boerse.de: Leuschel: Der Herr der Blasen

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boerse.de: Leuschel: Der Herr der Blasen

 
08.01.02 13:44
Roland Leuschel:
Der Herr der Blasen

Anfang dieses Jahres wurde dem Regisseur des Filmes "Der Herr der Ringe" der Titel des besten Regisseurs im Jahr 2001 verliehen. Wenn eine weitere Kursblase an den Aktienmärkten noch in diesem Jahr platzen wird, kann die gesamte Anlegerwelt mit ruhigem Gewissen Alan Greenspan den Titel "Der Herr der Blasen" verleihen; denn er hat sich nicht nur um das Entstehen (1996 - 2000) sondern auch um das Platzen (2000 - 2001) der grössten Finanzblase der Geschichte verdient gemacht, trotz seines Alters hat er sich im Herbst letzten Jahres wieder ans Werk gemacht, eine neue Finanzblase zu kreieren.

DAS JAHR 2001

Es war ein ganz besonders turbulenter Börsenjahrgang. Mit grossem Optimismus kündigten fast alle Investmentbanken neue Rekordstände an und die Börsengurus waren mit Ralph Acampora einig, als er schrieb: "Thank you, we love you Alan". Und als der Hohepriester der Blasen gleich zu Beginn des Jahres (4.1.) die Zinsen um 50 Basispunkte (von 6,5 auf 6%) senkte, gab es grossen Beifall, und ein bekanntes Wirtschaftsmagazin schrieb auf der ersten Seite: "Do it again Alan", in Anspielung an den berühmten Film Casablanca. Er tat es nochmal und zwar insgesamt 11 mal im Jahr 2001 und eroberte damit einen Ehrenplatz im Guinness Buch der Rekorde.

Auch unser Bundeskanzler Schröder verkündete und stiess dabei die Rauchringe seiner Havanna selbstzufrieden in die Luft: "Dieser Aufschwung ist mein Aufschwung". Bei seiner Neujahrsansprache verkündete er allen Deutschen: "Auch 2001 werde politisch und wirtschaftlich gesehen ein SEHR GUTES Jahr werden". Jetzt bei der Neujahrsansprache für das Jahr 2002 klingt es etwas anders: "Wir werden den Aufschwung 2002 schaffen", und er meinte damit wohl, die Amerikaner werden ihn schaffen, und damit unsere Exportwirtschaft wieder auf Trab bringen. Wird er am Ende dieses Jahres wiederholen und behaupten, "Das ist mein Aufschwung"?

Im wirklichen Leben fand an den Börsen im Jahre 2001 die grösste Kapitalvernichtung aller Zeiten statt. Mitte September, im Vergleich zum Höchstpunkt März 1999, wurden insgesamt über 7.000 Milliarden Dollar (rund 70% des amerikanischen BSP) Kapital vernichtet, und der Anleger konnte wie im Jahr 2000 feststellen, dass das von vielen Banken miesgemachte Sparbuch (+1,8%) Aktien in Deutschland (Dax -20%) schlug. Aber auch mit Sparbriefen (+5,0%) oder Bundesanleihen (+5,1%) konnte ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden. Die beste Anlage waren amerikanische Anleihen, die immerhin 10,5% Return brachten, unter Berücksichtigung des Dollarwertes.

DAS JAHR 2002

Die Zinsmärkte signalisieren einen starken Konjunkturanstieg und in den Futures der Fed-Funds ist ein Anstieg von 175 Basispunkten bereits eingepreist. Natürlich spiegeln diese Fakten die Meinungen aller Investmenthäuser und Finanzgurus wieder, die fast ausnahmslos einen steilen Konjunkturanstieg für das zweite Halbjahr 2002 vorhersagen. Erinnern wir uns, dass im Dezember 2000 MIT Professor Rüdiger Dornbusch erklärte: "Streichen Sie das Wort Rezession aus Ihrem Sprachschatz, es wird sie in den USA nicht mehr geben, und Abby Joseph Cohen, Chefstrategin bei Goldmann Sachs noch im Februar letzten Jahres ihre Anleger beruhigte: "Die US-Wirtschaft ist wie ein Supertanker - kaum vom Kurs abzubringen." Noch im selben Monat Februar tönte Peter Canelo, Stratege von Morgan Stanley: "Wenn Sie jetzt keine US-Aktien kaufen, werden Sie es niemals tun. Wir sind in der absolut "bullishen" Phase des Kreditzyklus." Wie letztes Jahr befürchte ich, die Wirklichkeit wird wieder einmal anders aussehen:

Nach wie vor werden die Unternehmensgewinne die Entwicklung der Aktienbörse bestimmen. Die Erfahrung hat gelehrt, dass diese Tatsache mittel- und langfristig gilt, leider aber nicht kurzfristig, wie die Jahre 1997 bis 2000 uns schmerzlich lehrten. Es kann eine grenzenlose Euphorie entstehen,und die Anleger alle traditionellen Bewertungsmassstäbe bei Aktien vergessen lassen, nur weil die Fed die grösste Geldmengenorgie aller Zeiten bewusst orchestrierte, und die Investmentbanken und Finanzgurus dies brutal zu ihren Gunsten ausnutzten. Vergessen wir nicht, dass Nobelpreisträger Milton Friedmann einmal gesagt hat, man solle alle Notenbanken der Welt abschaffen und einen Mechanismus einsetzen, der jedes Jahr die Geldmenge um 4% wachsen lässt. Wie recht hatte er.

