Hans Bernecker: Augen zu!
Mails/Nachrichten vom 31.08.2001, Bernecker & Cie.
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Guten Morgen, meine Damen und Herren,
am besten, Sie machen die Augen zu. Für schwache Gemüter ist das jetzt nichts. Geradezu verstört riefen mich heute morgen schon einige Damen und Herren an, "geht jetzt die Welt unter" und: "Sollen wir rausgehen"? Natürlich nicht, obwohl es sehr sehr knapp geworden ist. Ich hatte das gestern schon erwähnt. Bitte nehmen Sie die Actien-Börse Nr. 33, einen spitzen Bleistift, und zeichnen Sie die letzten 10 Börsentage für den Dow Jones in die Grafik ein. Ob nun 10.000 oder etwas weniger, der wichtigste Trend-Indikator liegt noch immer im angemessenen Rahmen. Da die Markttechnik eine deutlich überverkaufte Lage zeigt, ist ein sofortiger Durchrutsch nicht
möglich oder zumindest sehr unwahrscheinlich. Andererseits bleibt klar, und darin wiederhole ich mich: So lange die fairen Preise für die Technologie-Werte nicht erreicht sind, haben die Märkte ihre Probleme.
Gestern war Sun Microsystems dran. Gewinnwarnung, und damit sind die ursprünglich genannten 9 - 11 $ schon greifbar nahe. Schluß gestern 12 1/2 $. Für alle anderen gilt das gleiche und so lange dies so ist, ist eine Labilität der Gesamtmärkte nicht zu vermeiden. Ob Sie jetzt noch verkaufen und 2 $ niedriger wieder reingehen, möchte ich nicht entscheiden. Nokia ist ein weiterer Fall. Ich hatte 16 E. (!) als möglichen ersten Kurs bezeichnet, gestern wurden es 16,70 E. Die Range für die mögliche Stabilisierung liegt zwischen 14 und 16 E., und das ergäbe einen Börsenwert von immer noch 65/70 Mrd E. gegen aktuell 77 Mrd E. für einen Umsatz von vermutlich 25 - 26 Mrd E. Also immer noch ein Kurs, der nicht gerade preiswert ist. Diese Redimensionierungen, wie ich sie nenne, sind weniger substantiell, als psychologisch ein wesentliches Handicap. Auch dann, wenn alle anderen sich überhaupt nicht bewegen würden. Apropos Psychologie: Eine Schlagzeile von heute ist im Handelsblatt: Broadvision riß den Nemax mit - 20,6 % in die Tiefe.
Oh Schreck. Das ganze waren 36 Euro-Cents. Tun Sie mir daher einen Gefallen:
Lesen Sie die Zahlenangaben sorgfältig und stellen Sie sie in die richtige Relation.
Fazit aus allem: Es hat keinen Sinn, jetzt gegenzuhalten. Rutschende Kurse sind für die nächsten 2 - 3 Tage kein Handlungsbedarf für Sie. Auf die überverkaufte Lage weise ich aber hin, so daß in der Regel daraus sehr heftige Positiv-Korrekturen erwachsen.
Frankfurt marschiert natürlich im Rhythmus der Wall Street. Daran ist nichts zu ändern. Die hohen Umsätze bei Dt. Telekom um 18 - 24 Mio Stück pro Tag bleiben vorerst eine Belastung. Auch daran ist nichts zu ändern. Wie weit SAP dem Ganzen noch widersteht, bleibt ebenfalls offen. Die Basiswerte für die Technologie-Aktien hatte ich schon genannt. Erfreulich und ein Beispiel für Bargain Hunting, obwohl sich daran eine ganze Reihe Leute stören, war gestern Springer: + 20 % nach Vorlage der schlechten Ergebnisse, und ich hatte Ihnen vor zwei Wochen gesagt, daß diese Aktie eigentlich nur in einer schwachen Börse gekauft werden kann. Den gestrigen Sprung nehmen Sie bitte nicht ganz ernst, weil er das Resultat der Marktenge ist. Doch es bleibt die alte Erfahrung: In schwachen Börsen kauft man grundsätzlich gut ein.
