boerse.de: Die Deflationäre Depression beginnt

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boerse.de: Die Deflationäre Depression beginnt

 
20.11.01 11:21
Paul C. Martin:

Die Deflationäre Depression beginnt
Es ist nun gut 15 Jahre her, als mich nach einem Vortrag der alte Fuchs, Chart-Champ und heutiger boerse.de-Kolumnist Hans-Dieter Schulz kritisch angesprochen hat und zum ersten Mal das berüchtigte D-Wort gebrauchte. Er fragte. "Warum sprechen Sie eigentlich immer von Inflation? Denken Sie doch auch mal über die Möglichkeit einer Deflation nach!"

Lern- und wissbegierig wie ich war, ließ ich mir das nicht zwei Mal sagen. Was ist überhaupt eine Deflation und vor allem: Woher kommt sie?

Eine Deflation sind auf breiter Front fallende Preise. Die Wirtschaftsgeschichte ist voller solcher Erscheinungen, wie ich alsbald herausfand. Zunächst war da die Weltwirtschaftkrise, in der die deutschen Lebenshaltungskosten zwischen 1929 und 1933 um fast ein Viertel nachgaben. In anderen Ländern war es ähnlich. War dies eine Abirrung, ein Phänomen, das aus der weltweit grassierenden Wirtschaftskrise resultierte? Obendrein "monetär" zu erklären, also mit einem starken Rückgang der "Geldmenge" um ein gutes Drittel wie es mein alter Lehrer Milton Friedman in seiner "Monetary History of the United States" so ausführlich dargelegt hatte (1963)?

Es schien nahe zu liegen, und die Kausalkette: Weniger Geld = fallende Preise beeindruckte durch ihre Simplizität. Doch dann stieß ich auf immer mehr Material, das mich stutzig machte. In den USA war es 1920/22 zu einer scharfen, kurzen Deflation ohne nennenswerten Rückgang der Geldmenge, gekommen, in England Mitte der Zwanziger Jahre nach der Rückkehr zur Goldparität der Vorkriegszeit nicht minder.

Immer gab es also andere Ursachen (Kriege, Nachkriegszeiten, Outside-Schocks, Edelmetallmangel) und das Bild wurde nicht klarer.

Zurück daher zum statistisch verlässlichen Friedman. In seinen Tabellen entdeckte ich, dass die US-Deflation der Großen Krise nicht durch das Geld, das im Publikum vorhanden war, die Deflation verursacht haben konnte. Es war zwischen dem Crash-Monat Oktober 1929 von 3,8 Milliarden Dollar auf 5,5 Milliarden Dollar im März 1933 gestiegen ("Currency held by the Public"). Was in der gleichen Zeit allerdings völlig zusammenbrach waren die "Demand" und die "Time Deposits". Sie fielen im gleichen Zeitraum von 24,4 bzw. 19,9 auf 13,5 bzw. 10,9 Milliarden Dollar. Die Krise war also keine "monetäre" im strengen Sinn des Wortes, sondern es war eine Kreditkrise: Das Publikum hatte schlicht abgehoben und weniger Guthaben bei den Banken unterhalten, die ab September 1930 ohnehin in Kaskaden untergegangen waren.

Also ist zu fragen, ob nicht mangelndes Vertrauen und vor allem mangelnde Kreditnahme- und Kreditvergabebereitschaft als Deflationsursache anzusehen sei. Die Antwort lautet: Ja. Deflation kommt nicht aus irgendeinem "Money Stock", den es im heutigen Kreditgeldsystem (ohne Gold als Basis) ohnehin längst nicht mehr gibt, auch nicht aus Hortungen", obwohl so etwas durchaus die Kaufbereitschaft hinauszögert, was auch ökonomisch sinnvoll ist, weil jedermann später billiger kaufen kann und Warten also Zinsen bringt. Die Deflation ist ein Kreditphänomen!

Wer bereits verschuldet ist, muss, um bei Fälligkeit liquide zu sein, in sich zusammen ziehenden, also zunächst rezessiven Märkten, notfalls zu immer tieferen Preisen Absatz suchen, was die Konkurrenz ebenfalls zu Preisnachlässen veranlasst Und wer bisher mit Hilfe von Kredit gekauft hat (Investitionen, Häuser, Autos) hält sich zurück, was ebenfalls nicht zur Stabilisierung des Preisniveaus beitragen kann.

Die Börsen mögen, getrieben von kurzfristiger "Liquidität", dargestellt durch die Verwandlung längerfristiger Fälligkeiten in "ready cash at hand", noch ein interessantes Eigenleben entwickeln, doch jede "neue Hausse" wird sich à la longue nur als Korrektur in einem anstehenden langen, langen Abwärtstrend entpuppen. Auch in der Baisse kann gutes Geld verdient werden, zumal die Aufwärts-Hikes mit großer Wucht daherkommen.

Am Ende aber werden alle Kurse wieder dort landen, wo sie vor dem Start der Aktienmanie hergekommen sind und - ähnlich den Titeln der New Economy - in etwa dort landen, wo düster steht: 10 Prozent des All Time Highs.

Buyers, beware!

Von Dr. Paul C. Martin, Zürich

19.11.2001
Ramses II:

zu den themen liquiditätsfalle und deflation

 
20.11.01 12:13
gibt es in der letzten ausgabe der zeit einen interessanten artikel. den sollte man mal lesen.

grüße
Reila:

Dieser Artikel macht mich depressiv. o.T.

 
20.11.01 12:31
007Bond:

Aber es gibt noch Hoffung:

 
20.11.01 12:34
"Irren ist bekanntlich menschlich" ...
007Bond:

Außerdem:

 
20.11.01 12:54
Die Zentralbanken haben es sich zur Aufgabe gemacht, solchen Gefahren wirkungsvoll zu begegnen. Und es gibt ja auch andere Wahrscheinlichkeiten: Denn steigen die Aktien kontinuierlich weiter, geht die ganze dort geschilderte Theorie nicht auf. Und mit Aktiengewinnen können u.a. Kreditschulden getilgt werden, usw.
vanSee:

es gibt immer einen Hoffnungsschimer ... o.T.

 
20.11.01 18:52
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