Mit den Zöllen auf Stahlimporte hat Bush alles falsch gemacht. Die Welt ist empört, die eigene Industrie leidet, und der Präsident hat jede Glaubwürdigkeit verloren.
Diese Woche hat George Bush seine Hemmungen endgültig verloren und die geliebten Stahlarbeiter unter Artenschutz gestellt. Die Wähler im amerikanischen "Rostgürtel" von West Virginia bis Ohio haben ihm schließlich die Wahl zum Präsidenten gerettet. Immer wieder gerne badet er in der Menge der harten Burschen und spart nicht mit markigen Worten: "Stahl ist eine Frage der nationalen Sicherheit", sagte er beispielsweise im August vor eine jubelnden Menge von Kumpels.
Mit den Zöllen von 8 bis 30 Prozent auf ausländisches Stahl hat er nun sein absurdes Wahlversprechen eingelöst und allen Freihändler mitten ins Gesicht geschlagen.
Aber noch nicht einmal das Ziel, den Amerikanern etwas Gutes zu tun hat der Cowboy im Amt des Präsidenten erreicht. "Der Anstieg der Stahlimporte ist eine erheblicher Schaden für unsere heimische Industrie", beschied er lapidar in seiner Pressemitteilung. Das ist gleich zweimal falsch: Erstens sinken die amerikanischen Stahlimporte seit 1998, und zweitens sind Stahlimporte für die US-Wirtschaft nicht schädlich. Amerika ist nämlich vor allem ein großer Stahlverbraucher und damit auf günstige Stahllieferungen angewiesen.
Bushs undurchdachter Peitschenhieb nutzt wenigen und schadet vielen. Nur rund 200.000 Arbeiter arbeiten in den maroden Stahlfirmen des "Rostgürtels", rund zwölf Millionen sind dagegen in den Industrien beschäftigt, die Stahl verarbeiten. John Jensen, Chef eines Interessenverbandes der amerikanischen Stahlabnehmer, warnte vor dem Verlust von rund 74.500 Arbeitsplätzen. Die Schutzzölle würden dagegen nur etwa 10.000 Stahlarbeitern den Job retten. Und sogar die teuer Geretteten selbst werden unter den Folgen der Zölle leiden, da sie als Verbraucher mehr für die Produkte zahlen müssen, in denen ihr überteuerter Stahl verarbeitet wird.
Wie andere Wirtschaftszweige unter den Importbeschränkungen leiden, hat Gary La Grange, Chef des Hafens von New Orleans, ausgerechnet. Demnach bringen die Stahlimporte rund 38.800 Hafenarbeiter in Lohn und Brot. Pro tausend Tonnen weniger würden rund tausend Jobs verloren gehen. Nicht minder verheerend wirken sich höhere Stahlpreise auf die Zulieferer der Autoindustrie aus, wo jetzt schon buchstäblich jede Schraube umgedreht wird. "Diese Leute töten, um bei einem Auto noch einen Dollar zu sparen, und das wird die Kosten weit mehr als einen Dollar erhöhen", sagte Robert Crandall, Experte der unabhängigen Brookings Institution.
Cowboy Bush ist es offenbar ziemlich egal, dass er mit den Stahlzöllen der eigenen Industrie ins Knie schießt. Und es stört ihn wohl auch nicht, dass er damit jede Glaubwürdigkeit verloren hat.
"Freier Welthandel ist nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine moralische Pflicht", tönte Bush noch bei seinem Amtsantritt. Die Moral hatten aber vor allem andere Länder aufzubringen. Dem chinesischen Ministerpräsidenten Jiang Zemin bedeutete er beispielsweise, dass China nur ja keine Handelsbarriere für genmanipuliertes Soja aufbauen dürfte. Sein Finanzminister Paul O'Neill maßregelte vor aller Öffentlichkeit seinen japanischen Amtskollegen Masajuro Shiokawa für dessen Wechselkurspolitik mit den Worten "Protektionistische Politik funktioniert nie". Und der Handelsbeauftragte der amerikanischen Regierung, Robert Zoellick, dozierte noch vor ein paar Wochen: "Zölle sind nicht anderes als Steuern, die Leuten mit kleinen und mittleren Einkommen schaden."
So,als wollten die drei nun den Wettlauf um den Gipfel der Unglaubwürdigkeit gewinnen, drehen sie den Stahlkumpels zuliebe alle Aussagen ins Gegenteil. Die Stahlarbeiter sollen durch die Zölle ein "faires Wettbewerbsumfeld bekommen", lässt der Präsident in seiner Pressemeldung mitteilen. Wahrscheinlich ähnlich fair wie die europäischen Bauern, deren Kühe man für all die Subventionsmilliarden genauso gut einmal um die Erde fliegen könnte.
