Unzufriedenheit kommt daher, dass eine Enttäuschung eingetreten ist – diese Enttäuschung folgt i.d.R. einem Vergleich (z.B. einer Soll- und einer Istsituation) und der sich daran anschließenden Verarbeitung. Ich erwarte ein nettes Zimmer, mit Balkon und Blick über die Lagune und finde mich wieder in einem verwohnten Zimmer mit Blick auf den Wirtschaftshof. Die Folge davon ist Frustration, die sich auf unterschiedlichen Arten Luft macht: Beschweren, Reinfressen des Frustes (Achtung Magengeschwüre…), Relativieren („ach so schlimm ist es nicht, wir sind ohnehin immer am Strand.“). Ein Student, der diese Reise gewonnen hat, wird sich freuen, ein Fünf-Sterne-Resort und umsonst, was stört ihn diese Aussicht…
An der Börse haben wir es ebenso mit zwei Situationen zu tun, welche – und das macht es kompliziert – beide einer Interpretation unterliegen: Es gibt die „echte“ Welt, also die Realwirtschaft mit ihrer Flut an Indikatoren und das „Abbild“ dieser Welt mir ihrer Vielzahl an Kursen und Indices. Und beide „Welten“ hängen „irgendwie“ zusammen – nicht beliebig, aber es gibt auch keinen strikten Determinismus.
Und beides passt nicht zusammen:
Die Börse ist in den vergangenen Monaten extrem gestiegen, ohne dass es aus Bärensicht einen glaubhaften Grund dafür gibt. Und was nicht passt, wird passend gemacht und man fängt an, zu versuchen, sich einen Reim auf diese „unpassende“ Situation zu machen. Die Zahl der Erklärungsmuster „warum es trotzdem hoch geht“ ist enorm. Ähnlich wie beim Urlaubsbeispiel kann man den Anstieg relativieren, weil der Schwung nachlässt, man kann in die Verschwörungsschublade greifen, Parallelen zur Vergangenheit knüpfen usw. Im Gegensatz zum Urlaubsbeispiel kann man außer sich die Welt zu erklären (oder zurechtzubiegen) nichts tun – im Urlaub kann man immerhin zur Rezeption laufen – 20 Dollar auf den Tresen legen und warten bis man ein schönes Zimmer bekommt…
Ein besonders Beispiel für derartige Erklärungsmuster habe ich als Grafik angeführt.
Das Fatale ist, dass sich dieser „Erklärungsprozess“ verstärkt, man verrennt sich in der eigenen Argumentation. „Die Rigidität der Betroffenen verhindert ein Erkennen der eigenen Situation, der Selbstschutz ist [..] ausgeblendet. Auslöser ist der Widerspruch zwischen Erwartungen und der subjektiv wahrgenommenen Situation.“ (Das ist von mir – ein paar Jahre alt)
Und noch fataler ist, dass die Bären es im Jahr 2007 gelernt haben, dass beides: Die Krise der „realen“ Welt und das Sinken der Börsen zusammen gehören. „So gehört es sich ja auch – wo kommen wir denn sonst hin?!“
Ja aber, werden jetzt die „richtigen“ Bären sagen, das ist alles schön und gut, aber ich bin überzeugt, dass bald die Fahrt nach unten ins W, ins L ins dicke U oder was auch immer ansteht. „Ich bleibe meiner Einschätzung treu.“
Das mag richtig sein, aber was schadet es sich mal aus „seiner“ Position zu lösen, das „andere“, das „Undenkbare“ denken? Um es auf den Punkt zu bringen, auch mal den Grüner zu lesen und nachzudenken, was ihm sein Einflüsterer Fisher über den großen Teich zugerufen hat? Ich für meinen Teil denke immerzu die bärische Position durch, ich bin ein Bulle, der immer einen Bärenhut aufhat. Wie hat Kostolany gesagt „Angst haben, aber nicht erschrecken.“
So gesehen beginnt Antizyklik im eigenen Kopf.
Jetzt wird AL sagen, dass er doch genau dann und dann long gegangen ist und dass er eigentlich der richtige Antizykliker wäre. Das mag für ihn zutreffen, wenn ich mir andere Teilnehmer dieser Show namens ARIVA ansehe, entdecke ich, dass es sehr viele gibt, die niemals nur angedeutet haben, dass es eine Chance auf einen Boden gibt, dass es aufwärts gehen könnte. Diese Dogmatik hat verhindert, sich auf reale Tendenzen einzustellen (Bear Religion – Bad Religion?).
Oben habe ich geschrieben, dass ich diesen Text „offen [..], ohne für eine Position Partei zu ergreifen“ erstellen möchte, also auch keinen überzeugen will, seine Position zu ändern. Aber jeder sollte sich der inhärente ablaufenden Prozesse klar werden, auf dass er die Bewertungen seines Gehirns bewerten kann.
