USA und GB sehen in ihren eigentlichen "Verbündeten" (GB ist sogar Mitglied der EU) politische und wirtschaftliche Kontrahenten. Damit ist eine Entzweiung der Gesellschaft und Gefährdung der internationalen Stabilität unseres Erachtens vorprogrammiert, es sei denn, die Machenschaften werden von der Politik einfach ignoriert, wie es so oft im Zusammenhang mit Amerika der Fall war.
Die Tatsache, daß Großbritannien als Mitgliedsstaat der EU andere Mitglieder "belauscht" müßte eigentlich die Partnerschaft belasten.
Zumindest wird die Folge der Informationen über das Treiben der Geheimdienste und die Wirtschaftsspionage sein, daß trotz allen Globalisierungsgeredes erkannt wird, wie mächtig noch immer die nationalen Interessen hinter den verschlossenen Türen aus agiert werden und daß die Politik, mitsamt den Geheimdiensten, allmählich nur noch zum Bügelhalter der vermeintlich nationalen Wirtschaftsinteressen im Dienste der Sicherung des Standorts geworden ist. Möglicherweise wird sich die westliche Welt bald auch in anderen Fragen mehr entzweien. Der Krieg der europäischen und amerikanischen Geheimdienste und die daraus entstehenden politischen Konflikte könnten dazu das Sprungbrett bieten.
Literatur
/1/ www.provate.freepage.de/cgi-bin/feets/...A/rewrite/groomlake/nsa.html
/2/ www.welt.de/daten/2000/02/22/0222eu153246.htx
/3/ www.iptvreports.mcmail.com/ic2kreport.htm#Report (2. Stoa-Bericht)
/4/ www.zdnet.de/news/artikel/2000/07/05010-wc.html
/5/ www.heise.de/tp/deutsch/special/ech/6928/1.html
/6/ www.ct.heise.de/tp/deutsch/special/ech/default.html
/7/ www.ct.heise.de/tp/deutsch/special/ech/6998/1.html
/8/ www.zdnet.de/news/report/echelon/echelon-wc.html
/9/ www.fire.net.nz/echelon.htm
/10/ www.intern.de/99/21/63.shtml
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