Dienstag, 15. Juli 2003 Berlin, 11:25 Uhr
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Chinas Wunderwaffe
Der Computerbauer Legend hat die Konkurrenz von IBM, Dell und HP auf seinem Heimatmarkt das Fürchten gelehrt. Viele Chinesen halten die einheimischen Produkte schlicht für besser. Nun will die Firma auch ins Ausland expandieren
von Wolfgang Harrer
Als der chinesische Ingenieur Liu Chuanzhi Anfang der achtziger Jahre seine eigenen Computer produzieren wollte, gab ihm der Institutsleiter an der Pekinger Akademie der Wissenschaften die erwartungsgemäße Antwort: "Nein". Warum sollte die chinesische Führung denn in einen weiteren PC-Hersteller investieren, so die kommunistische Logik, wenn es dafür doch schon ein staatliches Unternehmen gab? Als kurz darauf aber Chinas allmächtiger Oberfunktionär Deng Xiaoping die Forschungseinrichtungen ermahnte, mehr kommerzielle Produkte zu entwickeln, bekam auch Liu Chuanzhi seine Chance.
In einer Garage auf dem Campus der Akademie durfte er 1984 die Firma Legend Computers gründen. Die Garage ist heute ein Museum, und Legend Computers hat geschafft, was sonst in keinem anderen Land der Welt geglückt ist: In China kontrollieren nicht mehr die ansonsten übermächtigen US-Firmen IBM, Dell oder Hewlett-Packard den PC-Markt, sondern die Firma Legend - und das schon seit mehr als sechs Jahren. Nach Angaben des Analystenhauses IDC beträgt Legends Marktanteil auf dem chinesischen PC-Markt rund 27 Prozent, stärkster ausländischer Wettbewerber ist der Texaner Michael Dell mit nur fünf Prozent, gefolgt von IBM mit 4,6 Prozent. Im Geschäftsjahr 2002 lag Legends Umsatz bei 2,6 Mrd. Dollar.
"Die internationale Konkurrenz ist gut für uns", sagt Legends selbstbewusster neuer Chef Yang Yuanqing. "China ist schließlich ein riesiger Markt. Unser härtester Konkurrent sind ohnehin wir selbst: Wir wollen über uns selbst hinauswachsen." Legend hat auch kaum eine andere Wahl. Zwar hat China mit Zuwachsraten von 16 Prozent immer noch den am schnellsten wachsenden PC-Markt der Welt. Vieles deutet aber darauf hin, dass der PC-Boom allmählich abflacht und dass damit auch der strategische Wert von Legends eigenem Ladennetz sinken wird.
In den großen Städten Südchinas haben bereits vierzig Prozent aller Haushalte einen PC. "Wir glauben, dass in diesem Jahr schon zwanzig Prozent unserer Kunden Wiederholungskäufer sind", sagt die Finanzchefin des Unternehmens, Mary Ma Xuezheng. Je erfahrener nun die wohlhabenden chinesischen PC-Kunden werden, umso eher dürften sie auch dazu neigen, ihre Computer nicht mehr in einem der 550 Legend-Läden zu kaufen, sondern eher bequem per Internet. Das ist zumindest die Hoffnung von Michael Dell, der mit seinem Direktverkaufs-Konzept einst schon in den USA dem Platzhirsch IBM die Marktführung entrissen hatte. Dell betreibt im südchinesischen Xiamen bereits eine Produktionsstätte und einen Service-Center. Dells Umsatz in China wuchs allein im vergangenen Jahr um 76 Prozent. Legend hat die Bedrohung durch Dell zwar erkannt, will aber weiterhin am kostspieligen Ladennetz festhalten. Schließlich war es ja die eigene Vertriebskette, die das schnelle Wachstum erst möglich machte.
Um auch langfristig neben den amerikanischen und japanischen Elektronikkonzernen bestehen zu können, forciert der 36-jährige Yang Yuanqing jetzt aber die Diversifizierung des Unternehmens. Legend produziert nicht mehr nur Desktop-PCs, sondern auch Handys, PDAs, Digitalkameras und Laptops. Die Nachfrage nach Laptops stieg in China 2002 um 60 Prozent, allerdings scheinen die chinesischen Kunden hier stärker auf ausländische Produkte zu setzen als bei PCs. Und dies, obwohl die Legend-Laptops mit denselben Intel-Prozessoren bestückt sind wie die Konkurrenzprodukte von Dell oder IIP, einem Joint Venture von IBM und der chinesischen Firma China-Great-Wall. Legends Marktführung bei Laptops ist innerhalb der letzten zwei Jahre von 25 auf 17 Prozent gesunken
Wer aber glaubt, Legend behaupte sich vor der ausländischen Konkurrenz als glanzloser Billig-Anbieter mit Heimvorteil, der unterschätzt das Unternehmen. In China werden inzwischen eher die Amerikaner als Billig-Produzenten wahrgenommen, die längst nicht dasselbe Marken-Vertrauen genießen wie Legend und Liu Chuanzhi. Der 58-jährige PC-Pionier gilt inzwischen als "Chinas Bill Gates" und wurde sogar mit einem Sitz in der chinesischen Volkskammer geehrt. "Unsere Marke und das mühsam erworbene Vertrauen unserer chinesischen Kunden sind bei weitem unser wichtigstes Kapital", sagt auch sein Nachfolger Yang Yuanqing.
