Herr Buschmann von der Wirtschaftswoche hat sich auch mal wieder zu Wort gemeldet:
www.wiwo.de/finanzen/boerse/...-auf-allzeit-tief/20556324.html
Dieser Artikel illustriert noch einmal sehr schön, warum ich die Berichterstattung in der Wirtschfatswoche für vergleichsweise unseriös halte (und wirft mMn eben auch ein Schlaglicht auf die "Qualität" der früheren Berichte zum Thema Bastei Lübbe in dieser Zeitschrift).
Die Überschrift "Aktie stürzt auf Allzeittief" ist ja noch korrekt. Sie wird aber in Verbindung mit dem zweiten, fett herausgehobenen Satz des Artikels "anrüchig". Dort heißt es dann nämlich: "Mittwochmorgen fiel der Kurs um über 30 Prozent."
Das ist, wie wir wissen, schlicht und ergreifend falsch, denn, wie Herr Buschmann später auch selber einräumt (allerdings natürlich nicht fett gedruckt und an einer deutlich weniger prominenten Stelle, wurde dieser "Trade" ja von der Börse annulliert; mithin ist die Aktie tatsächlich nicht um "über 30%" gefallen sondern um irgendwas um die 9% (was ja auch schon schlimm genug ist).
Die 30% klingen aber natürlich irgendwie spannender (und drauf und nicht etwa auf korrekte Information kommt es dem Autor offensichtlich an, ein anderer Schluss ist da aus meiner Sicht nicht möglich!).
Auch an einer anderen Stelle biegt Herr Buschmann die Wahrheit ein wenig.
Er schreibt in seinem Artikel über die Gewinnwarnung aus dem Juni für das abgelaufene Wirtschaftsjahr : "Schuld waren unter anderem Abschreibungen auf von Bastei gezahlte Autorenhonorare. Sie hatten sich offenbar als weniger werthaltig erwiesen als angenommen."
Also sinngemäß: Weil Bastei Lübbe überhöhte Autorenhonorare gezahlt hat (und dabei nicht aufgepasst hat, diese Diletanten, hat sich der Gewinn im abgelaufenen Wirtschaftsjahr vermindert!")
Das ist aber nur teilweise richtig.
Der höheren Abschreibung lag im Endeffekt lediglich eine Verkürzung der Abschreibung bzw. eine vorgezogene "bilanzielle Glattstellung" von Autorenhonoraren zugrunde.
Ich bin kein Verlagsbuchhalter aber wenn man sich etwas mit der Materie beschäftigt, ist es gar nicht so furchtbar kompliziert.
Wenn ein Unternehmen eine Maschine kauft, dann kann man davon ausgehen, dass diese sagen wir 5 Jahre "hält" und eingesetzt werden kann und dementsprechend wird der Kaufpreis dann auf 5 Jahre gewinnmindernd abgeschrieben - man kann also den Kaufpreis nicht schon in dem Augenblick gewinnmindernd geltend machen, in dem man die Maschine kauft sondern muss den Kaufpreis auf die voraussichtliche Nutzungsdauer der Maschine verteilen.
Bei Autorenhonoraren ist das etwas schwieriger, denn eigentllich "verdirbt" so ein Recht auf einen bestimmten Inhalt ja nicht und ich denke mal, dass Bastei Lübbe immer noch einzelne Exemplare von den "Säulen der Erde" verkauft, deren Rechte man von Ken Follett schon vor zig Jahren gekauft hat.
Früher (laut GB 2014/2015) hat man daher die Rechte zur Hälfte mit Erscheinen des Hardcover als Aufwand gebucht und die andere Hälfte mit Erscheinen des Taschenbuchs (und hätte man diese Abschreibungsmethode beibehalten, wäre im letzten Jahr nix passiert!).
Dann hat man die Abschreibungsmethode aber geändert (und komplizierter gemacht). Grund dafür war, dass ein immer größer werdender Teil des Umsatzes - auch wegen der Verwertung im Rahmen von Ebooks oder Hörbücher - erst deutlich nach Erscheinen des Hardcovers erzielt worden ist. Wenn man so will hat man festgestellt, dass die Nutzungsdauer der Rechte eben größer geworden ist (kann auch sein, dass die Finanzverwaltung an der "schnellen Abschreibung" herumgemäkelt hat, weiß ich nicht!).