Gegenüber den Bau-Aktien gibt es nun neue Vorbehalte. Die Ankündigung eines roten Abschlusses bei Hochtief widerspricht in der Tat meiner Einschätzung der 3 Bauaktien Hochtief sowie Bilfinger & Berger und der Besonderheit Holzmann. Hahaha, so tönte es gestern auf dem Board. Das zeugt von Kurz-, aber wenig Weitblick. Halten Sie fest: Auch hier gibt es Goodwill-Abschreibungen und ferner die ominöse Position: Nicht abgerechnete Bauleistungen. Das ist eine Besonderheit für alle deutschen Bau-Unternehmen und eine Bilanzfrage. Wer das Geschäft kennt, weiß, wie man über diese Positionen die Gewinne sehr gekonnt steuern kann. Dennoch ist die kürzliche Hochtief-Warnung insofern eine Enttäuschung, als Essen vor 4 Monaten eine ganz andere Prognose veröffentlicht hat und dann kann niemand behaupten, daß sich das ansich langfristige Baugeschäft innerhalb der kurzen Zeit so dramatisch verschlechtert. Der neue Tiefstkurs von 15,70 E. kam bei einem Umsatz von rd. 116 000 Stück zustande, und das sind 1,8 Mio E. ausmachender Betrag. Nicht gerade gewaltig bei einer Börsenkapitalisierung von 1,12 Mrd E.
Anmerkung zum Euro: Was Duisenberg gestern von sich gab, lag eigentlich unter der Gürtel-Linie eines Noten-Bankers. Selbstverständlich hat die Zinssenkung einen Null-Effekt für die Konjunktur. Das habe ich gelegentlich schon dargelegt. Wenn der Euro "uns ein großes Zuhause gibt", so Duisenberg, so halte ich dies schon für ein erschreckend niedriges Niveau, über Währungsdinge in dieser Form zu polemisieren.
Machen Sie also die Augen zu, schauen Sie sich die Kurse an, aber nicht zu intensiv, denn Sie verderben sich das Wochenende. Mehr ist aber wirklich nicht zu sagen, denn einen Verkauf halte ich für falsch.
Herzlichst Ihr
Hans A. Bernecker
Mails/Nachrichten vom 31.08.2001, Bernecker & Cie.
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Guten Morgen, meine Damen und Herren,
am besten, Sie machen die Augen zu. Für schwache Gemüter ist das jetzt nichts. Geradezu verstört riefen mich heute morgen schon einige Damen und Herren an, "geht jetzt die Welt unter" und: "Sollen wir rausgehen"? Natürlich nicht, obwohl es sehr sehr knapp geworden ist. Ich hatte das gestern schon erwähnt. Bitte nehmen Sie die Actien-Börse Nr. 33, einen spitzen Bleistift, und zeichnen Sie die letzten 10 Börsentage für den Dow Jones in die Grafik ein. Ob nun 10.000 oder etwas weniger, der wichtigste Trend-Indikator liegt noch immer im angemessenen Rahmen. Da die Markttechnik eine deutlich überverkaufte Lage zeigt, ist ein sofortiger Durchrutsch nicht
möglich oder zumindest sehr unwahrscheinlich. Andererseits bleibt klar, und darin wiederhole ich mich: So lange die fairen Preise für die Technologie-Werte nicht erreicht sind, haben die Märkte ihre Probleme.
Gestern war Sun Microsystems dran. Gewinnwarnung, und damit sind die ursprünglich genannten 9 - 11 $ schon greifbar nahe. Schluß gestern 12 1/2 $. Für alle anderen gilt das gleiche und so lange dies so ist, ist eine Labilität der Gesamtmärkte nicht zu vermeiden. Ob Sie jetzt noch verkaufen und 2 $ niedriger wieder reingehen, möchte ich nicht entscheiden. Nokia ist ein weiterer Fall. Ich hatte 16 E. (!) als möglichen ersten Kurs bezeichnet, gestern wurden es 16,70 E. Die Range für die mögliche Stabilisierung liegt zwischen 14 und 16 E., und das ergäbe einen Börsenwert von immer noch 65/70 Mrd E. gegen aktuell 77 Mrd E. für einen Umsatz von vermutlich 25 - 26 Mrd E. Also immer noch ein Kurs, der nicht gerade preiswert ist. Diese Redimensionierungen, wie ich sie nenne, sind weniger substantiell, als psychologisch ein wesentliches Handicap. Auch dann, wenn alle anderen sich überhaupt nicht bewegen würden. Apropos Psychologie: Eine Schlagzeile von heute ist im Handelsblatt: Broadvision riß den Nemax mit - 20,6 % in die Tiefe.
