Brent oder WTI: Eine Frage des Preises

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Brent oder WTI: Eine Frage des Preises

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23.01.09 10:23

Dieser Artikel stammt aus der neuen Ausgabe des kostenlosen PDF-Magazins „ZertifikateAnleger". Klicken Sie hier um die ganze Ausgabe zu lesen.

Wladimir Putin ist offenbar Realist. Verschiedene Medien berichten diese Woche, dass der russische Regierungschef sein Finanzministerium angewiesen hat, den Staatshaushalt für das laufende Jahr komplett neu zu berechnen. Grund: Bisher waren die Russen von einem Ölpreis von 95 Dollar je Barrel ausgegangen. Nach einem kräftigen Preisrutsch in den vergangenen Monaten lässt sich auf dem Weltmarkt derzeit jedoch nicht einmal mehr die Hälfte dieses Preises erzielen.

Öl ist das wichtigste Handelsgut der Welt. Der Ölpreis beeinflusst Staatshaushalte genauso wie Konzernbilanzen oder die Haushaltskasse von Lieschen Müller. Wir brauchen den Ausgangsstoff zum Heizen, für die Fortbewegung, für Medizin und vieles mehr. 

Erinnern Sie sich noch? Kaum ein halbes Jahr ist es her, da mussten deutsche Autofahrer für einen Liter Superbenzin tief in die Tasche greifen und Preise um 1,50 Euro hinnehmen. Heute zahlen sie rund 40 Cent weniger. Doch nicht nur wegen unserer Abhängigkeit vom fossilen Energieträger steht Öl im Blickpunkt. Es ist längst auch als Anlageziel für private Investoren und als Beimischung im Portfolio interessant geworden.

Während nach aktuellen Zahlen des Deutschen Aktieninstituts das Interesse der Bundesbürger an Aktien und Aktienfonds im zweiten Halbjahr 2008 drastisch gesunken ist, beobachten auch die Emittenten von Zertifikaten, dass derzeit Aktien als Basiswert weniger nachgefragt werden. Dafür ist das Interesse an Öl weiterhin hoch – weil der Preisrutsch viel Raum für Phantasien über die künftige Entwicklung lässt. Und weil es aktuell eine interessante Konstellation zu beobachten gibt. Doch dazu gleich mehr.

Wer sich mit Derivaten das schwarze Gold ins Depot holt, sollte einige Punkte beachten. Der wichtigste: Es gibt nicht den einen Ölpreis.

Problem eins: Öl ist noch lange nicht gleich Öl. Ob Saharan Blend oder Bonny Light, Tia Juana oder Minas – rund 30 verschiedene Rohölsorten werden weltweit unterschieden. Wesentliche Kriterien sind Herkunft, Schwefelgehalt und Dichte. Aus so genannten Leichtölen (weniger Schwefel, geringere Dichte) lassen sich in den Raffinerien überdurchschnittlich hohe Benzinanteile gewinnen, deshalb sind sie gefragter und damit teurer als die stark schwefelhaltigen Schweröle. Die wichtigsten Leichtöl-Sorten sind Brent und West Texas Intermediate (WTI).

Problem zwei: Rohstoffzertifikate beziehen sich in der Regel nicht auf den aktuellen Tageskurs (Spotpreis), der für die sofortige Lieferung des Rohstoffs gezahlt werden muss, sondern auf den Preis von Futures. Darunter versteht man Verträge, die an den Warenterminbörsen gehandelt werden und die in Sachen Qualität, Menge und Lieferdatum standardisiert sind.

Problem drei: Diese Futures werden weltweit an verschiedenen Terminbörsen gehandelt. Die wichtigsten sind die ICE in London sowie die New Yorker Börse NYMEX. Während an der ICE die Nordseesorte Brent im Mittelpunkt steht, ist an der an der NYMEX das amerikanische Öl WTI der Platzhirsch. Beide Börsen bieten aber auch Kontrakte für die jeweils andere Sorte an. Mit anderen Worten: Brent und WTI können an beiden Börsen gehandelt werden.

Weil es neben Brent und WTI so viele verschiedene Ölsorten und -qualitäten gibt, haben die Börsen den Handel vereinfacht, indem für weniger bedeutende Sorten keine eigenen Futures angeboten werden, gehandelte Kontrakte aber auch mit anderen Ölsorten bedient werden können. Allerdings gibt die Börse hierfür fixe Umrechnungsfaktoren je nach Qualität des gelieferten Öls vor.

Betrachtet man die Preise für WTI- und Brent-Futures, dann stößt man derzeit auf eine eher seltene Konstellation. „Am Ölmarkt zeichnet sich das amerikanische Leichtöl WTI normalerweise dadurch aus, dass es gegenüber der Nordseesorte Brent mit einem leichten Aufschlag notiert", erläutert Dr. Frank Schallenberger, Rohstoffanalyst bei der Landesbank Baden-Württemberg in Stuttgart. Dieser Aufschlag resultiere aus den besseren physikalischen Eigenschaften. „In den letzten zehn Jahren lag der Aufschlag von WTI gegenüber Brent bei durchschnittlich 1,50 Dollar. Dieser Bonus hat sich in den letzten Wochen jedoch zu einem Malus gewandelt, denn aktuell notiert Brent etwa zehn Dollar höher als WTI."

