Vielen Baumärkten geht es schlecht - jetzt entdecken sie die Frauen als neue Kundengruppe
Freitagmorgen im "Bauhaus"-Baumarkt, Hasenheide, Berlin. Amber, ein Jahr alt, lächelt zahnlos. Sie hat die Tüte mit den bunten Dübeln entdeckt. Die Mutter, Constanze Schweda, sucht derweil weiße Wandfarbe. Eine junge Frau fragt, ob sie helfen kann, das ist Maja Stuhr. Sie ist Kauffrau im Einzelhandel, zuständig für Farben - und eine von 18 Frauen, die hier arbeiten.
"Es macht Sinn, Frauen im Baumarkt zu beschäftigen", sagt Marktleiter René Blüthner. "Denn die Kundinnen lassen sich gerne von ihnen beraten." Mehr Frauen als noch vor Jahren, so hat er beobachtet, kaufen bei ihm ein. Das hat etwas damit zu tun, dass die Flächen immer größer und die Sortimente deshalb vielfältiger werden: Jetzt gibt's im Baumarkt auch Teppiche, Dekoartikel und Pflanzen. Marktbeobachter haben heraus-gefunden, dass mittlerweile die Hälfte aller Kunden Frauen sind. Eine neue Klientel? Das ist auch bitter nötig. Denn schon seit 1996 geht es den vielen deutschen Heimwerkermärkten schlecht.
Die Erklärung für die Misere ist einfach: Vom Fall der Mauer an bis 1996 hat es eine Sonderkonjunktur gegeben. Der Osten hatte viele graue Mauern, die weiß angestrichen werden mussten, in den maroden Wohnungen schrien Wände und Böden nach Tapeten und Holzverkleidung. Überall wuchsen Heimwerkermärkte empor. Aber: "Jetzt haben wir einen gesättigten Markt - und jetzt kommt die Ernüchterung", sagt Frank Michel, Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Heimwerker-, Bau- und Gartenfachmärkte.
Die Talsohle der Jahre 1996 bis 1998 ist zwar durchschritten. In diesem Zeitraum waren die Umsätze um 8,5 Prozent auf rund 30 Milliarden Euro (59 Milliarden Mark) eingebrochen. Mittlerweile liegen sie zwar wieder um sechseinhalb Milliarden Euro höher. Insgesamt aber bleibt es seit Jahren beim Minus von vier Prozent. Dass die "Marktbereinigung sich auch im laufenden Jahr noch fortsetzen dürfte", hat erst vor kurzem noch Manfred Maus, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Obi-Baumärkte, auf der Eisenwaren-Messe in Köln gesagt.
Im jahrelangen Preiskrieg zermürbt
Marktbereinigung - eine nette Umschreibung für Schließungen und Pleiten. Als Erstes hat es 1998 die Baumarktkette Götzen erwischt. Das Duisburger Unternehmen hielt dem Preisdruck nicht stand und meldete Konkurs an. 1999 verkaufte die Handelsgruppe Lidl&Schwarz ihre Heimwerkersparte Hauser an die Edeka-Tochter AVA (Marktkauf, Dixi). Und die Stinnes-Gruppe verabschiedete sich mit dem Verkauf an Rewe ebenfalls vom umkämpften Markt.
Jetzt, bevor für die zweite Jahreshälfte ein Aufschwung erwartet wird, sieht sich die Branche wieder auf die Knie geschubst: von der Rentendiskussion und der Umstellung auf den Euro: "Die Leute sind vorsichtig bei der Anschaffung von Dingen, die über den Hausgebrauch hinausgehen", meint Frank Michel. Im Januar und Februar sei der Umsatz wieder gefallen, mit einem Minus von durchschnittlich acht Prozent.
Doch das wichtigste Hindernis für eine Gesundung ist die Dichte der Anbieter. Weit mehr als 4000 Baumärkte und Unternehmen mit ähnlichem Sortiment gibt es laut Bundesverband nun schon in Deutschland. Und sie alle haben sich in einem jahrelangen Preiskrieg zermürbt. Bestes Beispiel: die Baumarktmeile entlang der B9 ab Koblenz. Heute wird sie spöttisch auch "die Straße des Leidens" genannt.
Arm dran sind vor allem die Ableger der großen Handelskonzerne Praktiker (Metro) und Toom (Rewe). Praktiker mit seinen heute 324 Filialen hat im Jahr 2000 laut Geschäftsbericht einen Gesamtverlust von rund 60 Millionen Euro (120 Millionen Mark) gemacht. Die Zahlen des vergangenen Jahres möchte man im Unternehmen nicht herausgeben. Auch das Gerücht, dass es Metro ganz recht wäre, die unrentable Tochter loszuwerden, wird nicht bestätigt. Allerdings: Es wäre sowieso schwer, Käufer zu finden. "Angesichts der Konkurrenz ist der Baumarkt als Investmentform eben etwas uninteressant geworden", meint Sven Madsen, Handelsexperte der BHF-Bank.
