Strategien für die Zeit nach dem Krieg/Von Thomas Schmitt
Große Politik treibt die Börsen. Wachstum, Inflation und Gewinne treten in den Hintergrund. Spekuliert wird auf die Worte von UN-Chefinspekteur Hans Blix, Präsident George Bush oder Bundeskanzler Gerhard Schröder. Es geht hin und her, wie gerade der Freitag zeigte. Immer dominieren aber drei Fragen: Kommt ein Krieg gegen den Irak? Wie wird er ausgehen, und in welcher Form beeinflußt er die Wirtschaft? Mehrere Lösungen sind möglich. Deshalb denken Profis in Szenarien. Das sind Entwürfe dessen, was im Irak und in der Weltwirtschaft passieren könnte. Jedes dieser Modelle klopfen sie - manchmal minütlich - immer wieder darauf ab, wie vernünftig es gerade ist, und handeln danach.
Szenarien Die Analysten der Hypo-Vereinsbank meinen etwa, ein "kurzer Krieg" sei die realistische Variante - 40 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit. Jeweils 25 Prozent geben sie den Szenarien "friedliche Lösung" und "längerer Krieg". Da sie eine "längerfristige Unsicherheit in der Region" nicht ausschließen wollten, bewerteten sie dies noch mit zehn Prozent. Ziemlich unwahrscheinlich also. Ist es das wirklich? Da schwimmen die Münchner wie alle anderen: "Die Schlüsselfrage der kommenden Wochen ist, inwieweit sich Eintrittswahrscheinlichkeiten zwischen Szenarien verschieben und sich damit die zu erwartenden Konjunktur- und Aktienmarktentwicklungen verändern."
Wenn also der Irak nächste Woche alle Waffenverstecke aufdeckte und bedingungslos ständige Kontrollen zuließe - würde dann ein Krieg vermieden und eine Aktienrally wahrscheinlicher? Oder wenn arabische Terroristen in Los Angeles, London oder Sydney plötzlich zuschlügen - jagte dann der Ölpreis über 50 Dollar und risse Amerikas und Europas Wirtschaft in die Tiefe? Die Börsen brächen vielleicht auf das Niveau der achtziger Jahre ein, und die Renditen fielen unter ein Prozent. Vorstellbar, aber ist es auch wahrscheinlich?
Optimisten Solche Zukunftsentwürfe basieren auf einer möglichst exakten Analyse der Lage, den wirtschaftlichen Mechanismen und Vergleichen. Viele Profis glauben derzeit zum Beispiel, daß der Ölpreis bei einem Krieg nur kurz und bloß wenig mehr als im Moment steigt, die Aktienbörsen aber endlich steigen und die Anleihenmärkte die Zinswende vollziehen. So ähnlich reagierten die Finanzmärkte schon einmal nach dem ersten Irak-Krieg. Optimisten hoffen wieder darauf und sagen Anlegern heute schon, welche Aktien sie in diesem Fall kaufen sollten. Vor allem Banken, Versicherungen und Transportwerte mit hohen Dividendenrenditen, guten Geschäftsaussichten und niedrigen Kursen, meint Ben Funnell von Morgan Stanley. Air France, Bank of Ireland, BASF, Lafarge, Linde, Ryan-air und Unicredito gehören da zum "Kriegskorb" unter den europäischen Aktien.
Pessimisten Wenn nun aber die Schwarzmaler recht behalten? In deren Augen ist der Krieg nicht so entscheidend. Wie er ausgeht, ob er kurz oder lange dauert, mache doch kaum einen Unterschied, behauptet Jim O'Neill von Goldman Sachs: wenn man langfristig herangeht. Denn ein erfolgreicher Feldzug gegen den Irak löse viele Probleme nicht. Die geopolitischen Risiken blieben. Nordkoreas Raketen bedrohten Amerika genauso weiter wie zahlreiche, dezentral organisierte Terroristen, die zu Selbstmordattentaten bereit sind. Daran würde nur ein großer Frieden im Mittleren Osten etwas ändern, was ohne Israel nicht vorstellbar ist.
Die Goldman-Analysten befürchten auch, daß viele Gewinnprognosen zu optimistisch sind und das Finanzsystem (Märkte, Banken, Versicherungen) unter Druck bleibt. Entscheidend aber ist ihr Ölpreis-Szenario. Der Anstieg der vergangenen Monate werde falsch eingeschätzt. Dieser sei weniger auf den Irak, sondern wesentlich stärker auf Venezuela zurückzuführen. Der Streik habe bis heute bereits den viertgrößten Ölschock der Geschichte verursacht. Bleibt nun der Preis für das Fieberthermometer der Weltwirtschaft hoch, also über 30 Dollar? Steigt er gar auf 40 Dollar, selbst wenn der Irak weiter liefert?
Goldman Sachs nennt keine Ölpreise, doch die Analyse der Ölmarktstruktur legt nahe: Deutschland rutscht in die Rezession, Europa so gut wie und Amerika vielleicht. Dies werde auch deshalb wahrscheinlicher, weil 1990 nicht mit 2003 zu vergleichen sei, ergänzt Stephen Roach, Chefvolkswirt von Morgan Stanley. Während des ersten Irak-Krieges seien die politischen und wirtschaftlichen Gewichte zwischen Amerika, Europa und Asien ausbalanciert gewesen. Heute sei Japan im Abseits, Europa zerstritten und Amerika einziger Motor der Weltwirtschaft. Reicht das?
Private Anleger haben die Qual der Wahl. Spekulanten basteln ihr eigenes Szenario, passen es mit jedem Politikerwort an und mischen mit. Wo Bewegung ist, wird Geld verdient. Vorsichtige Naturen wollen klarer sehen, auch wenn sie viele Chancen auslassen.