Was im Reich der Mitte funktioniert, gilt deshalb aber noch lange nicht für den weltweit umsatzstärksten PC-Markt USA: Ähnlich wie in Europa pflegen auch Amerikas IT-Unternehmen immer noch das Klischee, wonach China die westliche Welt nur mit Billigprodukten niedrigster Qualität überschwemme. Zwar ist China schon längst ein wichtiger Forschungs- und Entwicklungsstandort geworden.
Das Billig-Image ist für Legends internationale Expansion derzeit aber noch ein großes Problem. "Wir richten unsere Aufmerksamkeit auch in der nächsten Zeit vor allem auf unseren chinesischen Markt", sagt deshalb Yang Yuanqing. Tatsächlich bereitet das Unternehmen aber den Markteintritt in den USA und Europa vor und hat sich dafür Ende April bereits einen neuen Markennamen zugelegt. Außerhalb Chinas präsentiert sich das Unternehmen jetzt als "Lenovo" statt "Legend". Yang Yuanqing sagt zwar, der Markenwechsel sei nur nötig gewesen, da der Name "Legend" in vielen westlichen Ländern bereits von anderen Firmen registriert worden sei. "Lenovo" soll aber auch moderner klingen als "Legend".
Die Chinesen haben aber noch eine andere Hoffnung. Dass das internationale Ansehen parallel zur zunehmenden Aufwertung des IT-Standortes China steigen wird. Immer mehr US-Technologie-Firmen verlagern nicht nur ihre Fertigung, sondern auch beachtliche Teile ihrer Forschungs- und Entwicklungsabteilungen nach China, wo gut ausgebildete Ingenieure etwa sechzig Prozent weniger kosten als in den USA. So stammen beispielsweise wichtige Bestandteile des neuen Musikkompressions-Standards mp4 aus Microsofts Forschungs-Zentrum in Peking, und das chinesische Softwarehaus Red Flag Linux wird bereits von US-Größen wie Sun und IBM umworben, die zumindest in China die Dominanz von Windows brechen wollen. In amerikanischen Business-Schools gilt "Legend" schon längst als Beweis dafür, dass Chinas IT-Industrie nicht mehr unterschätzt werden darf. Im eigenen Land tut das längst keiner mehr - selbst nicht mehr der eingefleischteste kommunistische Apparatschik.
Artikel erschienen am 15. Jul 2003
Home Wirtschaft 1 2 vor
Chinas Wunderwaffe
Der Computerbauer Legend hat die Konkurrenz von IBM, Dell und HP auf seinem Heimatmarkt das Fürchten gelehrt. Viele Chinesen halten die einheimischen Produkte schlicht für besser. Nun will die Firma auch ins Ausland expandieren
von Wolfgang Harrer
Als der chinesische Ingenieur Liu Chuanzhi Anfang der achtziger Jahre seine eigenen Computer produzieren wollte, gab ihm der Institutsleiter an der Pekinger Akademie der Wissenschaften die erwartungsgemäße Antwort: "Nein". Warum sollte die chinesische Führung denn in einen weiteren PC-Hersteller investieren, so die kommunistische Logik, wenn es dafür doch schon ein staatliches Unternehmen gab? Als kurz darauf aber Chinas allmächtiger Oberfunktionär Deng Xiaoping die Forschungseinrichtungen ermahnte, mehr kommerzielle Produkte zu entwickeln, bekam auch Liu Chuanzhi seine Chance.
In einer Garage auf dem Campus der Akademie durfte er 1984 die Firma Legend Computers gründen. Die Garage ist heute ein Museum, und Legend Computers hat geschafft, was sonst in keinem anderen Land der Welt geglückt ist: In China kontrollieren nicht mehr die ansonsten übermächtigen US-Firmen IBM, Dell oder Hewlett-Packard den PC-Markt, sondern die Firma Legend - und das schon seit mehr als sechs Jahren. Nach Angaben des Analystenhauses IDC beträgt Legends Marktanteil auf dem chinesischen PC-Markt rund 27 Prozent, stärkster ausländischer Wettbewerber ist der Texaner Michael Dell mit nur fünf Prozent, gefolgt von IBM mit 4,6 Prozent. Im Geschäftsjahr 2002 lag Legends Umsatz bei 2,6 Mrd. Dollar.
"Die internationale Konkurrenz ist gut für uns", sagt Legends selbstbewusster neuer Chef Yang Yuanqing. "China ist schließlich ein riesiger Markt. Unser härtester Konkurrent sind ohnehin wir selbst: Wir wollen über uns selbst hinauswachsen." Legend hat auch kaum eine andere Wahl. Zwar hat China mit Zuwachsraten von 16 Prozent immer noch den am schnellsten wachsenden PC-Markt der Welt. Vieles deutet aber darauf hin, dass der PC-Boom allmählich abflacht und dass damit auch der strategische Wert von Legends eigenem Ladennetz sinken wird.