Gründe für diesen historisch bisher einmaligen Abstand seien nach Meinung Schallenbergers der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine und die Kältewelle in Europa, welche speziell die Brent-Nachfrage gestärkt hätten. Vor allem aber sei die Ölnachfrage in den USA in den vergangenen Wochen stark zurückgegangen – mit der Konsequenz, dass die US-Öllager den höchsten Stand der vergangenen zehn Jahre erreicht hätten.

Obwohl Future-Kontrakte implizieren, dass das Öl zum vereinbarten Zeitpunkt in der Zukunft auch physisch geliefert wird, machen viele Marktteilnehmer davon keinen Gebrauch und wechseln frühzeitig vor Ablauf eines Futures in den nächst folgenden. Diesen Vorgang nennt man „Rollen". Dennoch gibt es Orte, an denen die in den Geschäften gehandelten Mengen des Öls tatsächlich gelagert werden. Einziger Lieferort für WTI ist der kleine Ort Cushing – ein Pipelineknotenpunkt in Oklahoma, der die Golfküste mit den Konsumenten der nördlichen US-Bundesstaaten verbindet. Und die Lager in Cushing sind inzwischen offenbar äußerst gut gefüllt. „Die Restkapazität dürfte nur noch ein bis zwei Millionen Barrel betragen", sagt Schallenberger. „Ist die Kapazitätsgrenze erreicht, bleibt nur noch der relativ teure Weitertransport oder der Verkauf um fast jeden Preis."

Die französische Großbank Société Générale hat im Jahr 2007 open-end Zertikate emittiert, die genau diesen Unterschied zwischen den Preisen für Brent und WTI thematisieren. „Wir unterstellen dabei nicht, dass sich dieses Verhältnis in die eine oder andere Richtung entwickeln wird, sondern geben den Anlegern, die einen bestimmte Verlauf erwarten, das jeweilige Vehikel, um diese Erwartung mit einem Produkt umzusetzen", sagt Sebastian Bleser, Zertifikateexperte bei Société Générale. Sowohl für Annahme, das WTI sich stärker entwickelt, gibt es Zertifikate, als auch für die gegenteilige Meinung. Jeweils ein Produkt ist dabei mit einem Hebel ausgestattet. So ist zu erklären, warum eines der vier angebotenen Zertifikat (Brent long/WTI short, WKN: SG03N2) in den vergangenen drei Monaten einen Wertzuwachs von rund 70 Prozent erzielen konnte.

Wem eine solche Spekulation zu gewagt ist, findet auf dem Zertifikatemarkt jede Menge Derivate verschiedener Emittenten, die sich auf den Futurepreis nur einer Ölsorte beziehen. Dabei gibt es Produkte, mit denen sich auf steigende Kurse setzen lässt, ebenso wie Zertifikate, die bei fallenden Preisen profitieren.

Wegen der Vielzahl an Futures und Börsenplätzen sollten Anleger mit Interesse an Zertifikaten auf Rohöl beim Vergleichen und Auswählen stets auf den genauen Basiswert der Angebote achten. Gerade bei Zertifikatetypen mit Barrieren können die Preisunterschiede zwischen den Börsenplätzen und Kontrakten von entscheidender Bedeutung für die spätere Rückzahlung sein.

So bezieht sich beispielsweise das morgen neu emittierte Quanto Bonuszertifikat der Commerzbank (WKN: CM2MQG) auf den immer nächst fälligen Brent Crude Rohöl Future an der ICE in London. Die Rückzahlung zu 75 Euro gibt es bei Fälligkeit am 21.12.2010, wenn der Basiswert bis dahin stets oberhalb von 35 US-Dollar notiert. Wer nun beispielsweise die Kurse im Fernsehen bei N-TV verfolgt, könnte auf die Idee kommen, dass der einzige dort im Ticker erscheinende Wert für Öl (aktuell: 40,58 US-Dollar) dem Preis des Basiswertes entspricht, der für dieses Zertifikat relevant ist. Tatsächlich aber beträgt der relevante Kontraktpreis derzeit 44,16 US-Dollar. 

Discount- und Bonuszertifikate haben für Anlegerinnen und Anleger grundsätzlich den Vorteil, dass sie in der Regel per Konstruktion einen Puffer beinhalten, sollte sich der Kurs des Basiswertes doch einmal anders entwickeln als erhofft. Außerdem endet ihre Laufzeit meist kurz vor Fälligkeit des zugrunde liegenden Futurekontraktes. Werden Rohstoffzertifikate hingegen ohne Laufzeitbegrenzung angeboten, dann stellt sich das Problem des Rollens.

Wie und wann der Emittent das Kapital des Anlegers bei solchen Produkten in den nächst längeren Kontrakt umschichtet, ist mitentscheidend für den Anlageerfolg des Zertifikats. Welche neuen Probleme beim Rollen auftreten können und mit welchen neuen Strategien die Banken ihre Zertifikate optimieren wollen, lesen Sie im zweiten Teil des ZertifikateAnleger Öl-Specials. Abonnieren Sie das PDF-Magazin hier kostenlos, um die neue Ausgabe direkt in ihr E-Mail-Fach.

Autoren dieses Artikels: Eike Schäfer, Britta Voß und Paul Mallach

Slater:

MVW?

3
23.01.09 10:29
Ariva: Habt Ihr die ID in der Altablage gefunden?
Harald9:

Preisunterschiede !

 
27.01.09 18:11
Ob es in Zukunft nochmal solch große Preisunterschiede zwischen WTI und Brent geben wird ist eher fraglich.
Tracker zertis ohne Hebel sondern nur auf den Index bezogen haben keinen Zeitwertverlust. Ist meiner Ansicht nach besser.
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