Spaniens Wirtschaft bricht zusammen.
Ist das der Anfang vom Ende?
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Von Ute Müller
Konjunktur
Spaniens Wirtschaft bricht zusammen
Die Immobilienkrise hat besonders hart in Spanien zugeschlagen. Ständig geraten neue Branchen in den Abwärtssog. Mit gezielten Maßnahmen will die Regierung nun Schlimmeres verhindern. Doch Experten trauen dem Hilfspaket von Premierminister Zapatero kaum Wirkung zu.
Einmal mehr brachte das Monatsende schlechte Nachrichten. Die Nationale Statistikbehörde INE gab ihre Zahlen bekannt, und die zeigen, wovor Spanien zittert: Die Krise auf dem Wohnungsmarkt greift immer weiter um sich. Im März sind die Eigenheimkäufe demnach um 40 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gesunken. Und der Einbruch auf dem Immobilienmarkt zieht Spaniens Wirtschaft insgesamt nach unten.
Die Konjunktur kühlt im Rekordtempo ab. Zähneknirschend muss sich das einstige Wunderkind der EU in die Riege der Absteiger einreihen. Der Privatkonsum, einst Konjunkturmotor, ist stark rückläufig, der Einzelhandel stöhnt unter einem Kaufstreik, den sich die sonst so konsumfreudigen Spanier plötzlich auferlegt haben. So ist auch der Pkw-Absatz im März um fast 30 Prozent eingebrochen.
Zudem fiel die Industrieproduktion um 13 Prozent – damit ist Spanien laut einer Studie Schlusslicht unter 50 Industrieländern. Für die Spanier ist es schwer, diese Rolle zu akzeptieren, schließlich haben sie zehn Jahre hintereinander einen beispiellosen Boom erlebt. Aber selbst Wirtschaftsminister Pedro Solbes kann die Krise nicht länger beschönigen. „Wir haben eine kräftige Konjunkturflaute, deren Ausmaß viel größer ist als wir erwartet haben“, gab er kürzlich zu.
Sogar die erst vor kurzem nach unten revidierten Wachstumsprognosen könnten inzwischen schon wieder nichtig sein. Es sei nicht auszuschließen, dass sich die erwarteten 2,3 Prozent für dieses und nächstes Jahr nicht halten ließen, sagte Solbes. Der Arbeitgeberverband CEOE veranschlagt für 2008 ein Wirtschaftswachstum von kläglichen 1,5 Prozent, nächstes Jahr gar weniger als ein Prozent. Steigt die Arbeitslosigkeit weiter so kräftig an, wird Spanien bis zum Jahr 2009 alle Haushaltsüberschüsse aufgezehrt haben und sogar neue Schulden aufnehmen müssen. CEOE-Schätzungen sagen einen Anstieg der Arbeitslosenzahl von zwei auf drei Millionen in diesem Jahr voraus, das käme einer Erwerbslosenquote von 13 Prozent gleich.
Im Sommer könnte die Teuerung auf über fünf Prozent steigen
Noch malt niemand in Spanien das Gespenst einer Rezession an die Wand, doch Solbes warnt bereits davor, dass die spanische Wirtschaft bald unter einer Stagflation leiden werde, also unter stagnierendem Wachstum bei steigender Inflation. Die Lebenshaltungskosten haben sich im Mai vor allem wegen der hohen Energiepreise um 4,7 Prozent binnen Jahresfrist erhöht. Für die Sommermonate könnte die Teuerung laut Sparkassenstiftung Funcas sogar auf über fünf Prozent ansteigen.
Die Krise trifft auch den Finanzsektor in voller Härte. Während sich die Zahl der säumigen Kredite in den letzten zwölf Monaten verdoppelt hat, ist das Hypothekengeschäft um 40 Prozent eingebrochen. Für Juni erhofft sich die Regierung des sozialistischen Premiers José Luis Rodríguez Zapatero zwar eine leichte Konjunkturbelebung. Dann soll das im April verabschiedete Konjunkturpaket greifen, dessen Kernstück eine Rückzahlung von 400 Euro an jeden Steuerzahler ist. Der Staat lässt sich dies sechs Milliarden Euro kosten. Doch Experten sind sich einig, dass das Paket nur temporäre Erleichterung bringen kann. „Spanien kann nicht an den Boom der Vorjahre anknüpfen, wenn das Land sein Wirtschaftsmodell nicht umkrempelt“, sagt Pedro Navarro von der Business School Esade. „Jetzt sind mindestens eineinhalb Jahre Marsch durch die Wüste angesagt“, sagt er.
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Auch Arbeitgeberpräsident Gerardo Díaz Ferrán fordert die Regierung auf, Strukturreformen anzupacken, um die Abhängigkeit von der Bauwirtschaft zu vermindern und chronische Schwächen der spanischen Wirtschaft wie die geringe Produktivität zu bekämpfen. So soll in Schlüsselsektoren wie der Energiebranche mehr Wettbewerb einziehen. „Wenn unser Land seine Hausaufgaben nicht macht“, warnt Díaz Ferrán, „kann die Krise vier Jahre oder länger dauern“.