Arabische Presseschau
"Jetzt ist nicht die Zeit für Tränen"
Klagen über die eigene Unfähigkeit zum Widerstand gegen die Alliierten prägen heute die arabischen Zeitungen. Aber auch die amerikanischen Probleme, die Lage in der Region unter Kontrolle zu bringen, werden thematisiert.
Die libysche Zeitung "al-Jamahiriya" bringt als Leitartikel einen fiktiven Brief von George Bush an die Araber: "Ich habe oft gehört, dass Amerika eine Gefahr für die Araber darstellt. Das ist sicher richtig, aber für die Araber gibt es doch keine größere Gefahr als die Araber selbst. Ihr liegt ständig im Streit miteinander. Ihr seid sehr kreativ beim Schaffen von inneren Auseinandersetzungen. Ihr könnt die Niederlage der Gemeinschaft hinnehmen, nur nicht die eigene - selbst beim Fußball. Es ist doch offensichtlich, dass eure Streitigkeiten arabische sind. Es ist auch klar, dass eure Völker die Rechnung für eure Auseinandersetzungen bezahlen müssen. Naja, ich kenne ja eure Auffassung gegenüber dem Volk. Ich weiß, dass ihr es nur mit Worten bezirzt. Ihr beschwichtigt es und das ist ein sehr schöner Zug von euch. Ihr habt mir Hoffnung gemacht auf eure Beteiligung am Krieg. Aber, ehrlich gesagt, dieses Mal haben wir euch einfach nicht gebraucht. Was sollen wir auch mit einer arabischen Armee? Es wäre nur eine Last für uns gewesen. Ihr habt noch nie strategische Überlegungen angestellt und das ist ein Glück für uns. Ich danke Euch sehr! Ich bin nur verwundert, warum der Iran das nicht auch so macht."
Wie die libanesische Tageszeitung "an-Nahar" berichtet, hat Ayatollah Khamenei, das geistige Oberhaupt Irans, "den fehlenden Widerstand der irakischen Armee, besonders der republikanischen Garden, gegen die Amerikaner und Briten als ewige Schmach" bezeichnet. In einer Rede vor der Führung der iranischen Armee im Iran sagte er: "Der Hauptgrund für das schändliche Versagen der irakischen Armee vor ihren Angreifern ist ihr fehlender Glaube. Die iranische Armee zeichnet sich dagegen durch ihren Glauben, ihre Geschlossenheit und ihre Opferbereitschaft aus."
Die Selbstgeißelung setzt die in London erscheinende Zeitung "al-Hayat" fort: "Wir müssen uns für die Amerikaner und Briten schämen, die stolz als Befreier durch die Straßen Bagdads und Basras patrouillieren. Wir müssen uns für die Iraker schämen, die sich auf Wasser und Brot stürzen, das sie schon ewig nicht in ihrem Land gesehen haben - und das im Land des Wassers und des Brotes. Wir müssen uns für Raub und Plünderungen durch einige Iraker schämen, die aus Not, Gier oder organisiert stehlen. Wir alle - vom Golf bis zum Atlantik - sollten uns dafür schämen, was im Irak passiert und passiert ist. Wir sollten uns bei der arabischen Sprache dafür entschuldigen, dass wir den Namen 'Araber' tragen."
Angesichts dieser Resignation fragt die jordanisch Zeitung "al-Dustour": "Warum lässt die Solidarität der Araber mit dem Irak nach? Dem irakischen Regime weint niemand eine Träne hinterher, außer denen, die von ihm profitierten. Aber der wahre Kampf der Iraker gegen die Besatzung beginnt erst jetzt. Und deshalb muss die arabische Öffentlichkeit dem irakischen Volk zur Seite stehen. Das letzte was gebraucht wird, ist ein Stopp der Demonstrationen und der Solidarität mit den Irakern."
"Ash-Shaab", das Blatt der oppositionellen Arbeitspartei in Ägypten ruft verzweifelt zu einer radikaleren Form des Widerstands auf: "Die amerikanischen Ungläubigen haben Bagdad noch nicht vollständig unter Kontrolle. Der Widerstand wird in allen Ecken des Irak heftiger werden. In Bagdad haben die Angreifer weniger als 20 Prozent der Fläche besetzt. Im Norden führte der Druck durch die Türken dazu, dass die Amerikaner die kurdischen Truppen wieder aus Mosul und Kirkuk abgezogen haben. Im Süden halten die Briten nicht mehr als 40 Prozent von Basra, und bis jetzt ist es ihnen noch nicht gelungen, in die Altstadt vorzudringen. Jetzt ist nicht die Zeit für Tränen, sondern für Dschihad, Dschihad, Dschihad auf dem Wege Gottes. Wir versichern euch, dass wir die Angreifer auf dem Boden Abrahams schlagen werden, unter der Bedingung, dass wir uns alle erheben und sie bekämpfen."
Die libanesischen Tageszeitungen "an-Nahar" und "as-Safir" berichten auch von Flugblättern, die am Dienstag in afghanischen Flüchtlingscamps in Nordpakistan aufgetaucht sind und zum Dschihad gegen die amerikanischen Truppen und gegen die afghanische Regierung aufrufen. Die Flugblätter trugen den Namen "Bekanntmachung des Islamischen Emirats Afghanistan", der Name Afghanistans unter den Taliban. In der Schrift heißt es: "Die Gelehrten und Führer der Stämme und die Dschihad-Kämpfer des Islamischen Emirats Afghanistan rufen euch zum Dschihad gegen die gekaufte Regierung in eurer Heimat auf. Es ist eure Pflicht, die Säbel gegen die Ungläubigen zu richten und gegen diejenigen, die sie unterstützen." Die Flugblätter tauchten auf, als Rebellen in Südostafghanistan Angriffe gegen die Regierung richteten, die in den letzten Wochen zum Tod von zwei amerikanischen Soldaten und vielen Männern der afghanischen Milizen führten .
In unerwarteten Schwierigkeiten befinden sich derweil die Amerikaner im Südirak, berichtet die kuweitische Tageszeitung "al-Rai al-Aam": "In den vergangenen zwei Tagen waren die Mitarbeiter von Ex-General Jay Garner durch Konsultationen bei kuweitischen Schia-Experten und in Forschungszentren in Washington völlig in Anspruch genommen. Sie haben nicht erwartet, dass es notwendig ist, sich in Details der dschafaritischen Rechtsschule zu vertiefen, um die Kämpfe zwischen deren Anhängern im Südirak unter Kontrolle zu bringen. Washington hat mit erneuten Schwierigkeiten zu kämpfen, weil schiitische Gruppen die Konferenz von Nasirija boykottieren." Ein Assistent von Garner zu "al-Rai al-Aam": "Ich habe nicht gewusst, dass es in einem kleinen Gebiet wie dem Südirak eine solche Vielfalt an Ansichten gibt."