Kommende Woche zieht DaimlerChrysler in Detroit Bilanz. Doch der spannendste Teil der Veranstaltung wird der Ausblick. Mit Projekt X will Chrysler aus den Miesen fahren
von Christiane Habrich-Böcker
von Christiane Habrich-Böcker
Der wichtigste Tag im (Berufs-)Leben von Chrysler-Chef Tom La Sorda ist der kommende
Mittwoch. Dann präsentiert der Frankokanadier im Rahmen der Bilanz-Pressekonferenz das
Sanierungskonzept, mit dem Chrysler wieder auf die Gewinnerstraße fahren will. Gleichzeitig soll
dadurch der Ruf aus Investorenkreisen nach der Trennung von Daimler und Chrysler endgültig
zum Schweigen gebracht werden. Doch der Scheidungsan-
trag scheint aus Anlegerperspektive berechtigt. Denn während sich die Mercedes Car Group
wieder zur Cash Cow entwickelt hat, wollen die schlechten Nachrichten aus der US-Dependance
nicht abreißen.
Die von La Sordas Vorgänger und jetzigem Vorstands-Chef Dieter Zetsche erzielten
Sanierungserfolge schmelzen dahin. Das dürfte den ehrgeizigen Zetsche nicht schlafen lassen.
Hatte er sich doch durch den schnellen Chrysler-Turnaround als Nachfolger von Jürgen Schrempp
empfohlen. Hat Zetsche etwa gepfuscht? Waren seine Maßnahmen nicht nachhaltig?
Von 2000 bis 2005 arbeitete Zetsche daran, Chrysler wieder ins Plus zu drehen. Am Ende
konnte er quartalsweise Gewinne melden. Nach Abbau von 40000 Stellen, 16
Werksschließungen, intensiver Modernisierung der Modelle und harten Preisverhandlungen mit
Zulieferern.
Doch das hat nicht gereicht. Noch schneller, als Zetsche Chrysler veränderte, veränderte sich der
gesamte US-Markt. Zetsche geriet wie seine Kollegen von Ford und GM während der
Restrukturierung in schwierige Gewässer. Der Geschmack der amerikanischen Autofahrer drehte
aufgrund steigender Energiepreise und erwachenden Umweltbewusstseins plötzlich zu
verbrauchsarmen Autos. Die lange unangefochtenen Pick-ups und Limousinen, Domäne der
US-Hersteller, wurden zu Ladenhütern. Die verbrauchsarmen Modelle lieferten die Asiaten, denen
diese Entwicklung zur Marktführerschaft verhalf.
Und es kann noch schlimmer kommen: Die US-Bürger wollen nicht nur andere Autos – sie wollen
auch weniger. Der Markt schrumpft, tritt bestenfalls auf der Stelle. Experten wie Chefvolkswirt
Paul Taylor von der National Dealers Association prognostizieren mit 16,5 Millionen verkauften
Stück für 2007 einen allenfalls stagnierenden Markt.
Anders als die ausländischen Wettbewerber kämpfen die US-Hersteller zudem mit einem
Bilanzposten. Pensionsverpflichtungen müssen aufgrund der höheren Lebenserwartung viel höher
als früher dotiert werden. Das zehrt einen Teil der Ergebnisse auf.
Chrysler will dem begegnen, indem das alte Rezept noch einmal angewandt wird: Abbau von
10000 Stellen sowie weitere Werksschließungen. Zudem will das Unternehmen dieses Jahr acht
neue Modelle auf den Markt bringen. Man hofft, so den heimischen Käufer zurückzuerobern. Die
ersten Neuerscheinungen sind schon zu haben. Im Januar ist auf jeden Fall der US-Absatz
wieder leicht gestiegen.
Für den Markterfolg der Modelloffensive braucht La Sorda jeden einzelnen Händler. Doch Chrysler
hatte sich deren Unmut zugezogen, weil Vertriebsleiter Joe Eberhardt den Autohäusern die Höfe
mit unverkäuflichen und alten Modellen zuparkte. Das führte zu langen Standzeiten, was die
Händler scharenweise zu anderen Marken trieb. La Sorda zog die Notbremse, Eberhard nahm
den Hut, und ein neues Prämiensystem soll die Händler nun wieder motivieren. Das lässt sich
Chrysler rund eine halbe Milliarde Dollar kosten.
Wegen der Absatzprobleme der US-Tochter (2006: minus sieben Prozent Absatz) hatte
DaimlerChrysler auch für das vergangene Geschäftsjahr die Gewinnprognose senken müssen.
Dabei zeichnet sich im Ausland ein Erfolg ab. So stieg der Absatz außerhalb Nordamerikas im
vergangenen Monat um elf Prozent gegenüber Januar 2006. Das ist der 20. Monat in Folge, in
dem Chrysler in Fremdmärkten punktet. Allerdings: 80 Prozent des Absatzes werden immer
noch in den Staaten gemacht.
Zetsche muss nun auch die beim Kauf von Chrysler vor neun Jahren vielbeschworenen
Synergieeffekte realisieren. Deshalb will er Chrysler enger mit Mercedes verzahnen.
Entwicklungsvorstand Thomas Weber: „Wir werden die Zahl der gemeinsamen
Grundkomponenten kontinuierlich steigern. Die Kunden stört es nicht, wenn wir Schlösser oder
Sitzgestelle gemeinsam nutzen.“ Allerdings schloss er gemeinsame Plattformen aus,
stattdessen redet man bei Daimler von Architektur. Damit will man Kritikern begegnen, die
glauben, so ruiniere man den Ruf der Marke Mercedes, die sich aus dem Qualitätstief wieder
nach oben gekämpft hat. Bisher war die totale Synergie an den unterschiedlichen Kulturen
gescheitert.
Christian Breitsprecher von der BHF Bank findet das Heben von Synergien grundsätzlich sinnvoll.
„Ob ein Aneinanderrücken von Mercedes und Chrysler neben dem Drücken der Kosten allerdings
reicht, muss man abwarten.“ Der Analyst würde es darüber hinaus begrüßen, wenn sich Chrysler
für eine Zusammarbeit auch mit konzernfremden Herstellern öffnen würde.
Georg Stürzer von der HypoVereinsbank glaubt, dass die Zahlen und Details des
Turnaround-Plans eine Perspektive für den Problemfall Chrysler aufzeigen. Wenn es bei Chrysler
bis 2008 zu einer dauerhaften Ergebnissteigerung komme, würde das zu einer signifikanten
Verbesserung für die Bewertung des gesamten Konzerns führen.
Wäre das so, und greift Projekt X, dürfte der Mittwoch nicht nur der wichtigste, sondern auch der
schönste Tag im (Berufs-)Leben von Chrysler-Chef Tom La Sorda werden.