Alle zu bullish oder kippt es gerade in die Hysterie?
von Jochen Steffens
Wir haben uns im Dax nun von der 4600er Marke endlich befreien können und sind mittlerweile sogar kurz über die 4700er Marke gestiegen. Die 5000er Marke ist nun als Ziel eingeloggt. Das soll nicht heißen, dass wir diese unbedingt in einem Rutsch oder sehr schnell erreichen. Aber ich halte die Wahrscheinlichkeit nun für sehr hoch, dass wir sie irgendwann in den nächsten Monaten erreichen werden.
Meine zweite These, nämlich die, dass die Gefahr besteht, die Sommermonate könnten dieses Jahr nicht durch Schwäche, sondern durch Stärke überraschen, wird auch immer wahrscheinlicher. Aber, der August ist der schwache Monat, nicht unbedingt der Juli, hier ist also noch Vorsicht angebracht.
Etwas anderes passiert gerade: Der Dax steigt, der Bund fällt. Was geschieht hier? Der schöne Einklang zwischen den Indizes bricht in sich zusammen. Offenbar wird nun Sicherheit verkauft und Aktien gekauft, kurz: die Institutionellen schichten um – in den Dax.
Damit kommen wir zu der nun entscheidenden Frage:
Es ist gerade alles zu bullish! Wartet nun, wie fast immer in dieser Situation, eine Konsolidierung auf uns oder kippen wir in die sehr seltene Phase der Hysterie.
Dazu kurz eine Erläuterung:
Die Phase der Hysterie
Antizyklisches Handeln, also sich gegen die Massenstimmung zu positionieren, funktioniert meistens außerordentlich gut. Es gibt zwei Ausnahmen, die ziemlich teuer werden können:
Kurz vor dem Ende eines großen Abwärtstrends und kurz vor dem Ende eines Aufwärtstrends.
Es gibt jeweils einen Punkt, an dem die zu bullishe Stimmung hysterisch wird und damit bar jeder Vernunft agiert. In diesem Moment werden die letzten (Geld-)Reserven frei gemacht, um sie in den Markt zu pumpen. Das ist eine Phase, in der alle bullish sind und es trotzdem weiter steigt. 1999-2000 war ein gutes Beispiel.
Doch auch umgekehrt funktioniert das: 2002-2003 war das Gegenbeispiel, damals waren fast alle bearish, und es ging doch immer noch tiefer und tiefer. Beide Phasen waren starke Übertreibungen und hatten hysterische Züge.
In beiden Fällen hätte einfaches antizyklisches Handeln zu großen Verlusten geführt.
Deswegen müssen Sie immer diese Ausnahmen im Hinterkopf behalten. Wir sind zwar aktuell nicht in so einer Extremphase wie im Jahr 2000, aber diese Tendenzen gibt es auch in den kleineren Moves.
Anzeichen für die hysterische Phase
Es gibt ein deutlichen Hinweis auf diese hysterischen Phase: Wenn schlechte Nachrichten ignoriert werden. Diese Tendenz ist zurzeit zu finden.
Wenn die Versorger, E.ON/RWE (Thema Sicherheit), nicht mehr mit dem Markt gehen. Auch hier erkenne ich erste Anzeichen, die beiden sind heute Schlusslicht im Dax.
Zudem: Dass nun der Bund fällt und der Markt steigt, kann ein erstes (!) Anzeichen dafür sein, dass die Institutionellen nervös werden. Schließlich fängt der Dax gerade an, die Performance der Sicherheit deutlich zu übertreffen. Wie sollen die Fonds und Banken das ihren Kunden am Ende des Jahres klar machen: "Der Dax hat zwar zweistellig zugelegt, aber wir haben nur einstellige Gewinne, aber dafür waren die sicher ...!" Das wird doch jeder Kunde einsehen – klar!
Nein, hier werden immer mehr Institutionelle in den Markt gezwungen.
Das wird dazu führen, dass immer mehr Geld in den Markt drängt, was wiederum die Kurse weiter treibt und dadurch noch mehr Geld in den Markt gezwungen wird. Ein solcher Verlauf wäre insbesondere in den Sommermonaten höchst brisant, denn dann werden die Käufe auf dünne Umsätzen stoßen.
