Dax-Ausblick: Rally - wie lange noch?
Der Dax scheint nur eine Richtung zu kennen: nach oben. Anleger machen sich offenbar Hoffnungen auf ein Ende der Krise. Doch Marktbeobachter bleiben vorsichtig und warnen vor Rückschlägen. Denn eine solche Entwicklung gab es schon einmal.
HB FRANKFURT. Fast hätte der deutsche Leitindex schon in dieser Woche den Sprung über 5 000 Punkte geschafft. Allein in dieser Woche hat der Dax drei Prozent gewonnen. Seit seinem bisherigen Jahrestief Anfang März hat der Index 37 Prozent zugelegt. Anleger fragen sich: Zeigt die Entwicklung das Ende der Flaute an der Börse an? Erweist sich die Börse gar als Frühindikator für eine Erholung der Wirtschaft? Oder haben sich die Optimisten zu früh gefreut?
Der Markt der Aktien ist auch ein Markt der Meinungen - für beide Seiten finden sich Stimmen, doch die Zahl der Skeptiker ist groß. Optimisten sehen hingegen den Beginn eines Bullenmarktes. Dafür spreche, dass gute Nachrichten zu Kurssteigerungen führen, schlechte hingegen kaum belasten. Und gerade die Tatsache, dass der Markt alle Warnungen der Beobachter ignoriert, zeige die Stärke der Aufwärtsentwicklung. Vorsichtigere Optimisten wären immerhin froh, wenn der Dax zunächst einmal die 5 000-Punkte-Marke nachhaltig hinter sich lassen würde.
Mittelfristig werde der Index die Linie überspringen, glaubt Aktienstratege Carsten Klude von MM Warburg. Er erwartet allerdings nicht, dass dies bereits in der neuen Woche passiert. Grundsätzlich stünden aber viele Investoren unter Zugzwang und müssten zugreifen. Auch Jörg Krämer von der Commerzbank rät Anlegern, Schwächephasen zu nutzen: "Wir halten es trotz der jüngsten Kursgewinne noch nicht für zu spät, bei zu erwartenden Korrekturen auf den Börsenzug aufzuspringen."
Die Grundtendenz wandele sich "in Richtung leichtem Optimismus", sagt Arnim E. Kogge vom Stuttgarter Bankhaus Ellwanger & Geiger. Das sei auch deutlich wieder an der Stärke des Euro zum Dollar zu erkennen. Kogge sieht den Dax derzeit in einem aufwärtsgerichteten Trendkanal, dessen obere Linie bei 5 150 liegt. Auch wenn der Dax bis 4 750 Punkte fallen würde, befände er sich noch in diesem Trendkanal.
Kogge warnt aber, dass sich die "Beruhigungsszenerie, dass die Talsohle durchschritten ist", als trügerisch erweisen könne. Die Aktienmärkte würden derzeit das konjunkturelle Umfeld ausblenden. Mit "herben Rückschlägen" rechnet der Aktienstratege nicht, "allerdings bleibt ein Rückgang in Richtung der 4 000er-Dax-Marke nach wie vor als mögliches Szenario bestehen".
Mit Rückschlägen rechnen auch andere Beobachter. "Der Kursanstieg erscheint uns übertrieben", betonen die Analysten der Landesbank Berlin (LBB). Die Rally stehe auf sehr wackeligen Beinen, da sie überwiegend von der Hoffnung auf eine nachhaltige wirtschaftliche Belebung getragen werde. Die Analysten wären daher nicht verwundert, wenn es in den nächsten Wochen doch zu einem starken Rückschlag kommen würde.
Immerhin habe sich in der Wirtschaft die Geschwindigkeit des Abschwungs bei vielen Indikatoren abgeschwächt, sagt Jens Herdack von der Weberbank. "Diese Effekte sind wohl mit dafür verantwortlich, dass die Aktienmärkte seit nunmehr neun Wochen ohne Unterbrechung steigen." Die Marktteilnehmer würden bereits leichte Verbesserungen einzelner Stimmungs-Indikatoren geradezu euphorisch aufnehmen.
"Schaut man allerdings genauer hin, so entdeckt man, dass die Bilanzierungsabteilungen mit zahllosen Tricks nachgeholfen haben, die Ergebnisse zu verbessern", warnt Herdack. So müssten beispielsweise die toxischen Papiere in den Bankbilanzen nicht mehr zu Marktpreisen bewertet werden. Ihre Werte werden nun mit Hinweis auf einen nicht funktionierenden Markt anders berechnet.
Der Beobachter warnt: "Auf Angst folgt Gier." Vor dem Hintergrund der weltwirtschaftlichen Situation falle es ihm schwer, daran zu glauben, dass die aktuelle Aktienmarktrally bereits die endgültige Wende eingeleitet hat. Herdack sieht eine historische Parallele zur Jahrtausendwende: Nach dem Platzen der 2000er-Technologieblase gewann der Dax zwischenzeitlich ebenfalls 50 Prozent an Wert, bevor er dann noch einmal neue Tiefstände markierte. "Eine solche Reaktion können wir uns auch diesmal vorstellen."
Termine der kommenden Woche
Doch zunächst erhoffen sich viele Börsianer Unterstützung für den Aktienmarkt von Konjunkturdaten. Im Mittelpunkt stehen am Mittwoch die US-Einzelhandelsumsätze für April. "Diese dürften den Konjunkturoptimismus der Anleger bekräftigen", meint Klude. Commerzbank-Experten rechnen mit einem Plus von 0,3 Prozent nach einem Rückgang im März um gut ein Prozent. Im Fokus der Anleger stehen außerdem die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA am Donnerstag sowie der Empire-State-Index und die vorläufigen Daten zum US-Verbrauchervertrauen der Universität Michigan am Freitag.
Auf der Unternehmensseite stehen weitere Quartalszahlen einiger deutscher Unternehmen aus der ersten Börsenliga an. "Dabei blicken die Anleger vor allem auf den Ausblick, womit sich die Konzerne allerdings zurückhalten dürften", sagte ein Börsianer. Von Interesse sind unter anderem Thyssen-Krupp und Salzgitter, RWE und Eon sowie K+S. Darüber hinaus legen etliche Firmen aus dem MDax und TecDax Zahlen vor, darunter Q-Cells, EADS, Premiere, ProSiebenSat.1 und Hochtief.
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Quelle: HANDELSBLATT