Börsenstrategie nach der Irak-Krise

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Nassie:

Börsenstrategie nach der Irak-Krise

 
15.02.03 22:34
Strategien für die Zeit nach dem Krieg/Von Thomas Schmitt


Große Politik treibt die Börsen. Wachstum, Inflation und Gewinne treten in den Hintergrund. Spekuliert wird auf die Worte von UN-Chefinspekteur Hans Blix, Präsident George Bush oder Bundeskanzler Gerhard Schröder. Es geht hin und her, wie gerade der Freitag zeigte. Immer dominieren aber drei Fragen: Kommt ein Krieg gegen den Irak? Wie wird er ausgehen, und in welcher Form beeinflußt er die Wirtschaft? Mehrere Lösungen sind möglich. Deshalb denken Profis in Szenarien. Das sind Entwürfe dessen, was im Irak und in der Weltwirtschaft passieren könnte. Jedes dieser Modelle klopfen sie - manchmal minütlich - immer wieder darauf ab, wie vernünftig es gerade ist, und handeln danach.


Szenarien Die Analysten der Hypo-Vereinsbank meinen etwa, ein "kurzer Krieg" sei die realistische Variante - 40 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit. Jeweils 25 Prozent geben sie den Szenarien "friedliche Lösung" und "längerer Krieg". Da sie eine "längerfristige Unsicherheit in der Region" nicht ausschließen wollten, bewerteten sie dies noch mit zehn Prozent. Ziemlich unwahrscheinlich also. Ist es das wirklich? Da schwimmen die Münchner wie alle anderen: "Die Schlüsselfrage der kommenden Wochen ist, inwieweit sich Eintrittswahrscheinlichkeiten zwischen Szenarien verschieben und sich damit die zu erwartenden Konjunktur- und Aktienmarktentwicklungen verändern."


Wenn also der Irak nächste Woche alle Waffenverstecke aufdeckte und bedingungslos ständige Kontrollen zuließe - würde dann ein Krieg vermieden und eine Aktienrally wahrscheinlicher? Oder wenn arabische Terroristen in Los Angeles, London oder Sydney plötzlich zuschlügen - jagte dann der Ölpreis über 50 Dollar und risse Amerikas und Europas Wirtschaft in die Tiefe? Die Börsen brächen vielleicht auf das Niveau der achtziger Jahre ein, und die Renditen fielen unter ein Prozent. Vorstellbar, aber ist es auch wahrscheinlich?


Optimisten Solche Zukunftsentwürfe basieren auf einer möglichst exakten Analyse der Lage, den wirtschaftlichen Mechanismen und Vergleichen. Viele Profis glauben derzeit zum Beispiel, daß der Ölpreis bei einem Krieg nur kurz und bloß wenig mehr als im Moment steigt, die Aktienbörsen aber endlich steigen und die Anleihenmärkte die Zinswende vollziehen. So ähnlich reagierten die Finanzmärkte schon einmal nach dem ersten Irak-Krieg. Optimisten hoffen wieder darauf und sagen Anlegern heute schon, welche Aktien sie in diesem Fall kaufen sollten. Vor allem Banken, Versicherungen und Transportwerte mit hohen Dividendenrenditen, guten Geschäftsaussichten und niedrigen Kursen, meint Ben Funnell von Morgan Stanley. Air France, Bank of Ireland, BASF, Lafarge, Linde, Ryan-air und Unicredito gehören da zum "Kriegskorb" unter den europäischen Aktien.


Pessimisten Wenn nun aber die Schwarzmaler recht behalten? In deren Augen ist der Krieg nicht so entscheidend. Wie er ausgeht, ob er kurz oder lange dauert, mache doch kaum einen Unterschied, behauptet Jim O'Neill von Goldman Sachs: wenn man langfristig herangeht. Denn ein erfolgreicher Feldzug gegen den Irak löse viele Probleme nicht. Die geopolitischen Risiken blieben. Nordkoreas Raketen bedrohten Amerika genauso weiter wie zahlreiche, dezentral organisierte Terroristen, die zu Selbstmordattentaten bereit sind. Daran würde nur ein großer Frieden im Mittleren Osten etwas ändern, was ohne Israel nicht vorstellbar ist.