Deshalb ist man auf die Idee gekommen, die vorausgezahlten Autorenhonorare mit den eigentlich aufgrund des Abverkaufs der Bücher fällig werdenden vereinbarte Honoraren für den Autor zu verrechnen. Beispiel: Follett schreibt ein neues Buch und erhält dafür von Bastei Lübbe 10 Mio Euro Garantiehonorar. Das Honorar wird vorab gezahlt; die letzte Rate in dem Augenblick wo der Autor BL sein Manuskript übergibt (klar, denn der Autor hat damit seine Leistung ja erbracht).
Nun geht Bastei Lübbe daran, das Werk zu lektorieren, das Buch zu gestalten und zu drucken, das Buch an die Händler zu liefern und die Werbetrommel zu rühren.
Mit Follett wurde (im Beispiel) vereinbart, dass er rechnerisch 5 Euro pro verkauftem Buch bekommt, wobei dieser Honoraranspruch dann natürlich mit seinem Vorschuss von 10 Mio Euro verrechnet wird.
Bastei Lübbe kann den Vorschuss aber erst dann als gewinnmindernden Aufwand geltend machen, wenn der tatsächliche Honoraranspruch für Follett entstanden ist (nicht schon bei Zahlung oder, so wie früher zu 50% bei Erscheinen des Hardcover und unabhängig davon, wie sich das Buch verkauft). Verkauft man also z.B. im ersten Jahr 1.000.000 Bücher, dann stehen Follett 5 Mio Euro Honorar in diesem Jahr zu und Bastei Lübbe muss 5 Mio Autorenhonorar "abschreiben" und damit zu gewinnminderndem Aufwand machen.
Werden im nächsten Jahr weitere 1,5 Mio Bücher verkauft, erhält Follett in diesem Jahr dann (neben den ja schon vor Jahren vereinnahmten vorab gezahlten Garantiehonorar/Vorschuss von 10 Mio Euro) noch 2,5 Mio Euro (denn sein Vorschuss wäre ja schon bei 2 Mio Büchern "verdient") und Bastei Lübbe muss die restlichen 5 Mio aus den Autorenhonoraren abschreiben (was den Gewinn entsprechend mindert) und weitere 2,5 Mio Euro an Follett zahlen, die dann aber sofort zu Aufwand werden und ebenfalls den Gewinn schmälern würden.
Soweit so gut. Was passiert aber, wenn von dem Follettbuch unterm Strich nur 1 Mio Euro verkauft werden, Follett also eigentlich nur 5 Mio Euro Honorar zugestanden hätten, er aber 10 Mio Euro Vorschuss bekommen hat? Leider (aus Sicht des Verlages) dürften die allerwenigsten Autoren sich auf einen Vertrag einlassen, der ihnen dann die Pflicht zur Rückzahlung des zu viel gezahlten Honorars auferlegen würde (und ein Follett mit Sicherheit schonmal gar nicht;) ).
Dann hat Bastei Lübbe eben Pech gehabt und hat 5 Mio Euro zu viel für das Manuskript bezahlt. Sowas ist sicher sehr ärgerlich, weil man ja tatsächlich zu viel für das Manuskript bezahlt hat, passiert aber sicher häufiger und führt dann dazu, dass das nächste Manuskript dieses Autors erst einmal sicher billiger wird.
Deshalb werden die vorausgezahlten Autorenhonorare jährlich einem Werthaltigkeitstest unterzogen und wenn festgestellt werden muss, dass von dem zugrundeliegenden Buch voraussichtlich gar keine oder nur noch wenige Bücher verkauft werden können, wird das Autorenhonorar eben gewinnmindernd ausgebucht (man wartet also nicht ab, bis dass in 30 Jahren vielleicht doch noch so viele Bücher verkauft worden sind, dass man den Vorschuss erreicht hat sondern setzt schon vorher einen Schnitt).
Fest steht also schon bei Zahlung des vorab gezahlten Garantiehonorars, dass [b]genau dieses Honorar und kein Cent mehr[/b] in jedem Fall "im Laufe der Zeit zum Aufwand wird und damit den Gewinn mindert" (es sei denn, es werden mehr Bücher verkauft als klakuliert, dann erhöht sich der Aufwand, aber wenn weniger Bücher als geplant veräußert werden, erhöht sich der Aufwand eben NICHT). Selbst wenn ein Buch gar nicht verkauft wird, erhöht sich der Aufwand nicht!