Über steigende Erträge freut man sich hingegen bei Obi (Nummer eins in Deutschland), Hagebau (Nummer fünf) und Hornbach (Nummer sechs). Hier hat man das Sortiment rechtzeitig umgestellt. Heute sind nämlich nicht mehr Baustoffe, Bodenbeläge und Werkzeuge die Umsatzbringer, sondern Produkte wie Tapeten, Gardinen oder Dekostoffe. Auch Gartenartikel laufen immer besser. Fast ein Drittel aller Umsätze machen diese Abteilungen mittlerweile. Allüberall werden deshalb jetzt Gartenmärkte an die ursprünglichen Heimwerkerzentren angebaut. Immer noch mehr Märkte - und wo sollen die Kunden herkommen?
Im Grunde geht's nur noch darum, dem Konkurrenten die Käufer abzujagen. Das fällt insofern schwer, als die meisten Baumärkte sich ähneln - in ihrer Tristesse. Im Hagebaumarkt in Zeesen / Brandenburg hat man für den Erweiterungsbau deshalb einen Innenarchitekten engagiert. "Er soll eine Wohlfühlatmosphäre schaffen", sagt Marketingchef Mark Tessel und dehnt das "o" genüsslich. Wooohlfühlen im Baumarkt? Niedrige Regale soll es hier geben, "damit die Kunden sich in den schmalen Gängen nicht mehr so erschlagen fühlen." Eine Kinderspielecke wird geschaffen, außerdem soll der Eingangsbereich als Gartenlandschaft gestaltet werden. Und im Sortiment werden die Kunden bald auch Nützliches und Hübsches für den Hund, die Katze oder die Fische zu Hause finden.
Auf ein ähnliches Konzept setzt auch Obi. Seit einem Jahr gibt es in Ratingen den Prototyp des "Convenience Marktes". Die haben höchstens 2000 Quadratmeter. Im Angebot: nur hochwertige Waren und Kleingeräte. Euphorische Werbung: "Das wird die Rückkehr zum familiären Eisenwarenladen."
tagesspiegel.de
Freitagmorgen im "Bauhaus"-Baumarkt, Hasenheide, Berlin. Amber, ein Jahr alt, lächelt zahnlos. Sie hat die Tüte mit den bunten Dübeln entdeckt. Die Mutter, Constanze Schweda, sucht derweil weiße Wandfarbe. Eine junge Frau fragt, ob sie helfen kann, das ist Maja Stuhr. Sie ist Kauffrau im Einzelhandel, zuständig für Farben - und eine von 18 Frauen, die hier arbeiten.
"Es macht Sinn, Frauen im Baumarkt zu beschäftigen", sagt Marktleiter René Blüthner. "Denn die Kundinnen lassen sich gerne von ihnen beraten." Mehr Frauen als noch vor Jahren, so hat er beobachtet, kaufen bei ihm ein. Das hat etwas damit zu tun, dass die Flächen immer größer und die Sortimente deshalb vielfältiger werden: Jetzt gibt's im Baumarkt auch Teppiche, Dekoartikel und Pflanzen. Marktbeobachter haben heraus-gefunden, dass mittlerweile die Hälfte aller Kunden Frauen sind. Eine neue Klientel? Das ist auch bitter nötig. Denn schon seit 1996 geht es den vielen deutschen Heimwerkermärkten schlecht.
Die Erklärung für die Misere ist einfach: Vom Fall der Mauer an bis 1996 hat es eine Sonderkonjunktur gegeben. Der Osten hatte viele graue Mauern, die weiß angestrichen werden mussten, in den maroden Wohnungen schrien Wände und Böden nach Tapeten und Holzverkleidung. Überall wuchsen Heimwerkermärkte empor. Aber: "Jetzt haben wir einen gesättigten Markt - und jetzt kommt die Ernüchterung", sagt Frank Michel, Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Heimwerker-, Bau- und Gartenfachmärkte.
Die Talsohle der Jahre 1996 bis 1998 ist zwar durchschritten. In diesem Zeitraum waren die Umsätze um 8,5 Prozent auf rund 30 Milliarden Euro (59 Milliarden Mark) eingebrochen. Mittlerweile liegen sie zwar wieder um sechseinhalb Milliarden Euro höher. Insgesamt aber bleibt es seit Jahren beim Minus von vier Prozent. Dass die "Marktbereinigung sich auch im laufenden Jahr noch fortsetzen dürfte", hat erst vor kurzem noch Manfred Maus, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Obi-Baumärkte, auf der Eisenwaren-Messe in Köln gesagt.