Die Goldman-Analysten befürchten auch, daß viele Gewinnprognosen zu optimistisch sind und das Finanzsystem (Märkte, Banken, Versicherungen) unter Druck bleibt. Entscheidend aber ist ihr Ölpreis-Szenario. Der Anstieg der vergangenen Monate werde falsch eingeschätzt. Dieser sei weniger auf den Irak, sondern wesentlich stärker auf Venezuela zurückzuführen. Der Streik habe bis heute bereits den viertgrößten Ölschock der Geschichte verursacht. Bleibt nun der Preis für das Fieberthermometer der Weltwirtschaft hoch, also über 30 Dollar? Steigt er gar auf 40 Dollar, selbst wenn der Irak weiter liefert?


Goldman Sachs nennt keine Ölpreise, doch die Analyse der Ölmarktstruktur legt nahe: Deutschland rutscht in die Rezession, Europa so gut wie und Amerika vielleicht. Dies werde auch deshalb wahrscheinlicher, weil 1990 nicht mit 2003 zu vergleichen sei, ergänzt Stephen Roach, Chefvolkswirt von Morgan Stanley. Während des ersten Irak-Krieges seien die politischen und wirtschaftlichen Gewichte zwischen Amerika, Europa und Asien ausbalanciert gewesen. Heute sei Japan im Abseits, Europa zerstritten und Amerika einziger Motor der Weltwirtschaft. Reicht das?


Private Anleger haben die Qual der Wahl. Spekulanten basteln ihr eigenes Szenario, passen es mit jedem Politikerwort an und mischen mit. Wo Bewegung ist, wird Geld verdient. Vorsichtige Naturen wollen klarer sehen, auch wenn sie viele Chancen auslassen.


Van Nelle-Half.:

Aktuelle Lage der Irak-Krise

 
15.02.03 23:32
Weiterhin wird der Aktienmarkt von der Entwicklung auf geopoli-
 tischer Ebene dominiert. Mit Spannung wurde am Freitag Nachmittag
 der Vorlage des neuen Zwischenberichts der UN-Waffeninspektoren
 entgegengesehen. Viele Anleger waren der Meinung, dass dieser
 Termin eine deutliche Orientierungsgrundlage schaffen koennte -
 zwischen Krieg und Frieden.

 Nach dem zurueckhaltenden, aber im Vergleich durchaus halbwegs
 konstruktiven Bericht von Hans Blix verstaerkte sich unter den
 UN-Mitgliedern der Widerstand gegen einen sofortigen Krieg. Die
 Fortschritte der Waffeninspektoren und die bisherigen Zugestaend-
 nisse des Irak, auch wenn sie nur unter massivem Druck erfolgen
 und die aktive Kooperation noch stark zu wuenschen uebrig laesst,
 sind im Vergleich zu den bisherigen Ergebnissen nach Interpreta-
 tion der meisten UN-Mitgliedstaaten zu konstruktiv, um einen so-
 fortigen Krieg zu rechtfertigen.

 Ganz deutlich wurde dies bei der Rede des franzoesischen Aussen-
 ministers, die seitens der Mehrzahl der Mitgliedsstaaten viel Zu-
 stimmung erfuhr und sogar Beifall auf der Tribuene hervorrief.
 Die USA werden es mit Blick auf dieses doch merklich verschobene
 Stimmungsbild - von einem Stimmungsumschwung zu sprechen, waere
 zu frueh - kurzfristig nicht mehr wagen, eine zweite UN-Resolu-
 tion (eigentlich waere dies insgesamt die 19. !) anzustreben, mit
 der Gefahr, sich von mehreren Vetomaechten Gegenstimmen einzu-
 handeln.