In den großen Städten Südchinas haben bereits vierzig Prozent aller Haushalte einen PC. "Wir glauben, dass in diesem Jahr schon zwanzig Prozent unserer Kunden Wiederholungskäufer sind", sagt die Finanzchefin des Unternehmens, Mary Ma Xuezheng. Je erfahrener nun die wohlhabenden chinesischen PC-Kunden werden, umso eher dürften sie auch dazu neigen, ihre Computer nicht mehr in einem der 550 Legend-Läden zu kaufen, sondern eher bequem per Internet. Das ist zumindest die Hoffnung von Michael Dell, der mit seinem Direktverkaufs-Konzept einst schon in den USA dem Platzhirsch IBM die Marktführung entrissen hatte. Dell betreibt im südchinesischen Xiamen bereits eine Produktionsstätte und einen Service-Center. Dells Umsatz in China wuchs allein im vergangenen Jahr um 76 Prozent. Legend hat die Bedrohung durch Dell zwar erkannt, will aber weiterhin am kostspieligen Ladennetz festhalten. Schließlich war es ja die eigene Vertriebskette, die das schnelle Wachstum erst möglich machte.
Um auch langfristig neben den amerikanischen und japanischen Elektronikkonzernen bestehen zu können, forciert der 36-jährige Yang Yuanqing jetzt aber die Diversifizierung des Unternehmens. Legend produziert nicht mehr nur Desktop-PCs, sondern auch Handys, PDAs, Digitalkameras und Laptops. Die Nachfrage nach Laptops stieg in China 2002 um 60 Prozent, allerdings scheinen die chinesischen Kunden hier stärker auf ausländische Produkte zu setzen als bei PCs. Und dies, obwohl die Legend-Laptops mit denselben Intel-Prozessoren bestückt sind wie die Konkurrenzprodukte von Dell oder IIP, einem Joint Venture von IBM und der chinesischen Firma China-Great-Wall. Legends Marktführung bei Laptops ist innerhalb der letzten zwei Jahre von 25 auf 17 Prozent gesunken
Wer aber glaubt, Legend behaupte sich vor der ausländischen Konkurrenz als glanzloser Billig-Anbieter mit Heimvorteil, der unterschätzt das Unternehmen. In China werden inzwischen eher die Amerikaner als Billig-Produzenten wahrgenommen, die längst nicht dasselbe Marken-Vertrauen genießen wie Legend und Liu Chuanzhi. Der 58-jährige PC-Pionier gilt inzwischen als "Chinas Bill Gates" und wurde sogar mit einem Sitz in der chinesischen Volkskammer geehrt. "Unsere Marke und das mühsam erworbene Vertrauen unserer chinesischen Kunden sind bei weitem unser wichtigstes Kapital", sagt auch sein Nachfolger Yang Yuanqing.
Was im Reich der Mitte funktioniert, gilt deshalb aber noch lange nicht für den weltweit umsatzstärksten PC-Markt USA: Ähnlich wie in Europa pflegen auch Amerikas IT-Unternehmen immer noch das Klischee, wonach China die westliche Welt nur mit Billigprodukten niedrigster Qualität überschwemme. Zwar ist China schon längst ein wichtiger Forschungs- und Entwicklungsstandort geworden.
Das Billig-Image ist für Legends internationale Expansion derzeit aber noch ein großes Problem. "Wir richten unsere Aufmerksamkeit auch in der nächsten Zeit vor allem auf unseren chinesischen Markt", sagt deshalb Yang Yuanqing. Tatsächlich bereitet das Unternehmen aber den Markteintritt in den USA und Europa vor und hat sich dafür Ende April bereits einen neuen Markennamen zugelegt. Außerhalb Chinas präsentiert sich das Unternehmen jetzt als "Lenovo" statt "Legend". Yang Yuanqing sagt zwar, der Markenwechsel sei nur nötig gewesen, da der Name "Legend" in vielen westlichen Ländern bereits von anderen Firmen registriert worden sei. "Lenovo" soll aber auch moderner klingen als "Legend".
Die Chinesen haben aber noch eine andere Hoffnung. Dass das internationale Ansehen parallel zur zunehmenden Aufwertung des IT-Standortes China steigen wird. Immer mehr US-Technologie-Firmen verlagern nicht nur ihre Fertigung, sondern auch beachtliche Teile ihrer Forschungs- und Entwicklungsabteilungen nach China, wo gut ausgebildete Ingenieure etwa sechzig Prozent weniger kosten als in den USA. So stammen beispielsweise wichtige Bestandteile des neuen Musikkompressions-Standards mp4 aus Microsofts Forschungs-Zentrum in Peking, und das chinesische Softwarehaus Red Flag Linux wird bereits von US-Größen wie Sun und IBM umworben, die zumindest in China die Dominanz von Windows brechen wollen. In amerikanischen Business-Schools gilt "Legend" schon längst als Beweis dafür, dass Chinas IT-Industrie nicht mehr unterschätzt werden darf. Im eigenen Land tut das längst keiner mehr - selbst nicht mehr der eingefleischteste kommunistische Apparatschik.
Artikel erschienen am 15. Jul 2003