Interview mit SAP-Vertriebsvorstand Léo Apotheker 18.07.200320:11SAP fürchtet angesichts der Übernahmeschlacht zwischen Oracle und Peoplesoft einen Vertrauensverlust bei Unternehmen. Dies machte Vertriebsvorstand Léo Apotheker im Interview deutlich. EURO sprach mit SAPs erfolgreichem Vertriebschef am Rande der Halbjahres-Pressekonferenz am Donnerstag in New York über die aktuelle Lage der Branche, den nächsten Umsatz-Treiber und SAPs Geschäft. EURO: Herr Apotheker, wenn Sie morgens die Zeitung lesen, müsste es Ihnen derzeit ziemlich gut gehen: Ihre Wettbewerber Oracle und Peoplesoft liefern sich eine erbarmungslose Übernahmeschlacht, die viele Kunden verunsichert. Und Sie können sich das in aller Ruhe von der Seitenauslinie anschauen. Tolle Sache, oder? Apotheker: Langfristig werden wir von dieser Entwicklung sicher profitieren, gar keine Frage. Aber kurzfristig bin ich mir da aber nicht so sicher. EURO: Warum? Apotheker: Kaum eine andere Industrie beruht so auf Vertrauen wie die Software-Branche. Immerhin steuern die Kunden ihre Geschäftsprozesse mit unserer Software. Die muss funktionieren. Wenn nicht, sind die Kunden aus ihrem Geschäft. Vertrauen ist also ganz wichtig. Aber die Übernahmeschlacht um Peoplesoft ist nicht gerade dazu angetan, Vertrauen zu wecken. Da geht es um Egos, Preise, Giftpillen. Kunden kommen da gar nicht vor. EURO: Oracle-Chef Larry Ellison hat der Branche mit seinem feindlichen Übernahmeangebot also einen Bärendienst erwiesen? Apotheker: Nicht mit dem Übernahmeangebot an sich. Das kann man verstehen. Aber mit der Art und Weise, wie das passiert, schon. Übrigens nicht Ellison allein, sondern auch Peoplesofts Vorstandsvorsitzender Craig Conway. EURO: Aber langfristig kommt Ihnen das doch zugute. Eigentlich könnten Sie sich entspannt zurücklehnen. Apotheker: Entspannt kann man nie sein. Wir können das nur beobachten. Und da fühle ich mich nicht besonders wohl. Wissen Sie, wir haben diese Industrie geprägt, teilweise sogar geschaffen. Was da derzeit läuft, finde ich einfach jämmerlich. Ich bin zu stolz auf diese Industrie, um das sprachlos anzuschauen. EURO: Sie schauen bei der ganzen Schlacht ja nicht nur zu, sondern versuchen aus der Verunsicherung der Kunden Kapital zu schlagen. In vielen Zeitungen erscheinen ganzseitige Anzeigen. Welchen Erfolg zeigt die Aktion? Apotheker: Diese Aktion haben wir aus zwei Gründen gestartet. Erstens, aus Sorge um die Stabilität der Industrie, zweitens aus Sorge darüber, dass die SAP mit hineingezogen werden könnte. Wir wollten mit der Kampagne Unsicherheit aus dem Markt nehmen. Das ist uns auch gelungen. Und zum Thema Erfolg: Wir haben inzwischen etwa 50 Gespräche geführt. Was daraus wird, werden wir sehen. EURO: Um Kunden herüber zu ziehen, werden schöne Anzeigen ohnehin kaum reichen. Gibt es spezielle Rabatte für Kunden, die überlaufen wollen? Apotheker: Ach, auch wenn es so etwas geben würde, was ich nicht bejahe..., EURO:...aber was Sie auch nicht verneinen... Apotheker:.. (lacht) wäre das ein fast irrelevant, verglichen mit den Kosten, die ein Kunde bei einem Umstieg hat. Wir haben eine viel besseres Alternative - und die heißt Netweaver. EURO: Also die Software, mit deren Hilfe sich auch Programme anderer Anbieter an SAP-Anwendungen anbinden lassen. Apotheker: Ja. Damit können wir den Kunden sagen: Wir können Eure Oracle-, Peoplesoft-, JD Edwards- oder Siebel-Implementierung auch integrieren, und dann Schritt für Schritt umstellen. Wenn man das so betrachtet, erübrigt sich die Frage nach einem Sonderrabatt von ganz allein. EURO: Wenn man sich die Zahlen zum zweiten Quartal anschaut, waren die eher gemischt. Die Lizenz-Umsätze sind erneut gesunken. Macht Ihnen das keine Sorge? Apotheker: Es freut mich nicht unbedingt. Aber Fakt ist auch: Der gesamte Markt ist geschrumpft. Sie dürfen nicht vergessen: Wir haben währungsbereinigt fünf Prozent verloren und trotzdem Marktanteile gewonnen. Für diese Marktschwäche gibt es zwei Gründe: Einerseits die Wirtschaftskrise, andererseits der Überhang an Software, die sich die Unternehmen 2000 und 2001 gekauft haben. Aber dieser Überhang ist fast abgebaut. EURO: In den vergangenen Jahren gab