Der Start ins neue Jahr ist für die ohnehin bereits leidgeprüften Anleger am Neuen Markt gründlich misslungen. Für die Technologiebranche wirkte die Gewinnwarnung von Intershop wie ein Fanal, das dem kümerlichen Restvertrauen in die Dotcoms einen weiteren herben Schlag versetzte. Das ostdeutsche Wunderkind galt als eine der letzten Bastionen in der stark erschütterten Internet-Landschaft. Bisher beeindruckte Intershop nicht nur mit rasantem Wachstum, sondern auch durch eine erfreuliche Ertragsentwicklung. Während viele Dotcoms das Wort "Gewinnzone" nur in den Mund nahmen, wenn es darum ging, sie zum x-ten Mal zu vertagen, konnte die in Jena gegründete Vorzeigefirma schon zur Jahresmitte 2000 schwarze Zahlen vorlegen, obwohl diese erst fürs Gesamtjahr geplant waren. Der Softwareanbieter verdankte das vor allem dem Siegeszug der Ende 1999 auf den Markt gebrachten E-Commerce-Lösung Enfinity, die als Standardprodukt deutlich höhere Margen abwarf als die bisherigen Produkte. Enfinity, für dessen Entwicklung der Vorstand den ursprünglich für 1999 geplanten Break-even um ein Jahr verschoben hatte, eröffnete Intershop darüber hinaus den Großkundenmarkt. Das Unternehmen gewann zahlreiche Blue Chips als Kunden und verringerte seine Abhängigkeit von anderen Dotcoms auf 10 % vom Umsatz.
Doch der Erfolg ist dem Management offenbar zu Kopf gestiegen. Der frühe Break-even wurde unbekümmert zum "Betriebsunfall" erklärt. In die Weltliga der Softwarefirmen führte nach Auffassung des strahlenden Jungunternehmers Schambach allein die Priorität von Wachstum vor Ertrag - eine Überzeugung, die bekanntlich von zahlreichen kleinen und größeren Dotcoms dieser Welt geteilt wurde, vor allem von denen, die mit ihrer teuren Expansionsstrategie die "cash burn rate" in die Reihe der Performance-Kennziffern eingeführt haben. Viele dieser Cash Burner waren oder sind "Todeskandidaten", wie der Fall von Gigabell oder jüngst die Liquiditätskrise von Letsbuyit.com gezeigt haben. Von einer derart dramatischen Lage ist Intershop zwar weit entfernt. Das Unternehmen verfügt unbestritten über erfolgreiche Produkte sowie ein funktionierendes Geschäftsmodell und ist auch nicht in seiner Existenz bedroht. Aber Schambach muss sich vorhalten lassen, dass er mit seiner aggressiven Wachstumsstrategie im zweiten Halbjahr dem Vorbild der Cash Burner gefolgt ist: eine teure Werbekampagne und zwei rasch aufeinander folgende Akquisitionen leerten die Kassen.
In dieser kostenträchtigen Expansionsphase wurde das Unternehmen von einer Nachfrageschwäche getroffen, die alle Planzahlen für 2000 zunichte machte. Bereits das dritte Quartal verlief enttäuschend. Schwerer wiegt jedoch die drastische Prognosekorrektur für das Schlussquartal, das nach allgemeiner Auffassung in der Softwarebranche traditionell das umsatzstärkste ist. Die düsteren Andeutungen einer Verlangsamung der IT-Investitionen belasteten die Technologiewerte im Dax und anderswo. Ein weiteres Mal ist die lange erhoffte Bodenbildung bei gebeutelten Werten der New Economy verschoben. Sie wird wohl erst eintreten, wenn die ersten vorläufigen Jahreszahlen kommen - vorausgesetzt, sie sind erfreulicher als die von Intershop.