24.11.2008
Aktien der Banken legen kräftig zu und ziehen den Dax nach oben. Einzig Volkswagen bremst die Rally. Innerhalb der Dax-Familie wird es demnächst einige Veränderungen geben.
Der Dax startet im Plus. dpa HB FRANKFURT. Der deutsche Aktienmarkt startet freundlich in die Woche. Auch der überraschend kräftige Rückgang des Ifo-Geschäftsklimas im November machte die gute Stimmung nicht zunichte. Der Dax legt bis zum Mittag um 3,7 Prozent auf 4 281 Punkte zu. Der MDax mittelgroßer Werte steigt um 3,6 Prozent auf 4 908 Zähler. Der technologielastige TecDax klettert um 3,7 Prozent auf 448 Punkte nach oben.
"Die kräftige Erholung der US-Börsen vom Freitag wurde von fundamental wichtigen Ankündigungen zu Konjunkturpaketen und auch durch Timothy Geithner als möglichem neuen US-Finanzminister untermauert", sagte Thilo Müller von MB Fund Advisory. Das könne zumindest die psychologische Abwärtsspirale der Marktteilnehmer an den Börsen stoppen und die aktuelle Kurserholung schaffe wieder etwas Luft und Erleichterung. Zuvor habe fast niemand mehr selbst an eine kurzfristige Erholung der Börsen geglaubt und aus dieser extrem schlechten Stimmung heraus zeige sich nun ein erstes "Licht am Ende des Tunnels". Ein Börsianer ergänzte, dass der wie erwartet schlecht ausgefallene ifo-Index mit einer Stimmung in der deutschen Wirtschaft auf dem tiefsten Stand seit 15 Jahren nochmals für Zinssenkungsfantasie in der Eurozone gesorgt habe.
Bankenwerte standen an der Dax-Spitze, wobei Hypo Real Estate (HRE) mit plus 13,49 Prozent auf 2,44 Euro die größten Kursgewinne verzeichnete. Commerzbank-Aktien verteuerten sich um 5,60 Prozent auf 5,750 Euro und Deutsche Bank standen mit 6,54 Prozent im Plus bei 20,030 Euro. Die Nachricht über staatliche Hilfe für die Citigroup sorge für Erleichterung, sagten Börsianer. Die US-Regierung eilt der stark angeschlagenen Großbank mit einer weiteren Kapitalspritze über 20 Mrd. Dollar sowie einer Bürgschaft von bis zu 306 Mrd. Dollar zur Hilfe. Auch Analyst Philipp Hässler von equinet begründete das dicke Kursplus bei den Banken mit den Nachrichten zur Citigroup und sprach auch von einer technischen Reaktion.
Autotitel standen ebenfalls im Blick. Die Stammaktien von Volkswagen verzeichneten als einziger Dax-Wert ein Minus - sie verbilligten sich um 10,95 Prozent auf 325 Euro. Händler verwiesen auf einen Kurssprung in der Schlussauktion am Freitag, der wohl im Zusammenhang mit dem kleinen Verfall an den Terminbörsen zu sehen sei. Dieser Anstieg werde nun wieder korrigiert. Hinzu komme die Herausnahme aus dem MSCI-Aktienindex, die belasten dürfte.
MAN-Aktien legten dagegen um 7,06 Prozent auf 29,74 Euro zu. Der Nutzfahrzeuge- und Maschinenbaukonzern kann sich einem Bericht der "Financial Times Deutschland" zufolge ab Anfang 2010 komplett beim Industriedienstleister Ferrostaal zurückziehen. Händler sprachen aber auch hier vor allem von einer technischen Reaktion auf die ausgeprägte Kursschwäche der vergangenen Monate. BMW verteuerten sich um 3,51 Prozent auf 18,570 Euro. Der Münchener Autobauer will seinen Marktanteil in Deutschland 2008 auf einen historischen Höchstwert von mehr als neun Prozent steigern. Deutschland-Chef Philipp von Sahr zufolge hat Deutschland die USA als ertragsstärksten Markt abgelöst und entsprechend wirkt dieses Ziele laut Händlern positiv auf die Aktien.
Thyssen-Krupp legten als ein weiterer Favorit im Dax um 6,23 Prozent auf 13,13 Euro zu. Neben der allgemeinen Markterholung verwiesen Börsianer insbesondere auf einen Bericht der "Financial Times Deutschland" als Antrieb, demzufolge ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz die Führungskräfte des Industriegüterkonzerns auf einen strikten Sparkurs eingeschworen hat. Im Konzern würden Einsparungen von rund einer Milliarde Euro angestrebt. "Das ist schon positiv", sagte ein Händler. "Die massiven Einsparmaßnahmen sind allerdings Folge des deutlichen Abschwungs im Sektor." Klöckner & Co (KlöCo) verteuerten sich im MDax um 5,06 Prozent auf 8,10 Euro und Salzgitter legten um 4,89 Prozent auf 41,60 Euro zu.