 Die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten spricht sich nun fuer eine

 Fortsetzung der Waffeninspektionen aus. Erst einmal ist ein Irak-
 Krieg damit vom Tisch, zumindest bis zum 1. Maerz, denn bis dahin
 hat der Irak Zeit, die Forderungen der Vereinten Nationen nach
 Abruestung und vollstaendiger, aktiver Kooperation zu erfuellen.
 Frankreich ist sogar fuer eine Verlaengerung bis Mitte Maerz.

 Anleger sollten sich jedoch nicht zu frueh freuen, das Irak-Prob-
 lem ist weder vom Tisch, noch sehen wir eine verringerte Kriegs-
 gefahr. Wir befuerchten, dass die USA bereits viel zu viel in
 diesen Krieg investiert haben, um ihn dann doch nicht zu fuehren.
 Wir sind fest davon ueberzeugt, dass die USA Saddam Hussein not-
 falls mit militaerischer Hilfe durch die prowestliche irakische
 Opposition austauschen werden. Nur bei vollstaendiger Entmachtung
 des Hussein-Regimes halten wir einen Krieg fuer vermeidbar.

 Mit Blick auf die Technik kann sich die am Freitag eingeleitete
 Erholungsbewegung durchaus noch etwas fortsetzen, aus den aufge-
 fuehrten Gruenden gehen wir jedoch (noch) nicht von einer nach-
 haltigen Entspannung auf geopolitischer Ebene aus.

 Kaltschnaeuzige Langfristinvestoren nutzen das weiterhin sehr
 schwache Kursniveau, um Positionen in fundamental attraktiv be-
 werteten, gut positionierten Top BlueChips (bspw. Microsoft, IBM,
 3M, Alcoa, Procter & Gamble etc.) auf- oder auszubauen.
 Boersenphasen wie diese sind bei strategischer Ausrichtung klare
 Kaufphasen und eignen sich vornehmlich auch zur disziplinierten
 Durchfuehrung von langfristig ausgerichteten Aktien-Kauf/Anspar-
 plaenen mit einem Zeithorizont von 10 Jahren plus.
Kicky:

ach Gott nassie,Positionen aufbauen?

 
16.02.03 00:27
solltest hier nicht so auf Optimismus machen,wenn die Wirklichkeit eher so aussieht:
www.nytimes.com/2003/02/15/opinion/15SAT1.html
was könne die Inspektoren schon in 2 Wochen schaffen? Und jetzt beginnt bald die heisse Jahreszeit,da würden die in ihren Kampfanzügen umkommen.Glaubste wirklich den Bush wird die Meinung des UN-Sicherheitsrates von seiner bisherigen Politik abbringen?
Ich vermute mal, hier werden die Daytrader noch gute Gewinne mit Shorts und Longs machen und Wellblechcharts bis zur Entscheidung.Haste gesehen wie man locker mit Goldputs am Freitag 65% machen konnte?Und wie der Put auf Öl langsam ins Plus kommt und den Spread abbaut?tztztz
brudini:

Nach dem Krieg ist vor dem Krieg

 
16.02.03 00:36

Wenn der Irak-Konflikt überstanden ist, kommt der nächste Krisenherd.
Van Nelle-Half.:

Vergleich mit 1991 ist gefährlich

 
16.02.03 17:22




Da die Märkte ihren Blick gegenwärtig auf einen möglichen Krieg im Irak richten, ist es vielleicht interessant zu untersuchen, wie die Aktienmärkte auf frühere militärische Auseinandersetzungen reagiert haben. Wir haben uns die fünf letzten regionalen Konflikte angesehen, nämlich: den Yom- Kippur-Krieg (1973), die Panama- Invasion durch die USA (1989), den Golfkrieg (1991), die Bombardierung des Kosovo (1999) und den jüngsten Waffengang in Afghanistan. Wir haben festgestellt, dass in allen fünf Fällen nach der Kriegserklärung die Kurse an den europäischen Aktienmärkten in den darauf folgenden Monaten kräftig stiegen. Die nächstliegende Erklärung für diese positive Reaktion ist, dass die Unsicherheit beseitigt worden war und mit einem baldigen Kriegsende gerechnet wurde.

