Artikel aus der Badischen Zeitung, mehr kann ich auch nicht sagen.
Furiose Hauptversammlung der Breisacher Software-Firma
Spießrutenlauf für Brain-Vorstände
Von unserem Redakteur Karl-Heinz Fesenmeier
FREIBURG. Das Breisacher Software-Unternehmen Brain International wollte sich auf seiner ersten Hauptversammlung seit dem Börsengang von der besten Seite zeigen. 600 Aktionäre und Gäste waren gestern in den Freiburger Karlsbau gekommen, um zu erfahren, wie es um das Unternehmen steht, warum der Kurs der Brain-Aktie in den Keller sackte, und ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich das wieder ändert. Alles bis hin zum leiblichen Wohl der Aktionäre war bestens arrangiert. Doch so freundlich die Hostessen beim Einlass waren, so unfreundlich, hart und unnachgiebig war der Ton, der drinnen im Großen Saal herrschte.
Es waren vor allem drei Herren aus dem Publikum, die die Veranstaltung dominierten und den Vorständen von Brain, die vorne auf dem Podium saßen, mächtig zusetzten. Sie nahmen „diese entsetzliche Bilanz“, die das Breisacher Unternehmen vorlegte und erläuterte, nach allen zulässigen und fragwürdigen Regeln der Kunst auseinander. Besonders für die beiden Brain-Vorstände Thomas Holzer und Kurt Rembold wurde die Hauptversammlung zeitweise zum wahren Spießrutenlauf.
Schon der Beginn der Aktionärsversammlung war furios. Ein Rechtsanwalt aus Baden-Baden holte zum Paukenschlag aus. Er bezweifelte überhaupt die Rechtmäßigkeit dieser Veranstaltung, weil das Unternehmen versäumt habe, die Aktionäre im Vorfeld des Treffens ausreichend zu informieren. Außerdem hätte die Übernahme der amerikanischen Software-Firma CMI von den Aktionären genehmigt werden müssen. Konsequenterweise beantragte er die Verschiebung der Hauptversammlung, was aber Rainer Molenaar als Vorsitzender des Aufsichtsrats, ohne lange zu fackeln, zurückwies.
Eine Hauptversammlung eines Unternehmens, das Verluste schreibt, ist keine Geburtstagsparty. Erst recht nicht, wenn Gewinne erwartet wurden. Brain, das mit 1400 Mitarbeitern 250 Millionen Mark erwirtschaftet, wies in der 99er-Bilanz einen Verlust von 24 Millionen Mark aus. Daraufhin sackte die Aktie, die am 12. März 1999 mit 42 Euro am Neuen Markt emittiert wurde, von über 65 Euro im Mai auf aktuell etwa 24 Euro ab. „Wie erklären Sie sich, dass die Brain-Aktie in die Knie ging, während der Neue Markt eine Erfolgsgeschichte schrieb?“, lautete eine der unerbittlichen Fragen der drei unerbittlichen Herren. Da nützte es auch nichts, dass Thomas Holzer zuvor seinen Vortrag mit der Bemerkung schloss, dass es sein besonderes Anliegen sei, das Vertrauen der Aktionäre wiederherzustellen.
Die drei Herren waren Profis: Der eine von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre, der zweite von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, der dritte gab sich lediglich als Rechtsanwalt aus Baden-Baden aus. Im Verlauf der Veranstaltung, so berichteten Insider, stellte sich aber heraus, dass dieser offenbar als Advocatus diaboli auf die Matte geschickt wurde – und zwar von Helmut Polzer, der bis Ende des vergangenen Jahres noch Mitglied des Brain-Vorstands war und das Unternehmen im Streit verließ. Polzers Ausscheiden war immer wieder Gegenstand der gestrigen Diskussion, denn Polzer ist kein Geringerer als der frühere Chef der Firma BIW, die mit Rembold + Holzer zu Brain fusionierte. Außerdem war er bei Brain für die Entwicklung zuständig. Für ihn ist noch kein Ersatz gefunden. Sein Ausscheiden dokumentiert in den Augen der Aktionärsvertreter, dass die Fusion, aus der Brain entstanden ist, letztlich missglückte.
Was die drei Herren kritisierten, unterschied sich vor allem im Ton, weniger in der Sache. Sie warfen den Brain-Vorständen vor, die Verluste nicht hinreichend erklären zu können. Außerdem hätten sie mit ihren „ständigen Erfolgsmeldungen“ die wahre Situation verschleiert. Des Weiteren sei Brain „zu schnell und mit zu vielen Pannen“ hochgezogen worden. Besonders scharf kritisierten sie (und außer ihnen auch ein Fondsmanager des Bankhauses Julius Bär), dass der Vorstand trotz wiederholter Aufforderung sich weigerte, die Geschäftsentwicklung in den ersten beiden Monaten des neuen Jahres offen zu legen. Obwohl der Brain-Vorstand manche Vorwürfe gut parierte (und auch mal anerkennenden Applaus erhielt), in dieser Frage machte er keine gute Figur. Er hinterließ bei den meisten Kleinaktionären den schalen Eindruck, dass diese Zahlen nichts Besseres verheißen.