sehr guter Mann:
Wie 1993, als VW in einer existenzbedrohenden Krise steckte.
Um den Beschäftigtenüberhang zu kappen, hätte Piëch 30.000 Mitarbeiter entlassen müssen. Aber welchen Imageschaden hätte das Unternehmen erlitten? Und welch gigantische Kosten wären durch die Sozialpläne auf VW zugekommen? Stets zu Diensten:
1993 rettete Hartz VW aus einer tiefen Krise. Hartz löste das Problem auf seine Weise: 100.000 Beschäftigte verzichteten freiwillig auf 15 Prozent ihres Lohnes; alle arbeiteten einen Tag weniger in der Woche, keinem wurde gekündigt. Und der Konzern sparte knapp zwei Milliarden Mark. "Hartz hat Piëch damals den Hintern gerettet", sagt ein VW-Manager.
Piëch hatte Hartz an den Mittellandkanal geholt, weil er nicht mehr ein noch aus wusste. Der Verweis auf den zu jener Zeit bestenfalls in der Stahlindustrie bekannten Personalmanager kam von IG-Metall-Chef Klaus Zwickel.
Als Peter Hartz neun Jahre später von Kanzler Schröder gedrängt wurde, Reformvorschläge für die Bundesanstalt für Arbeit vorzulegen, war er mit einer ähnlich vertrackten Lage konfrontiert wie 1993 bei VW: Auch heute können - wie damals - alle nur noch verlieren, weil sich nichts mehr bewegt.
In solchen Situationen brilliert Hartz. Nicht auf offener Bühne, sondern hinter dem Vorhang. Er führt zahllose Zweiergespräche, in denen er auslotet, wie viel Veränderung und Belastung den Menschen aufgebürdet werden kann. Für den Entwurf des Kommissionspapiers befragte er sogar Schwarzarbeiter, bei welchem Steuersatz sie bereit wären, ein reguläres Beschäftigungsverhältnis aufzunehmen.
Zuhören, möglichst alle Beteiligten einbinden und immer auf den Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessengruppen achten - dies ist Hartz' Erfolgsrezept. Direkten Druck übt er selten aus, der Konfrontation geht er aus dem Weg, wo immer möglich - nicht einmal an Tarifverhandlungen nimmt er teil. Aber überzeugen - ja, das kann er. Hartz fasst seinen Gesprächspartner dann am Arm, schaut ihm ins Gesicht, lächelt gewinnend und appelliert an den gesunden Menschenverstand: "Wissen Sie", beginnt er oft seine Sätze, "wissen Sie, die Sache ist doch ganz einfach: Einem jungen, ungebundenen Menschen können wir zumuten, dass er eine Arbeitsstelle 60 Kilometer von seinem Heimatort annimmt. Bei einem 55-jährigen Familienvater können wir das nicht."
Der Mann ist tatsächlich ohne Managerallüren, eher kumpelhaft im Umgang, bescheiden im Auftreten und bedingungslos freundlich - auch wenn er übermüdet ist und dann leicht fahrig wirkt, was häufiger vorkommt in diesen Tagen. "Hartz bringt ein Stück Menschlichkeit rein, egal in welchem Gremium er sich bewegt", lobt der IG-Metall-Gewaltige Zwickel.
Ein Topmanager, der ein gutes Verhältnis zu Gewerkschaftern und Politikern pflegt, der ideenreich und umsetzungsstark ist und der zudem für seine mutigen Vorschläge zur Reform des Arbeitsmarktes viel Zustimmung erntet - wäre der nicht ein prima Arbeitsminister? Offenkundig befasst sich auch der Kanzler mit derlei Gedankenspielen. Jedenfalls hält sich hartnäckig das Gerücht, Gerhard Schröder wolle Hartz, sofern die SPD die Wahl gewinnt, in sein Kabinett holen.
"Nein, bloß nicht!" Jeder, der Hartz näher kennt, winkt spontan ab. Die Politik ist nichts für diesen redlichen, geradlinigen Mann, der obendrein dünnhäutig ist und schnell mal aus der Haut fährt. So einer würde im Intrigendschungel der Parteien nicht überleben.
"Wir haben mit Walter Riester einen guten Arbeitsminister. Peter Hartz soll bei Volkswagen bleiben, in Wolfsburg ist er viel besser aufgehoben als in Berlin", sagt auch Klaus Zwickel, der im VW-Aufsichtsrat den stellvertretenden Vorsitz einnimmt. Und er fügt hinzu: "Nach Lage der Dinge werden wir in den nächsten Monaten Hartz' Vorstandsvertrag um weitere fünf Jahre verlängern."
Was sagt der Umworbene zu all dem Wirbel um seine Person? Erst einmal gar nichts. Hartz weiß ohnehin nicht, was er zuerst machen soll. Er verantwortet im Volkswagen-Vorstand neben seiner Funktion als Arbeitsdirektor auch die Kontinente Südamerika und Afrika. Das heißt: Viele anstrengende Reisen. Dazu die nervenaufreibende und zeitzehrende Arbeit in der nach ihm benannten Kommission. Und als sei dies nicht mehr als genug, belagern ihn auch noch die Journalisten.
Zumindest hat er jetzt den Fototermin in der Wolfsburger Autostadt hinter sich gebracht. Hartz verabschiedet sich von dem Mann mit der Kamera, bedankt sich herzlich und drängt mit eiligem Schritt davon. Nach zwanzig Metern hält er inne. "Habe ich der Assistentin 'Auf Wiedersehen' gesagt?" Hat er vergessen. Also macht er auf dem Absatz kehrt und schüttelt auch der jungen Dame, die ihm anfangs so nett die Nase gepudert hat, die Hand.
Ein letzter, prüfender Blick in die Runde. Keinen übersehen? Nein. Erleichtert zieht Hartz von dannen.
Herkunft: Peter Hartz wurde 1941 als Sohn eines Hüttenarbeiters im Saarland geboren.
Ausbildung: Nach der Volksschule machte Hartz eine Lehre als Industriekaufmann. Abendkurse führten ihn bis zum Diplombetriebswirt.
Aufstieg: Nach mehreren Stationen bei saarländischen Unternehmen wird Hartz 1979 zum Arbeitsdirektor der Dillinger Hüttenwerke ernannt. 1993 wechselt er als Personalvorstand zu VW.
Familie: Hartz ist verheiratet und hat einen Sohn.