Fusion
Hedge-Fonds stecken bei Schering in einem Dilemma
Die als "Heuschrecken" bekannten Investoren spielen bei Übernahmen in Deutschland eine immer wichtigere Rolle - Ihr Kalkül ist ein anderes als das eines Privatanlegers
Von Karsten Seibel
Frankfurt/Main - Die Nachspielzeit im Spiel Bayer gegen die verbliebenen Schering-Aktionäre hat begonnen. Jetzt sind gute Nerven und kühle Rechner gefragt. Die Aktionäre, die noch auf ein höheres Angebot als die angebotenen 89 Euro hoffen, stecken in einem Dilemma: Lohnt es sich zu warten? Oder sollten sie jetzt doch verkaufen?
Vor allem Hedge-Fonds werden sich in den nächsten Wochen genau überlegen, was sie machen. Sie sind mit Abstand die größte Gruppe unter den restlichen Aktionären, die insgesamt noch 7,6 Prozent an Schering halten. Dem Vernehmen nach besitzen allein die Hedge-Fonds noch rund fünf Prozent der ausstehenden Papiere.
Bayer hatte am Mittwochabend das Gebot von 89 Euro noch einmal im Rahmen des anstehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages bestätigt - und dies, obwohl die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in einem neuen Gutachten Schering lediglich mit 87,63 Euro bewertet, wie Bayer unterstrich. Wer seine Schering-Papiere dennoch behalten will, bekommt als Alternative in Zukunft eine jährliche Dividende von 3,62 Euro überwiesen.
Der kleine Kreis der verbliebenen Privatanleger wird das erneute Angebot kaum locken. An der Börse notiert die Schering-Aktie mit 91 Euro derzeit deutlich höher - offenbar haben viele die Hoffnung, daß es in den kommenden Monaten noch einen Nachschlag gibt. Selbst wenn es noch ein Jahr oder mehr dauern sollte, bis dies möglicherweise im Rahmen eines Squeeze-Outs geschieht, ist dies für einen Kleinanleger zu verschmerzen. Die Zeit läßt sich mit einer jährlichen Dividendenrendite von vier Prozent recht gut überbrücken.
Für die Hedge-Fonds sieht die Rechnung anders aus. Ihr Zeithorizont ist kürzer als der eines Privatanlegers, die Renditevorstellungen ihrer Geldgeber liegen deutlich höher. "Merger-Arbitrage" heißt die Hedge-Fonds-Strategie, die dahinter steckt. Die Fonds kaufen gezielt Aktien von Unternehmen, für die ein Übernahmeangebot vorliegt. Sie sind bereit, dafür einen Preis zu bezahlen, der nur knapp unter dem Übernahmeangebot liegt. Sie setzen auf eine Nachbesserung des Angebotes im Verlauf des Übernahmeprozesses - zuletzt mit Erfolg. Mit einer Rendite von 5,8 Prozent ist Merger-Arbitrage in diesem Jahr bislang die erfolgreichste unter den gängigen Hedge-Fonds-Strategien.
Bei Bayer sind die Fonds im März nach dem Angebot von 86 Euro in Schering-Aktien gegangen. Am Ende der Angebotsfrist im Juni hatten sie einen Anteil von knapp 40 Prozent an den Berlinern. Bayer zahlte letztendlich 89 Euro je Aktie, plus eine Dividende von 1,20 Euro - das ergab einen Wertzuwachs von rund fünf Prozent innerhalb weniger Wochen. Das Verhalten der Hedge-Fonds im Fall Bayer/Schering ist keine Ausnahme. Die Bedeutung der Fonds bei Übernahmen in Deutschland hat zuletzt deutlich zugenommen.
Unruhe kommt deshalb bei den Unternehmen und ihren beratenden Investmentbanken nicht auf - im Gegenteil. "Wenn Hedge-Fonds bei einer Übernahme mit dabei sind, steigen die Chancen, daß ein Bieter erfolgreich ist", sagt ein Investmentbanker. Denn die großen Spieler im Merger-Arbitrage-Geschäft sind berechenbar. Ob sie Paulson, Sandell oder Elliott heißen, sie wollen alle nur eines: Möglichst viel Rendite in möglichst kurzer Zeit. Emotionen spielen dabei keine Rolle. Daher sind sie zunächst darauf bedacht, daß die Transaktion durchgeht. Denn wenn die Übernahme scheitert, bricht der Aktienkurs ein. Einen großen Teil ihres Aktienpaketes geben die Fonds daher im Rahmen des Angebotes an den Käufer ab. Einen kleineren Teil behalten sie, um auf eine mögliche Nachbesserung zu spekulieren.
Ob Bayer das Angebot erneut erhöht, um die letzten Aktionäre schneller aus Schering herauszubekommen und die Kosten für die Börsennotiz zu sparen, ist offen. Zunächst sind Bayer die Hände gebunden. Machen sie in den nächsten zwölf Monaten den verbliebenen 7,6 Prozent eine höhere Offerte, müssen sie auch allen anderen einstigen Schering-Aktionären rückwirkend einen höheren Preis zahlen. Ob die Hedge-Fonds zur Not ein Jahr warten können oder ihre Aktien doch noch zu 89 Euro abgeben, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.
Artikel erschienen am Fr, 28. Juli 2006
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