Europäische Papiere sind unterbewertet
Billige Aktien – und keiner greift zu
Aktien sind wieder so preiswert zu haben wie zuletzt in den achtziger Jahren. Besonders europäische Aktien sind deutlich unterbewertet, wie ein Blick auf die großen Indizes zeigt. Unter den Branchen stechen Technologie, Industrie, Konsum und Versicherer hervor.
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HB DÜSSELDORF. Der Grund für den historischen Tiefstand: Weil die Kurse fallen und die Gewinne der Unternehmen gleichzeitig steigen, verbilligen sich die Anteilsscheine gleich an zwei Fronten. Preiswert allein ist zwar noch kein Grund für steigende Börsenkurse. Doch langfristig bewegen sie sich immer wieder in Richtung ihrer Durchschnittsbewertung.
Ungeachtet negativer Quartalszahlen namhafter Größen wie General Motors, Philips und IBM steigen die Firmengewinne im ersten Quartal in den USA und Europa kräftig an – sogar stärker als erwartet. Für die Unternehmen im amerikanischen Index S&P 500 hat sich das erwartete Gewinnwachstum von sieben Prozent im letzten Herbst über neun Prozent zu Jahresbeginn auf nunmehr zwölf Prozent erhöht. Auch in Europa weist die Tendenz aufs Quartal und Gesamtjahr bezogen nach oben.
Fallen gleichzeitig die Kurse – S&P 500, Stoxx 50 und Deutscher Aktienindex (Dax) verloren seit Jahresbeginn zwischen einem und fünf Prozent –, sinkt die Bewertung kräftig. Bezogen auf die erwarteten Gewinne in den nächsten zwölf Monaten weist der Dax derzeit ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 10,5 aus. Die Unternehmen sind also durchschnittlich mit dem zehneinhalbfachen Jahresgewinn bewertet. Der langfristige Mittelwert seit den 60er-Jahren liegt bei knapp 14. Daran gemessen, müssten Aktien also um 30 Prozent zulegen, um wieder angemessen bewertet zu sein. Der Stoxx 50 ist ebenso weit von seiner Durchschnittsbewertung entfernt.
Unternehmensgewinne steigen, aber die Kurse fallen
Europäische Aktien in den Branchen Technologie (KGV 17,7), Industrie (13,6) und Konsum (15,8) sind derzeit am weitesten von ihrem langjährigen Mittel entfernt. So müssten Technologiewerte mehr als 40 und Industrie- beziehungsweise Investitionsgüter-Aktien um 35 Prozent zulegen, um „normal“ bewertet zu sein. Auch Versicherungspapiere sind mit einem KGV von elf historisch günstig bewertet.
„Wichtigste Unterstützung für den Euro-Land-Aktienmarkt bleibt die Bewertung. Der Abstand zwischen Dividendenrenditen und Anleiherenditen befindet sich fast wieder auf dem Niveau von März 2003“, hat Gerhard Schwarz von der Hypo-Vereinsbank ermittelt. Vor gut zwei Jahren notierte der Dax halb so hoch wie heute, bei allerdings deutlich niedrigeren Dividenden. Einige Dax-Firmen schütten derzeit mehr an die Anleger aus, als europäische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren an Rendite bringen. Die Citigroup konstatiert, dass europäische Aktien im historischen Vergleich und „vor allem gegenüber amerikanischen Aktien geradezu billig“ seien. Im S&P 500 liegt das KGV bei 15. Das entspricht dem langfristigen Mittel.
„Die Bewertung in Europa spricht zweifellos für höhere Kurse. Das reicht aber nicht, damit die Börsenkurse steigen“, sagt Berndt Fernow von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). In der Tat gab es immer wieder Phasen, in denen die Börsen niedrig bewertet waren, ohne dass die Kurse stiegen. Aktuell machen Analysten die steigenden US-Zinsen, den hohen Ölpreis und schlechte Konjunkturnachrichten für die schwache Börsenentwicklung verantwortlich.
Wichtigster Grund für die niedrige Bewertung ist jedoch die gestiegene Risikoscheu vieler Anleger nach den negativen Erfahrungen in den vergangenen Jahren. Viele Kleinanleger wagen sich trotz guter Firmengewinne nicht an die Börse zurück. Und Versicherungen haben ihre Aktienquote von 20 auf unter zehn Prozent reduziert. „Dieser Trend wird so schnell nicht wieder umgekehrt, ist aber auch nicht für alle Ewigkeit festgeschrieben“, sagt Aktienstratege Fernow. Früher oder später würden der Anlagedruck und reichlich Liquidität die Investoren an die Börsen zurückführen.
Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 27. April 2005, 12:15 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
Billige Aktien – und keiner greift zu
Aktien sind wieder so preiswert zu haben wie zuletzt in den achtziger Jahren. Besonders europäische Aktien sind deutlich unterbewertet, wie ein Blick auf die großen Indizes zeigt. Unter den Branchen stechen Technologie, Industrie, Konsum und Versicherer hervor.
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HB DÜSSELDORF. Der Grund für den historischen Tiefstand: Weil die Kurse fallen und die Gewinne der Unternehmen gleichzeitig steigen, verbilligen sich die Anteilsscheine gleich an zwei Fronten. Preiswert allein ist zwar noch kein Grund für steigende Börsenkurse. Doch langfristig bewegen sie sich immer wieder in Richtung ihrer Durchschnittsbewertung.
Ungeachtet negativer Quartalszahlen namhafter Größen wie General Motors, Philips und IBM steigen die Firmengewinne im ersten Quartal in den USA und Europa kräftig an – sogar stärker als erwartet. Für die Unternehmen im amerikanischen Index S&P 500 hat sich das erwartete Gewinnwachstum von sieben Prozent im letzten Herbst über neun Prozent zu Jahresbeginn auf nunmehr zwölf Prozent erhöht. Auch in Europa weist die Tendenz aufs Quartal und Gesamtjahr bezogen nach oben.
Fallen gleichzeitig die Kurse – S&P 500, Stoxx 50 und Deutscher Aktienindex (Dax) verloren seit Jahresbeginn zwischen einem und fünf Prozent –, sinkt die Bewertung kräftig. Bezogen auf die erwarteten Gewinne in den nächsten zwölf Monaten weist der Dax derzeit ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 10,5 aus. Die Unternehmen sind also durchschnittlich mit dem zehneinhalbfachen Jahresgewinn bewertet. Der langfristige Mittelwert seit den 60er-Jahren liegt bei knapp 14. Daran gemessen, müssten Aktien also um 30 Prozent zulegen, um wieder angemessen bewertet zu sein. Der Stoxx 50 ist ebenso weit von seiner Durchschnittsbewertung entfernt.
Unternehmensgewinne steigen, aber die Kurse fallen
Europäische Aktien in den Branchen Technologie (KGV 17,7), Industrie (13,6) und Konsum (15,8) sind derzeit am weitesten von ihrem langjährigen Mittel entfernt. So müssten Technologiewerte mehr als 40 und Industrie- beziehungsweise Investitionsgüter-Aktien um 35 Prozent zulegen, um „normal“ bewertet zu sein. Auch Versicherungspapiere sind mit einem KGV von elf historisch günstig bewertet.
„Wichtigste Unterstützung für den Euro-Land-Aktienmarkt bleibt die Bewertung. Der Abstand zwischen Dividendenrenditen und Anleiherenditen befindet sich fast wieder auf dem Niveau von März 2003“, hat Gerhard Schwarz von der Hypo-Vereinsbank ermittelt. Vor gut zwei Jahren notierte der Dax halb so hoch wie heute, bei allerdings deutlich niedrigeren Dividenden. Einige Dax-Firmen schütten derzeit mehr an die Anleger aus, als europäische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren an Rendite bringen. Die Citigroup konstatiert, dass europäische Aktien im historischen Vergleich und „vor allem gegenüber amerikanischen Aktien geradezu billig“ seien. Im S&P 500 liegt das KGV bei 15. Das entspricht dem langfristigen Mittel.
„Die Bewertung in Europa spricht zweifellos für höhere Kurse. Das reicht aber nicht, damit die Börsenkurse steigen“, sagt Berndt Fernow von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). In der Tat gab es immer wieder Phasen, in denen die Börsen niedrig bewertet waren, ohne dass die Kurse stiegen. Aktuell machen Analysten die steigenden US-Zinsen, den hohen Ölpreis und schlechte Konjunkturnachrichten für die schwache Börsenentwicklung verantwortlich.
Wichtigster Grund für die niedrige Bewertung ist jedoch die gestiegene Risikoscheu vieler Anleger nach den negativen Erfahrungen in den vergangenen Jahren. Viele Kleinanleger wagen sich trotz guter Firmengewinne nicht an die Börse zurück. Und Versicherungen haben ihre Aktienquote von 20 auf unter zehn Prozent reduziert. „Dieser Trend wird so schnell nicht wieder umgekehrt, ist aber auch nicht für alle Ewigkeit festgeschrieben“, sagt Aktienstratege Fernow. Früher oder später würden der Anlagedruck und reichlich Liquidität die Investoren an die Börsen zurückführen.
Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 27. April 2005, 12:15 Uhr
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