Noch ist es nicht so weit
Meistens jedoch kündigen sich solche Phasen durch mehrer Versuche an, in Hysterie zu geraten. Das bedeutet: Aktuell erleben wir aus meiner Sicht den ersten Versuch des Marktes, "hysterisch" zu werden. Ob er es schafft, ist schwierig zu sagen, das kommt auch auf die nächsten Nachrichten an. Noch besteht also die bekannte Gefahr, dass die zu bullishe Stimmung zu einer stärkeren Konsolidierung führt. Beobachten Sie die Bondmärkte, wenn die weiter fallen und die Märkte weiter steigen, wird es allerdings heiß. Ich werde Sie natürlich auf dem Laufenden halten.
Trader oft die größten Opfer der Hysterie
In der Hysterie-Phase verlieren viele Trader oft sehr viel Geld: "Nun ist es so hoch gegangen, nun kann es nicht mehr weiter steigen!", ist die bekannte Trader-Philosophie, die leider ins Verderben führt, wenn es zur Hysterie kommt.
Oft rechtfertigen die Trader dann ihre Verluste, indem Sie die anderen Markteilnehmer, die bei diesem Niveau weiter kaufen, als geistesgestört, völlig bescheuert, total bekloppt bezeichnen. Sie haben damit natürlich nicht unrecht, es ist die hysterische Phase, es ist das Ende der Vernunft. Aber warum sich dagegenstellen, nur um durch Verluste frustriert sich daraufhin auch in trotziger Motzstimmung zu üben? Der Markt hat Recht, auch wenn er wahnsinnig wird, da hilft kein Schimpfen.
Immer noch gilt: So lange der Trend aufwärts gerichtet ist, weiter Long traden, nicht short. Wie Sie wissen, sage ich das nun bereits seit fast zwei Jahren – zwei Jahre lang war das Chancen/Risiko Verhältnis auf der Long-Seite wesentlich höher als auf der Short-Seite. Selbst wenn ich jetzt einmal unrecht hätte (was durchaus immer sein kann), würde sich das im Verhältnis zu dieser langen Zeit kaum noch auswirken ...
Und denken Sie daran, in der Hysteriephase werden noch mal richtig Prozente gemacht, bevor dann alles zusammenbricht.
Am Schluss kommt der Kater
Wieder einmal wird es das Schwierigste sein, die mittelfristigen Positionen an der richtigen Stelle zu verkaufen. Wenn alles hysterisch ist, alle bullish, die Hysterie ihren Hochpunkt erreicht, muss man einen kühlen Kopf bewahren und aus dem Markt gehen, obwohl jeder einen dann für völlig verrückt erklärt. Noch ist es nicht soweit, warten wir also ab.
von Jochen Steffens
Wir haben uns im Dax nun von der 4600er Marke endlich befreien können und sind mittlerweile sogar kurz über die 4700er Marke gestiegen. Die 5000er Marke ist nun als Ziel eingeloggt. Das soll nicht heißen, dass wir diese unbedingt in einem Rutsch oder sehr schnell erreichen. Aber ich halte die Wahrscheinlichkeit nun für sehr hoch, dass wir sie irgendwann in den nächsten Monaten erreichen werden.
Meine zweite These, nämlich die, dass die Gefahr besteht, die Sommermonate könnten dieses Jahr nicht durch Schwäche, sondern durch Stärke überraschen, wird auch immer wahrscheinlicher. Aber, der August ist der schwache Monat, nicht unbedingt der Juli, hier ist also noch Vorsicht angebracht.
Etwas anderes passiert gerade: Der Dax steigt, der Bund fällt. Was geschieht hier? Der schöne Einklang zwischen den Indizes bricht in sich zusammen. Offenbar wird nun Sicherheit verkauft und Aktien gekauft, kurz: die Institutionellen schichten um – in den Dax.
Damit kommen wir zu der nun entscheidenden Frage:
Es ist gerade alles zu bullish! Wartet nun, wie fast immer in dieser Situation, eine Konsolidierung auf uns oder kippen wir in die sehr seltene Phase der Hysterie.
Dazu kurz eine Erläuterung:
Die Phase der Hysterie
Antizyklisches Handeln, also sich gegen die Massenstimmung zu positionieren, funktioniert meistens außerordentlich gut. Es gibt zwei Ausnahmen, die ziemlich teuer werden können:
Kurz vor dem Ende eines großen Abwärtstrends und kurz vor dem Ende eines Aufwärtstrends.