Im MDax erholten sich HeidelbergCement mit dem Trend um 3,64 Prozent auf 34,72 Euro. Händlern zufolge hat die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) die Kreditwürdigkeitseinstufung für den Baustoffhersteller weiter zurück genommen und eine anhaltend negative Aussicht auf die Entwicklung der Bewertung gegeben. Ein Händler sagte: "Das ist zwar leicht negativ, aber immerhin hat sich HeidelbergCement zuversichtlich gezeigt, seine Schulden Mitte 2010 erfolgreich refinanzieren zu können." Arcandor standen dagegen mit minus 2,84 Prozent auf 1,71 Euro am Indexende. Meldungen über Zukäufe der Großaktionärin Madeleine Schickedanz konnten den Aktien zunächst nicht helfen.
Solar- und Windwerte zogen den TecDax nach oben. SMA Solar Technology setzten sich mit plus 10,10 Prozent auf 25,95 Euro an die Indexspitze. Am Donnerstag hatte das Papier des Solarkonzerns bei 23,00 Euro noch ein historisches Tief markiert. REpower verteuerten sich im Windsektor um 8,27 Prozent auf 83,49 Euro. Einem Bericht der "Financial Times Deutschland" zufolge prüft Suzlon Energy den Verkauf von Beteiligungen, um Geld für die Übernahme des Windanlagenbauers aufzubringen.
Innerhalb der bedeutendsten Indizes der Deutschen Börse dürfte es in nächster Zeit zu einigen Veränderungen kommen. Index-Experten erwarten zum nächsten Überprüfungstermin am 3. Dezember zum dritten Mal in diesem Jahr einen Austausch im Dax . Sowohl Continental als auch Hypo Real Estate (HRE) werden ihre Plätze im Leitindex wohl räumen müssen. "Für diese beiden Werte dürften Beiersdorf und Salzgitter in den Dax kommen", sagen die Experten Petra von Kerssenbrock von der Commerzbank und Christian Stocker von der UniCredit übereinstimmend. Conti und HRE würden dann in den MDax aufgenommen.
Wegen der fortschreitenden Übernahme des Reifenherstellers Conti durch Schaeffler reicht die Marktkapitalisierung der frei handelbaren Aktien (Freefloat) nicht mehr für einen Dax-Verbleib. Den Immobilienfinanzierer HRE drückt der extrem gesunkene Kurswert seiner Aktie aus dem deutschen Leitindex.
Im TecDax wird allgemein das Telekomunternehmen Versatel als Abstiegskandidat und Smartrac als aktuell bester Nachrücker gesehen. Doch wie im Dax und MDax findet auch im Technologie-Index keine reguläre Anpassung statt. Änderungen sind damit nur über die Ausnahmeregelungen Fast-Exit oder Fast-Entry möglich, die sich nach der Freefloat-Marktkapitalisierung oder den Börsenumsatz richten.
Der einzige Index, der regulär quartalsweise durch die Deutsche Börse überprüft wird, ist der SDax . Hier erwarten von Kerssenbrock und Analystin Anke Platzek von der LBBW, dass zumindest wohl HCI Capital und Colonia Real Estate den Index verlassen müssen. Auch PATRIZIA Immobilien , SKW Stahl oder Escada zählten zu den möglichen Abstiegskandidaten. "Für Curanum und C.A.T. Oil sieht es derzeit dagegen zumindest wieder ganz gut für einen Verbleib aus", so Platzek. Da es derzeit mehr Abstiegs- als Aufstiegskandidaten gebe, dürfte der Wechsel daher moderater ausfallen. Anbieten würden sich für eine Aufnahme in jedem Fall die Titel der Kloeckner-Werke , wie die beiden sagten. Zudem seien auch Loewe und OVB und möglicherweise auch Delticom potenzielle Aufsteiger.
Unabhängig von diesen möglichen Änderungen, über die der Arbeitskreis Aktienindizes am Mittwoch, 3. Dezember, entscheiden wird und die dann am 19. Dezember nach Börsenschluss umgesetzt werden, könnte es noch einige Überraschungen geben. "Ein besonders spannender Fall ist Volkswagen ", sagte Anke Platzek. Hier gebe es unvermindert Spekulationen, ob die VW-Stammaktien im Dax bald gegen die Vorzüge ausgetauscht werden könnten. Das könnte passieren, wenn neben einer hohen Index-Volatilität der Aktie von mehr als 250 Prozent auch das Gewicht der Aktie auf über zehn Prozent steigt. Das erste Kriterium einer Herausnahme sei zwar erfüllt, doch das zweite derzeit nicht, so Platzek. Sollte dies aber noch passieren, dann würde das Papier innerhalb von zwei Handelstagen aus dem Dax genommen.
Ein weiterer Grund für ein Ausscheiden innerhalb von zwei Handelstagen wäre, wenn der Streubesitz der VW-Aktie wegen der Übernahme durch Porsche unter fünf Prozent fällt. Sollte einer der Fälle eintreten, rechnet die LBBW-Expertin damit, dass die VW-Vorzüge in den Dax kommen.
Im MDax könnte bis Ende des Jahres zudem noch Altana aus dem Index fallen, da die Unternehmerin und Altana-Großaktionärin Susanne Klatten den Chemiekonzern bis Ende des Jahres komplett übernehmen will. "Sinkt der Altana-Streubesitz dadurch unter fünf Prozent, hätte Gerresheimer eine gute Aufnahme-Chance", folgert Platzek. Ähnliches könnte zudem beim TecDax-Unternehmen Epcos passieren, das vor der Komplettübernahme durch den japanischen Elektronik-Konzern TDK steht. 94,35 Prozent an Epcos nämlich hält TDK bereits.