Die Aktion des Präsidenten sei "eine Hilfe für die Stahlarbeiter und ihre Familien", sagt sein Handelsvertreter Zoellick dann auf einer Pressekonferenz. Wahrscheinlich genauso hilfreich wie die deutschen Kohlesubventionen, wegen derer sich immer noch junge Deutsche für den ach so zukunftsträchtigen Bergmanns-Beruf entscheiden.
Finanzminister O'Neill hofft neuerdings, dass die Stahlzölle "keine weiteren Effekte für diejenigen haben, die nicht im Stahlsektor arbeiten". Die drastische Verteuerung von Rohstoffen hat ja auch noch nie einen Effekt für irgendwen gehabt, natürlich nicht. O'Neill sollte vielleicht einmal nach Taiwan fahren und versuchen, dort Reiswein zu kaufen. Da er keine Mutter mit einem Neugeborenen ist, wird er es schwer haben, denn Reiswein ist in Taiwan nach verzweifelten Hamsterkäufen rationiert. Das alkoholische Getränk, das vor allem zum Kochen verwendet wird, soll nämlich um 500 Prozent teurer werden. Schuld daran ist unter anderem die amerikanischer Handelspolitik: EU und USA zwangen die taiwanesische Regierung, Reiswein wie eine hochprozentige Spirituose zu behandeln und nicht wie Soja-Sauce. Als das Vorhaben bekannt wurde, leerten sich schlagartig die Reiswein-Regale in den Geschäften. Merke, O'Neill: Für dumme Handelspolitik gibt es immer eine Quittung.
Man kann nur hoffen, dass Bush sein Rostgürtel-Peitschenhieb gehörig um die Ohren fliegt. Genug Anzeichen dafür gibt es: Die EU hat schon vor der Welthandelsorganisation geklagt, China, Japan und mehrere asiatische Länder wollen sich anschließen. Stahlexporteur Russland wird sein Importverbot für amerikanisches Hühnerfleisch nun wohl nicht mehr so schnell lockern. Die russische Zeitung "Istwestja" spricht schon von einem "Handelskrieg um Hühner und Stahl". Auch im Anti-Terror-Krieg dürfte es Bush in Zukunft weit schwerer haben. Wichtige Verbündete wie Moldawien und Mazedonien hängen von Stahlexporten ab und werden durch Bushs Zölle an den Rand des Ruins gedrängt. Vielleicht zeigt die weltweite Empörung sogar dem amerikanischen Präsidenten, dass Globalisierung vor allem eines verlangt: den Ausgleich von Interessen, bedächtig und nicht mit der Peitsche.
spiegel.de
Diese Woche hat George Bush seine Hemmungen endgültig verloren und die geliebten Stahlarbeiter unter Artenschutz gestellt. Die Wähler im amerikanischen "Rostgürtel" von West Virginia bis Ohio haben ihm schließlich die Wahl zum Präsidenten gerettet. Immer wieder gerne badet er in der Menge der harten Burschen und spart nicht mit markigen Worten: "Stahl ist eine Frage der nationalen Sicherheit", sagte er beispielsweise im August vor eine jubelnden Menge von Kumpels.
Mit den Zöllen von 8 bis 30 Prozent auf ausländisches Stahl hat er nun sein absurdes Wahlversprechen eingelöst und allen Freihändler mitten ins Gesicht geschlagen.
Aber noch nicht einmal das Ziel, den Amerikanern etwas Gutes zu tun hat der Cowboy im Amt des Präsidenten erreicht. "Der Anstieg der Stahlimporte ist eine erheblicher Schaden für unsere heimische Industrie", beschied er lapidar in seiner Pressemitteilung. Das ist gleich zweimal falsch: Erstens sinken die amerikanischen Stahlimporte seit 1998, und zweitens sind Stahlimporte für die US-Wirtschaft nicht schädlich. Amerika ist nämlich vor allem ein großer Stahlverbraucher und damit auf günstige Stahllieferungen angewiesen.
Bushs undurchdachter Peitschenhieb nutzt wenigen und schadet vielen. Nur rund 200.000 Arbeiter arbeiten in den maroden Stahlfirmen des "Rostgürtels", rund zwölf Millionen sind dagegen in den Industrien beschäftigt, die Stahl verarbeiten. John Jensen, Chef eines Interessenverbandes der amerikanischen Stahlabnehmer, warnte vor dem Verlust von rund 74.500 Arbeitsplätzen. Die Schutzzölle würden dagegen nur etwa 10.000 Stahlarbeitern den Job retten. Und sogar die teuer Geretteten selbst werden unter den Folgen der Zölle leiden, da sie als Verbraucher mehr für die Produkte zahlen müssen, in denen ihr überteuerter Stahl verarbeitet wird.