Der Satz von Herrn Buschmann hört sich aber (mMn bewusst) so an als ob BL zusätzlichen Aufwand hätte, weil die Autorenhonorare nicht mehr "werthaltig" sind. Das ist aber objektiv falsch. Der neue Wirtschaftsprüfer hat sich lediglich dazu entschieden, den Werthaltigkeitstest etwas früher anzusetzen und etwas schärfer zu vollziehen, was dazu führt, dass Honorare schon früher zu Aufwand werden. Das führt dann in dem Jahr, in dem man die Honorare "schärfer bewertet" zu einem höheren Aufwand und damit zu Gewinnminderungen dafür in den Folgejahren eben entsprechend zu weniger Aufwand für die entsprechenden Manuskripte und damit zu Gewinnerhöhungen.
(Wie gesagt, ich bin kein Experte für Verlagsbuchhaltung und habe mir diese Infos nach bestem Wissen und Gewissen selber aus den GB zusammengesucht - falls hier wer weitergehende Erkenntnisse hat, bitte gerne her damit)
Der Vorstand kann sich dann ja auch in den Folgejahren nicht dafür loben lassen, dass der Gewinn sich erhöht hat, weil man die Autorenhonorare schon früher abgeschrieben hat und nun weniger Aufwand hat, das wäre ja ebenfalls absurd.
Ich finde auch die Spekulation von Herrn Buschmann, dass man derzeit nicht weiß, ob die Sonderabschreibung auf oolipo dazu führt, dass man nun nicht wissen kann, ob (Zitat) " im laufenden Geschäftsjahr wie in den beiden Jahren zuvor ein Verlust anfällt" , merkwürdig.
In sämtlichen Analysen zu der Aktie wird ausgehend von der EBITDA-Prognose ein Ebit von etwa 11 bis 13 Mio Euro zu erwarten ist. Wenn nun eine Abschreibung von 3 Mio Euro vorgenommen wird, sollte recht klar sein, dass jedenfalls diese Abschreibung alleine nicht zu einem Verlust führen kann. Da erwarte ich dann auch einmal ein bisschen Recherchearbeit (wobei ich davon ausgehe, dass Herr Buschmann das auch weiß aber die Frage, ob es nicht wieder zu einem Verlust kommen kann, besser in sein "Skandalisierungskonzept" passt).
Ich finde, ein seriöser Journalist hat solche "Fisematenten" nicht nötig und eine Zeitschrift die ernst genommen werden will sollte nicht derartige Berichte veröffentlichen. Wie gesagt, das Muster ist aus früheren Berichterstattungen bekannt. Man tippt hier etwas an, behauptet dort etwas und schaut mal, was passiert. Mich jedenfalls überzeugt das nicht.
Allerdings würde ich Herrn Buschmann an einer Stelle zustimmen. Es ist noch nicht ausgemacht, ob nicht der neue Vorstandsvorsitzende und oder der (auch recht neue) CFO noch weitere bilanzielle Bereinigungen vornehmen müssen/wollen.
Daedalic und Buchpartner werden da genannt - wobei ich bei Buchpartner keine generellen Bedenken hätte (die Überlegung, dass Fach- und Lebensmittelmärkte bei der Versorgung mit Büchern grade der Kategorie die Bastei Lübbe anbietet (also eher der Gattung, die nicht unbedingt im Feuilleton der ZEIT abgefeiert werden) angesichts des Buchhandelsterbens immer wichtiger werden, ist nicht von der Hand zu weisen und auch durch Studien belegt; allerdings hat man sich mit buchpartner ja auch die Sonderposten und "Billigheimer" mit eingekauft und die haben, wie das erste Quartal ja gezeigt hat, doch eine sehr hohe Remittendenquote und sind daher für BL eigentlich unattraktiv; es könnte also sein, dass man für buchpartner angesichts dessen, was BL von buchpartner tatsächlich "brauchen" kann, einen zu hohen Preis bezahlt hat und deswegen vielleicht vom Firmenwert abknappsen muss.
Und zum Thema "Daedalic" habe ich ja schon hinreichend geschrieben.
Insofern: Es gibt aus meiner Sicht (wie schon mehrfach geschrieben) durchaus berechtigte Fragen an BL. Warum Herr Buschmann diese dann aber mit Halbwahrheiten, Unwahrheiten oder Unklarheiten vermengen muss, ist mir nicht klar!
Einen charmanten Abend allerseits.