WIRTSCHAFTSSZENARIO 2002

Die Risiken einer neuen Konjunkturdelle nach einem vorrübergehenden Mini-Aufschwung sind gross, zumal weitere Terrorattacken und die Ölpreisentwicklung zusätzliche latente Gefahren darstellen. Spätestens dann müsste Alan Greenspan feststellen, dass er alle Pfeile aus seinem Köcher abgeschossen hat.

Aber selbst bei einer Zwischenerholung der Wirtschaft dürften die Unternehmensgewinne wegen der Globalisierung der Wirtschaft und der deflationistischen Entwicklung in Asien (China!) keine kräftige Erholung aufweisen. Den Unternehmen fehlt einfach die Pricing Power. Damit dürften die Aktienkurse um mindestens 20 bis 25% überhöht sein. Nach Schätzungen der Analysten dürfte der Gewinn des Standard & Poors 500 in diesem Jahr um 16% auf knapp 53 Dollar je Aktie steigen. Auf dieser Basis wäre die P/E bei rund 24 bzw. die Gewinnrendite des Aktienmarktes (Kehrwert des Kurs/Gewinnverhältnisses) bei 4,2%. Da gleichzeitig die Renditen für "risikolose" 10-jährige amerikanische Staatsanleihen 15,2 sind, entspricht dies einer Überbewertung von 23%. Sollten aber die Gewinnschätzungen von +16% nach unten korrigiert werden müssen, dann droht die nächste Blase zu platzen.

Drei Prognosen möchte ich nicht unerwähnt lassen:

1. Warren Buffett ist von der Überbewertung der US-Aktien ebenfalls überzeugt. In den Jahren 1920 bis 1998 schwankte der Gesamtwert aller US-Aktien zwischen 40 und 90% des Bruttosozialproduktes. Im März 2000 stieg dieser Anteil auf 190 und ist mittlerweile im Zuge des Börsencrashs auf rund 130% abgefallen. Warren Buffet hält aber eine Bewertung von 70 bis 80% für angemessen.

2. Die längerfristigen Aussichten der Aktien werden mittlerweile von Anlegern nüchterner betrachtet. Noch vor einem Jahr posaunten Anlagestrategen in die Welt, 15% Jahresrendite wären bei Aktienfonds durchaus realistisch für die nächsten 10 Jahre. Jetzt hat eine Studie der ABN Amro sowie die Autoren Dimson, Marsh und Stanton von der London Business School gezeigt, dass in den vergangenen 101 Jahren die Wirklichkeit in insgesamt 16 Ländern etwas anders aussieht. Was deutsche Aktien anbetrifft, kommen sie zu dem Schluss, dass seit 1900 deutsche Aktien gerade mal 3,6% pro Jahr gebracht haben. Sie zeigen auch, wenn man zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt in Aktien eingestiegen ist, etwa 1973, dann muss der Anleger oft ziemlich lange warten, bevor die Anfangsverluste wieder wettgemacht werden.

3. In einer Studie des Professors Andrew Oswald von der Universität Warwick wird nachgewiesen, dass der beste Indikator für die mittel- und langfristige Aktienkursentwicklung der Preis des Rohöls ist. Oswald behauptet, die jetzige Rezession findet ihren Ursprung in der Verdreifachung des Ölpreises der letzten 2 bis 3 Jahre. Auch war die starke Rezession in den 70er Jahren die Folge einer Vervielfachung des Ölpreises. Haben sich also die Aktienkurse seit dem letzten Herbst verbessert, weil der Ölpreis eingebrochen war? Wenn ja, dann dürfte der jetzige Anstieg auf über 22 Dollar das Fass der Marke Brentöl darauf hindeuten, dass demnächst das schwache Konjunkturpflänzchen wieder eintrocknet.

Ich empfehle in diesem Jahr wiederum konservativ anzulegen und täglich das Wirtschaftsgeschehen und die Börse zu beobachten. Sollten sich meine Befürchtungen einer Korrektur bewahrheiten, dann kann ich nur empfehlen, bei den ersten Anzeichen schnell zu reagieren und die Trading-Gewinne aus der Rallye seit Oktober letzten Jahres glattzustellen. Triple A Anleihen und Geldmarktfonds sind in diesen turbulenten Zeiten eine gute Alternative und erlauben dem Anleger bei brutalen Kursabstürzen von Standardwerten zu profitieren und den Anteil der Aktien wieder zu erhöhen. Ich wünsche Ihnen bei dieser Tätigkeit viel Glück und Erfolg.

Roland Leuschel




08.01.2002 09:01
zit1:

Sehr Interessant, woher hast Du den Artikel? o.T.

 
08.01.02 13:58
Dixie:

Leuschel? Der war doch sonst immer bullish? o.T.

 
08.01.02 14:09
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