Große Politik treibt die Börsen. Wachstum, Inflation und Gewinne treten in den Hintergrund. Spekuliert wird auf die Worte von UN-Chefinspekteur Hans Blix, Präsident George Bush oder Bundeskanzler Gerhard Schröder. Es geht hin und her, wie gerade der Freitag zeigte. Immer dominieren aber drei Fragen: Kommt ein Krieg gegen den Irak? Wie wird er ausgehen, und in welcher Form beeinflußt er die Wirtschaft? Mehrere Lösungen sind möglich. Deshalb denken Profis in Szenarien. Das sind Entwürfe dessen, was im Irak und in der Weltwirtschaft passieren könnte. Jedes dieser Modelle klopfen sie - manchmal minütlich - immer wieder darauf ab, wie vernünftig es gerade ist, und handeln danach.
Szenarien Die Analysten der Hypo-Vereinsbank meinen etwa, ein "kurzer Krieg" sei die realistische Variante - 40 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit. Jeweils 25 Prozent geben sie den Szenarien "friedliche Lösung" und "längerer Krieg". Da sie eine "längerfristige Unsicherheit in der Region" nicht ausschließen wollten, bewerteten sie dies noch mit zehn Prozent. Ziemlich unwahrscheinlich also. Ist es das wirklich? Da schwimmen die Münchner wie alle anderen: "Die Schlüsselfrage der kommenden Wochen ist, inwieweit sich Eintrittswahrscheinlichkeiten zwischen Szenarien verschieben und sich damit die zu erwartenden Konjunktur- und Aktienmarktentwicklungen verändern."
Wenn also der Irak nächste Woche alle Waffenverstecke aufdeckte und bedingungslos ständige Kontrollen zuließe - würde dann ein Krieg vermieden und eine Aktienrally wahrscheinlicher? Oder wenn arabische Terroristen in Los Angeles, London oder Sydney plötzlich zuschlügen - jagte dann der Ölpreis über 50 Dollar und risse Amerikas und Europas Wirtschaft in die Tiefe? Die Börsen brächen vielleicht auf das Niveau der achtziger Jahre ein, und die Renditen fielen unter ein Prozent. Vorstellbar, aber ist es auch wahrscheinlich?
Optimisten Solche Zukunftsentwürfe basieren auf einer möglichst exakten Analyse der Lage, den wirtschaftlichen Mechanismen und Vergleichen. Viele Profis glauben derzeit zum Beispiel, daß der Ölpreis bei einem Krieg nur kurz und bloß wenig mehr als im Moment steigt, die Aktienbörsen aber endlich steigen und die Anleihenmärkte die Zinswende vollziehen. So ähnlich reagierten die Finanzmärkte schon einmal nach dem ersten Irak-Krieg. Optimisten hoffen wieder darauf und sagen Anlegern heute schon, welche Aktien sie in diesem Fall kaufen sollten. Vor allem Banken, Versicherungen und Transportwerte mit hohen Dividendenrenditen, guten Geschäftsaussichten und niedrigen Kursen, meint Ben Funnell von Morgan Stanley. Air France, Bank of Ireland, BASF, Lafarge, Linde, Ryan-air und Unicredito gehören da zum "Kriegskorb" unter den europäischen Aktien.
Pessimisten Wenn nun aber die Schwarzmaler recht behalten? In deren Augen ist der Krieg nicht so entscheidend. Wie er ausgeht, ob er kurz oder lange dauert, mache doch kaum einen Unterschied, behauptet Jim O'Neill von Goldman Sachs: wenn man langfristig herangeht. Denn ein erfolgreicher Feldzug gegen den Irak löse viele Probleme nicht. Die geopolitischen Risiken blieben. Nordkoreas Raketen bedrohten Amerika genauso weiter wie zahlreiche, dezentral organisierte Terroristen, die zu Selbstmordattentaten bereit sind. Daran würde nur ein großer Frieden im Mittleren Osten etwas ändern, was ohne Israel nicht vorstellbar ist.
Die Goldman-Analysten befürchten auch, daß viele Gewinnprognosen zu optimistisch sind und das Finanzsystem (Märkte, Banken, Versicherungen) unter Druck bleibt. Entscheidend aber ist ihr Ölpreis-Szenario. Der Anstieg der vergangenen Monate werde falsch eingeschätzt. Dieser sei weniger auf den Irak, sondern wesentlich stärker auf Venezuela zurückzuführen. Der Streik habe bis heute bereits den viertgrößten Ölschock der Geschichte verursacht. Bleibt nun der Preis für das Fieberthermometer der Weltwirtschaft hoch, also über 30 Dollar? Steigt er gar auf 40 Dollar, selbst wenn der Irak weiter liefert?
Goldman Sachs nennt keine Ölpreise, doch die Analyse der Ölmarktstruktur legt nahe: Deutschland rutscht in die Rezession, Europa so gut wie und Amerika vielleicht. Dies werde auch deshalb wahrscheinlicher, weil 1990 nicht mit 2003 zu vergleichen sei, ergänzt Stephen Roach, Chefvolkswirt von Morgan Stanley. Während des ersten Irak-Krieges seien die politischen und wirtschaftlichen Gewichte zwischen Amerika, Europa und Asien ausbalanciert gewesen. Heute sei Japan im Abseits, Europa zerstritten und Amerika einziger Motor der Weltwirtschaft. Reicht das?
Private Anleger haben die Qual der Wahl. Spekulanten basteln ihr eigenes Szenario, passen es mit jedem Politikerwort an und mischen mit. Wo Bewegung ist, wird Geld verdient. Vorsichtige Naturen wollen klarer sehen, auch wenn sie viele Chancen auslassen.