Die Börsen tanzen am Abgrund
2. Juli 2002 Mit kaum zu überbietender Klarheit hat uns die Wall Street wieder daran erinnert: Die Weltbörsen stecken inmitten der Baisse, und ihre Trends weisen unverändert abwärts.
Jetzt sind die letzten unmittelbar greifbaren Kursbastionen in höchster Gefahr. Auch auf Schlusskursbasis hat der US-Technologieindex Nasdaq Composite am Montag seine September-Tiefs unterschritten und notiert mit 1.403 Punkten so tief wie zuletzt im Juni 1997. Dennoch gilt die Marke von 1.400 Zählern, welche das September-Niveau grob umschreibt, als letzte „Auffanglinie“.
Doch dürfte diese dünne Linie nicht standhalten, befürchtet Charttechniker Wieland Staud von Staud Research. Auf Verlaufsbasis notierte der Nasdaq mit 1.375 Zählern ohnehin bereits darunter. Ein Fall bis auf die noch aus den Jahren 1996 und 1997 stammenden Unterstützungen zwischen 1.000 und 1.060 Zählern wäre damit kaum zu umgehen.
Langfristiger Aufwärtstrend des Dax bedroht
Der Dax startet auch aus diesem Grund mit deutlichen Verlusten in den Tag. Bis 10.23 Uhr verliert er 1,44 Prozent auf 4.303 Stellen. Wichtig ist jetzt vor allem, dass der Dax nicht unter den langfristigen Aufwärtstrend aus dem Jahr 1982 bei knapp unter 4.000 Punkten fällt, betont ein Marktteilnehmer.
Dem Nemax 50 droht mit dem Sturz unter sein bisheriges Rekordtief auf Schlusskursbasis bei 576 Punkten bereits jetzt der freie Fall: Bis 10.10 Uhr hat er 3,15 Prozent auf 571,95 Zähler eingebüßt.
Infineon geben um zwei Prozent auf 15,12 Euro nach, Epcos verlieren 3,9 Prozent auf 31,80 Euro. Die Deutsche Telekom hat sich wieder über die 10-Euro-Marke gerettet und gewinnt gegen den Trend 1,6 Prozent auf 10,22 Euro.
Degussa gewinnen entgegen der allgemeinen Tendenz 0,67 Prozent auf 36,20 Euro. „Eine Strafe in dieser Höhe ist erwartet worden“, sagt ein Händler zu einem Bericht im „Handelsblatt“, dem zufolge Degussa wegen Preisabsprachen ein Bußgeld von mehr als 100 Millionen Euro bezahlen muss. Deutsche Post weiten ihre Verluste vom Vortag dagegen aus und rutschen derzeit um 2,5 Prozent auf 12,43 Euro. „Die Welt“ hatte berichtet, KarstadtQuelle habe Interesse an German Parcel. Sollte es zu einer Übernahme kommen, fiele der Post ein wichtiger Kunde weg. Auch das Flugzeugunglück am Bodensee, an dem eine DHL-Maschine beteiligt ist, dürfte eine Rolle spielen.
Drohendes Ungemach beim S&P 500
Ähnliches wie für den Nasdaq gilt für den marktbreiten S&P 500, der am Montag bei 968,65 Zählern notiert. Mit dem Fall der Unterstützung bei 982 Punkten droht dem Index der Test des September-Verlaufstiefs bei 944 Zählern, womit sich weiteres Abwärtspotenzial eröffnet. Christoph Burkhalter von der Bank Vontobel befürchtet in diesem Fall eine „Bearwave“ in Richtung 900 oder gar 860 Punkten.
Dennoch: Sollten die genannten letzten Kursbastionen halten, werden die Karten neu gemischt. Ein erfolgreicher Test der Niveaus würde nämlich charttechnisch die Chance auf eine größere Erholung eröffnen.
Text: @la
Bildmaterial: FAZ.NET
gruss julius