es in der Software-Branche immer einen Technologie-Treiber, der zu deutlichen Umsatz-Schüben geführt hat, wie zuletzt der Internet-Boom. Jetzt fragen sich viele Beobachter: Wo ist der nächste Technologie-Treiber. Sehen Sie einen? Apotheker: Nein, derzeit nicht. Was die Kunden antreibt, Sparmöglichkeiten für ihre Informationstechnologie. Hier können wir den Kunden Mehrwert zu bedeutend geringeren Gesamt-Kosten über den gesamten Zyklus ihrer Investition bieten und auch die Kosten für die Implementierung reduzieren. Das ist Umsatz-Treiber genug, auch ohne Killer-Applikation. Im übrigen: Netweaver ist nicht weit davon entfernt, eine Killer-Applikation zu sein. EURO: Netweaver? Apotheker: Netweaver hat das Potenzial, den Markt signifikant zu unseren Gunsten zu verändern. Aber selbst, wenn ich das ausklammere, wird uns die natürliche Tendenz des Marktes Wachstum bringen: Wir haben das beste Angebot, die beste Technologie, die besten Anwendungen und wir haben unsere Geschäftsprozesse optimiert. Wenn die Unternehmen wieder Rückenwind spüren, schießen wir nach vorn. EURO: Was die Kosten anbelangt, haben Sie in den vergangenen Quartalen ganze Arbeit geleistet. Aber irgendwann haben Sie die Kosteneinspar-Potenziale ausgeschöpft. Wo soll das Wachstum denn herkommen? Apotheker: Das Wachstum muss aus den Lizenzen kommen. EURO: Aus Mangel an Alternativen zur SAP? Apotheker: Erst mal aus natürlichem Bedarf. Den gibt es. Aber die Budgets werden noch nicht freigestellt. EURO: Sehen Sie bei den Umsätzen denn Licht am Ende des Tunnels? Apotheker: In USA haben wir jetzt Wachstum. Diese Region war ein Sorgenkind bei uns, aber dort haben wir die Trendwende geschafft. Lateinamerika und Asien wachsen. Gleichzeitig stabilisiert sich Deutschland. Einige andere Regionen wie Südeuropa und Osteuropa werden weiter wachsen. Und wir müssen dafür sorgen, dass sich Frankreich, die nordischen Länder und Benelux stabilisieren. Wenn uns das gelingt, gibt es für Pessimismus keinen Anlass. EURO: Sie haben zuletzt deutlich Marktanteile hinzugewonnen. Es gibt Analysten, die sagen, dass der Software-Markt ein reifer Markt ist. Ein Hinweis darauf ist, , dass die Marktführer 70 bis 90 Prozent des Umsatzes auf sich vereinen. Wo wird die SAP in fünf Jahren liegen? Apotheker: Prognosen sind da schwierig. Aber ich glaube schon, dass es einige große Anbieter geben wird, die den überwiegenden Teil des Angebots liefern werden. Wie viele das sein werden, wird auch von der Übernahmeschlacht um Peoplesoft abhängen. EURO: Wer wird dazu gehören? Apotheker: Microsoft, SAP, dann Peoplesoft/JD Edwards, falls sie nicht übernommen werden. Tja, und Oracle. Gelingt es Ihnen nicht, Peoplesoft zu übernehmen, dann bin ich mir da nicht so sicher. EURO: Können Sie sich vorstellen, dass IBM zurückkommt? Apotheker: Alle Gespräche, die wir mit IBM haben, deuten darauf hin, dass sie ihre Strategie nicht ändern. EURO: Noch mal zurück zu Peoplesoft und Oracle: Wenn Sie einen Wunsch dabei frei hätten: Was hätten Sie lieber: Einen großen Wettbewerber oder lieber zwei etwas kleinere? Apotheker: Ich bin da sehr pragmatisch. EURO: Was wäre Ihnen lieber? Apotheker: Der Vorteil einer konsolidierten Industrie wäre geringerer Preisdruck. Wir konkurrieren mit Oracle und Peoplesoft seit vielen, vielen Jahren und haben es bis jetzt einigermaßen geschafft. EURO: Letzte Frage: Outsourcing wird ein immer wichtigeres Thema... Apotheker: Ach, ich dachte, mich fragt endlich mal ein Journalist nach meinem Lieblingswein (lacht). Dann wird das wieder nichts. EURO: Doch, doch, anschließend. Vorher aber noch eine Frage zum Outsourcing: Wollen Sie dieses Geschäft weiter ausbauen? Apotheker: Nein, nicht, was Hardware betrifft. Da sind die Margen zu gering. Außerdem würden wir in einem solchen Fall in Wettbewerb mit unseren Partnern geraten. Die sind uns viel zu wichtig. Was wir aber anbieten, ist die Auslagerung unserer Anwendungssoftware. EURO: Ok. Und ihr Lieblingswein? Apotheker: Chateau Lisbarge. EURO: Also deshalb ist Ihr Dienstsitz Paris und nicht Walldorf. Sie sitzen gerne ganz nah an der Quelle? Apotheker: Ja (lacht), so nah wie möglich. Interview: Thomas Schmidtutz/EURO am Sonntag