Wie andere Wirtschaftszweige unter den Importbeschränkungen leiden, hat Gary La Grange, Chef des Hafens von New Orleans, ausgerechnet. Demnach bringen die Stahlimporte rund 38.800 Hafenarbeiter in Lohn und Brot. Pro tausend Tonnen weniger würden rund tausend Jobs verloren gehen. Nicht minder verheerend wirken sich höhere Stahlpreise auf die Zulieferer der Autoindustrie aus, wo jetzt schon buchstäblich jede Schraube umgedreht wird. "Diese Leute töten, um bei einem Auto noch einen Dollar zu sparen, und das wird die Kosten weit mehr als einen Dollar erhöhen", sagte Robert Crandall, Experte der unabhängigen Brookings Institution.
Cowboy Bush ist es offenbar ziemlich egal, dass er mit den Stahlzöllen der eigenen Industrie ins Knie schießt. Und es stört ihn wohl auch nicht, dass er damit jede Glaubwürdigkeit verloren hat.
"Freier Welthandel ist nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine moralische Pflicht", tönte Bush noch bei seinem Amtsantritt. Die Moral hatten aber vor allem andere Länder aufzubringen. Dem chinesischen Ministerpräsidenten Jiang Zemin bedeutete er beispielsweise, dass China nur ja keine Handelsbarriere für genmanipuliertes Soja aufbauen dürfte. Sein Finanzminister Paul O'Neill maßregelte vor aller Öffentlichkeit seinen japanischen Amtskollegen Masajuro Shiokawa für dessen Wechselkurspolitik mit den Worten "Protektionistische Politik funktioniert nie". Und der Handelsbeauftragte der amerikanischen Regierung, Robert Zoellick, dozierte noch vor ein paar Wochen: "Zölle sind nicht anderes als Steuern, die Leuten mit kleinen und mittleren Einkommen schaden."
So,als wollten die drei nun den Wettlauf um den Gipfel der Unglaubwürdigkeit gewinnen, drehen sie den Stahlkumpels zuliebe alle Aussagen ins Gegenteil. Die Stahlarbeiter sollen durch die Zölle ein "faires Wettbewerbsumfeld bekommen", lässt der Präsident in seiner Pressemeldung mitteilen. Wahrscheinlich ähnlich fair wie die europäischen Bauern, deren Kühe man für all die Subventionsmilliarden genauso gut einmal um die Erde fliegen könnte.
Die Aktion des Präsidenten sei "eine Hilfe für die Stahlarbeiter und ihre Familien", sagt sein Handelsvertreter Zoellick dann auf einer Pressekonferenz. Wahrscheinlich genauso hilfreich wie die deutschen Kohlesubventionen, wegen derer sich immer noch junge Deutsche für den ach so zukunftsträchtigen Bergmanns-Beruf entscheiden.
Finanzminister O'Neill hofft neuerdings, dass die Stahlzölle "keine weiteren Effekte für diejenigen haben, die nicht im Stahlsektor arbeiten". Die drastische Verteuerung von Rohstoffen hat ja auch noch nie einen Effekt für irgendwen gehabt, natürlich nicht. O'Neill sollte vielleicht einmal nach Taiwan fahren und versuchen, dort Reiswein zu kaufen. Da er keine Mutter mit einem Neugeborenen ist, wird er es schwer haben, denn Reiswein ist in Taiwan nach verzweifelten Hamsterkäufen rationiert. Das alkoholische Getränk, das vor allem zum Kochen verwendet wird, soll nämlich um 500 Prozent teurer werden. Schuld daran ist unter anderem die amerikanischer Handelspolitik: EU und USA zwangen die taiwanesische Regierung, Reiswein wie eine hochprozentige Spirituose zu behandeln und nicht wie Soja-Sauce. Als das Vorhaben bekannt wurde, leerten sich schlagartig die Reiswein-Regale in den Geschäften. Merke, O'Neill: Für dumme Handelspolitik gibt es immer eine Quittung.
Man kann nur hoffen, dass Bush sein Rostgürtel-Peitschenhieb gehörig um die Ohren fliegt. Genug Anzeichen dafür gibt es: Die EU hat schon vor der Welthandelsorganisation geklagt, China, Japan und mehrere asiatische Länder wollen sich anschließen. Stahlexporteur Russland wird sein Importverbot für amerikanisches Hühnerfleisch nun wohl nicht mehr so schnell lockern. Die russische Zeitung "Istwestja" spricht schon von einem "Handelskrieg um Hühner und Stahl". Auch im Anti-Terror-Krieg dürfte es Bush in Zukunft weit schwerer haben. Wichtige Verbündete wie Moldawien und Mazedonien hängen von Stahlexporten ab und werden durch Bushs Zölle an den Rand des Ruins gedrängt. Vielleicht zeigt die weltweite Empörung sogar dem amerikanischen Präsidenten, dass Globalisierung vor allem eines verlangt: den Ausgleich von Interessen, bedächtig und nicht mit der Peitsche.
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