Außerdem haben wir festgestellt, dass in allen fünf Konflikten in bestimmten Sektoren die Aktienkurse vor der Kriegserklärung fielen, um danach wieder anzuziehen. Die Kurse von Aktien der Computerhardware-Branche, der Grundstoffindustrie und des Produzierenden Gewerbes gingen tendenziell in den drei Monaten vor Kriegsausbruch zurück und stiegen in den drei folgenden Monaten wieder an.

Bei den eher defensiven Sektoren wie zum Beispiel dem Einzelhandel sowie der Pharma- und Getränkeindustrie verlief die Entwicklung entgegengesetzt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Unsicherheit mit dem Näherrücken eines Konflikts am größten wird und die Investoren deshalb sehr zyklische Sektoren meiden und stattdessen die relative Sicherheit suchen, die defensive Sektoren bieten. Wenn die Kriegserklärung einmal erfolgt ist, besteht die Erwartung, dass die Unsicherheit bald vorüber sein wird und die Investitionsausgaben und das Wirtschaftswachstum wieder zunehmen werden. Deshalb schichten die Anleger ihre Mittel dann in zyklische Papiere um.

Auch wenn die in der Vergangenheit beobachteten Reaktionen der Märkte auf bewaffnete Konflikte möglicherweise dafür sprechen, Aktien zu kaufen (vor allem zyklische Papiere), sehen wir die Gefahr, dass Anleger die jetzige Situation vielleicht mit zurückliegenden Konflikten - insbesondere dem Golfkrieg von 1991 - vergleichen werden. Damals schnellte der Ölpreis zunächst in die Höhe, ging aber im Zuge der Normalisierung der Ölproduktion nach dem Kriegsende wieder rasch zurück. Ein derartiger Ölpreisrückgang würde im gegenwärtigen Umfeld dem Wirtschaftswachstum und den Unternehmensgewinnen in ganz Europa wichtige Impulse geben, was den Aktienmärkten möglicherweise Auftrieb verleihen würde.

Zurzeit sehen wir aber zwei Hauptrisiken für diese Erwartung: Erstens könnte der Ölpreis auf Grund von Angebotsverknappung länger auf hohem Niveau bleiben, und zweitens könnte der Krieg länger dauern als erwartet, was der Stimmung bei Anlegern und Verbrauchern schaden könnte. Die jetzige Situation am Ölmarkt unterscheidet sich erheblich von der vor dem Beginn des Golfkriegs. Der Generalstreik in Venezuela hat unseres Erachtens bereits einen der größten angebotsseitigen Schocks in der Geschichte des Ölmarkts ausgelöst, dessen Wirkungen sogar noch über die erwartete Beeinträchtigung infolge eines raschen Irak- Feldzugs hinausgehen. Wenn es jetzt zu einem Krieg im Irak kommt, ist ein weiterer Ölpreisanstieg unserer Meinung nach sehr wahrscheinlich. In Europa würde ein Krieg, der sich länger hinzieht als von den Anlegern erwartet, der ohnehin anfälligen Wirtschaft und dem schwachen Aktienmarkt weiteren Schaden zufügen. Ein langer Irak-Feldzug (der vielleicht mehr als vier bis sechs Monate dauert) könnte das Wirtschaftswachstum in Europa in diesem Jahr auf gerade einmal 0,5 Prozent sinken lassen. In diesem Fall wäre kaum mit einer kräftigen Erholung der Aktienkurse zu rechnen.
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