Oh Schreck. Das ganze waren 36 Euro-Cents. Tun Sie mir daher einen Gefallen:
Lesen Sie die Zahlenangaben sorgfältig und stellen Sie sie in die richtige Relation.
Fazit aus allem: Es hat keinen Sinn, jetzt gegenzuhalten. Rutschende Kurse sind für die nächsten 2 - 3 Tage kein Handlungsbedarf für Sie. Auf die überverkaufte Lage weise ich aber hin, so daß in der Regel daraus sehr heftige Positiv-Korrekturen erwachsen.
Frankfurt marschiert natürlich im Rhythmus der Wall Street. Daran ist nichts zu ändern. Die hohen Umsätze bei Dt. Telekom um 18 - 24 Mio Stück pro Tag bleiben vorerst eine Belastung. Auch daran ist nichts zu ändern. Wie weit SAP dem Ganzen noch widersteht, bleibt ebenfalls offen. Die Basiswerte für die Technologie-Aktien hatte ich schon genannt. Erfreulich und ein Beispiel für Bargain Hunting, obwohl sich daran eine ganze Reihe Leute stören, war gestern Springer: + 20 % nach Vorlage der schlechten Ergebnisse, und ich hatte Ihnen vor zwei Wochen gesagt, daß diese Aktie eigentlich nur in einer schwachen Börse gekauft werden kann. Den gestrigen Sprung nehmen Sie bitte nicht ganz ernst, weil er das Resultat der Marktenge ist. Doch es bleibt die alte Erfahrung: In schwachen Börsen kauft man grundsätzlich gut ein.
Gegenüber den Bau-Aktien gibt es nun neue Vorbehalte. Die Ankündigung eines roten Abschlusses bei Hochtief widerspricht in der Tat meiner Einschätzung der 3 Bauaktien Hochtief sowie Bilfinger & Berger und der Besonderheit Holzmann. Hahaha, so tönte es gestern auf dem Board. Das zeugt von Kurz-, aber wenig Weitblick. Halten Sie fest: Auch hier gibt es Goodwill-Abschreibungen und ferner die ominöse Position: Nicht abgerechnete Bauleistungen. Das ist eine Besonderheit für alle deutschen Bau-Unternehmen und eine Bilanzfrage. Wer das Geschäft kennt, weiß, wie man über diese Positionen die Gewinne sehr gekonnt steuern kann. Dennoch ist die kürzliche Hochtief-Warnung insofern eine Enttäuschung, als Essen vor 4 Monaten eine ganz andere Prognose veröffentlicht hat und dann kann niemand behaupten, daß sich das ansich langfristige Baugeschäft innerhalb der kurzen Zeit so dramatisch verschlechtert. Der neue Tiefstkurs von 15,70 E. kam bei einem Umsatz von rd. 116 000 Stück zustande, und das sind 1,8 Mio E. ausmachender Betrag. Nicht gerade gewaltig bei einer Börsenkapitalisierung von 1,12 Mrd E.
Anmerkung zum Euro: Was Duisenberg gestern von sich gab, lag eigentlich unter der Gürtel-Linie eines Noten-Bankers. Selbstverständlich hat die Zinssenkung einen Null-Effekt für die Konjunktur. Das habe ich gelegentlich schon dargelegt. Wenn der Euro "uns ein großes Zuhause gibt", so Duisenberg, so halte ich dies schon für ein erschreckend niedriges Niveau, über Währungsdinge in dieser Form zu polemisieren.
Machen Sie also die Augen zu, schauen Sie sich die Kurse an, aber nicht zu intensiv, denn Sie verderben sich das Wochenende. Mehr ist aber wirklich nicht zu sagen, denn einen Verkauf halte ich für falsch.
Herzlichst Ihr
Hans A. Bernecker