Im jahrelangen Preiskrieg zermürbt
Marktbereinigung - eine nette Umschreibung für Schließungen und Pleiten. Als Erstes hat es 1998 die Baumarktkette Götzen erwischt. Das Duisburger Unternehmen hielt dem Preisdruck nicht stand und meldete Konkurs an. 1999 verkaufte die Handelsgruppe Lidl&Schwarz ihre Heimwerkersparte Hauser an die Edeka-Tochter AVA (Marktkauf, Dixi). Und die Stinnes-Gruppe verabschiedete sich mit dem Verkauf an Rewe ebenfalls vom umkämpften Markt.
Jetzt, bevor für die zweite Jahreshälfte ein Aufschwung erwartet wird, sieht sich die Branche wieder auf die Knie geschubst: von der Rentendiskussion und der Umstellung auf den Euro: "Die Leute sind vorsichtig bei der Anschaffung von Dingen, die über den Hausgebrauch hinausgehen", meint Frank Michel. Im Januar und Februar sei der Umsatz wieder gefallen, mit einem Minus von durchschnittlich acht Prozent.
Doch das wichtigste Hindernis für eine Gesundung ist die Dichte der Anbieter. Weit mehr als 4000 Baumärkte und Unternehmen mit ähnlichem Sortiment gibt es laut Bundesverband nun schon in Deutschland. Und sie alle haben sich in einem jahrelangen Preiskrieg zermürbt. Bestes Beispiel: die Baumarktmeile entlang der B9 ab Koblenz. Heute wird sie spöttisch auch "die Straße des Leidens" genannt.
Arm dran sind vor allem die Ableger der großen Handelskonzerne Praktiker (Metro) und Toom (Rewe). Praktiker mit seinen heute 324 Filialen hat im Jahr 2000 laut Geschäftsbericht einen Gesamtverlust von rund 60 Millionen Euro (120 Millionen Mark) gemacht. Die Zahlen des vergangenen Jahres möchte man im Unternehmen nicht herausgeben. Auch das Gerücht, dass es Metro ganz recht wäre, die unrentable Tochter loszuwerden, wird nicht bestätigt. Allerdings: Es wäre sowieso schwer, Käufer zu finden. "Angesichts der Konkurrenz ist der Baumarkt als Investmentform eben etwas uninteressant geworden", meint Sven Madsen, Handelsexperte der BHF-Bank.
Über steigende Erträge freut man sich hingegen bei Obi (Nummer eins in Deutschland), Hagebau (Nummer fünf) und Hornbach (Nummer sechs). Hier hat man das Sortiment rechtzeitig umgestellt. Heute sind nämlich nicht mehr Baustoffe, Bodenbeläge und Werkzeuge die Umsatzbringer, sondern Produkte wie Tapeten, Gardinen oder Dekostoffe. Auch Gartenartikel laufen immer besser. Fast ein Drittel aller Umsätze machen diese Abteilungen mittlerweile. Allüberall werden deshalb jetzt Gartenmärkte an die ursprünglichen Heimwerkerzentren angebaut. Immer noch mehr Märkte - und wo sollen die Kunden herkommen?
Im Grunde geht's nur noch darum, dem Konkurrenten die Käufer abzujagen. Das fällt insofern schwer, als die meisten Baumärkte sich ähneln - in ihrer Tristesse. Im Hagebaumarkt in Zeesen / Brandenburg hat man für den Erweiterungsbau deshalb einen Innenarchitekten engagiert. "Er soll eine Wohlfühlatmosphäre schaffen", sagt Marketingchef Mark Tessel und dehnt das "o" genüsslich. Wooohlfühlen im Baumarkt? Niedrige Regale soll es hier geben, "damit die Kunden sich in den schmalen Gängen nicht mehr so erschlagen fühlen." Eine Kinderspielecke wird geschaffen, außerdem soll der Eingangsbereich als Gartenlandschaft gestaltet werden. Und im Sortiment werden die Kunden bald auch Nützliches und Hübsches für den Hund, die Katze oder die Fische zu Hause finden.
Auf ein ähnliches Konzept setzt auch Obi. Seit einem Jahr gibt es in Ratingen den Prototyp des "Convenience Marktes". Die haben höchstens 2000 Quadratmeter. Im Angebot: nur hochwertige Waren und Kleingeräte. Euphorische Werbung: "Das wird die Rückkehr zum familiären Eisenwarenladen."
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