Es gibt jeweils einen Punkt, an dem die zu bullishe Stimmung hysterisch wird und damit bar jeder Vernunft agiert. In diesem Moment werden die letzten (Geld-)Reserven frei gemacht, um sie in den Markt zu pumpen. Das ist eine Phase, in der alle bullish sind und es trotzdem weiter steigt. 1999-2000 war ein gutes Beispiel.
Doch auch umgekehrt funktioniert das: 2002-2003 war das Gegenbeispiel, damals waren fast alle bearish, und es ging doch immer noch tiefer und tiefer. Beide Phasen waren starke Übertreibungen und hatten hysterische Züge.
In beiden Fällen hätte einfaches antizyklisches Handeln zu großen Verlusten geführt.
Deswegen müssen Sie immer diese Ausnahmen im Hinterkopf behalten. Wir sind zwar aktuell nicht in so einer Extremphase wie im Jahr 2000, aber diese Tendenzen gibt es auch in den kleineren Moves.
Anzeichen für die hysterische Phase
Es gibt ein deutlichen Hinweis auf diese hysterischen Phase: Wenn schlechte Nachrichten ignoriert werden. Diese Tendenz ist zurzeit zu finden.
Wenn die Versorger, E.ON/RWE (Thema Sicherheit), nicht mehr mit dem Markt gehen. Auch hier erkenne ich erste Anzeichen, die beiden sind heute Schlusslicht im Dax.
Zudem: Dass nun der Bund fällt und der Markt steigt, kann ein erstes (!) Anzeichen dafür sein, dass die Institutionellen nervös werden. Schließlich fängt der Dax gerade an, die Performance der Sicherheit deutlich zu übertreffen. Wie sollen die Fonds und Banken das ihren Kunden am Ende des Jahres klar machen: "Der Dax hat zwar zweistellig zugelegt, aber wir haben nur einstellige Gewinne, aber dafür waren die sicher ...!" Das wird doch jeder Kunde einsehen – klar!
Nein, hier werden immer mehr Institutionelle in den Markt gezwungen.
Das wird dazu führen, dass immer mehr Geld in den Markt drängt, was wiederum die Kurse weiter treibt und dadurch noch mehr Geld in den Markt gezwungen wird. Ein solcher Verlauf wäre insbesondere in den Sommermonaten höchst brisant, denn dann werden die Käufe auf dünne Umsätzen stoßen.
Noch ist es nicht so weit
Meistens jedoch kündigen sich solche Phasen durch mehrer Versuche an, in Hysterie zu geraten. Das bedeutet: Aktuell erleben wir aus meiner Sicht den ersten Versuch des Marktes, "hysterisch" zu werden. Ob er es schafft, ist schwierig zu sagen, das kommt auch auf die nächsten Nachrichten an. Noch besteht also die bekannte Gefahr, dass die zu bullishe Stimmung zu einer stärkeren Konsolidierung führt. Beobachten Sie die Bondmärkte, wenn die weiter fallen und die Märkte weiter steigen, wird es allerdings heiß. Ich werde Sie natürlich auf dem Laufenden halten.
Trader oft die größten Opfer der Hysterie
In der Hysterie-Phase verlieren viele Trader oft sehr viel Geld: "Nun ist es so hoch gegangen, nun kann es nicht mehr weiter steigen!", ist die bekannte Trader-Philosophie, die leider ins Verderben führt, wenn es zur Hysterie kommt.
Oft rechtfertigen die Trader dann ihre Verluste, indem Sie die anderen Markteilnehmer, die bei diesem Niveau weiter kaufen, als geistesgestört, völlig bescheuert, total bekloppt bezeichnen. Sie haben damit natürlich nicht unrecht, es ist die hysterische Phase, es ist das Ende der Vernunft. Aber warum sich dagegenstellen, nur um durch Verluste frustriert sich daraufhin auch in trotziger Motzstimmung zu üben? Der Markt hat Recht, auch wenn er wahnsinnig wird, da hilft kein Schimpfen.
Immer noch gilt: So lange der Trend aufwärts gerichtet ist, weiter Long traden, nicht short. Wie Sie wissen, sage ich das nun bereits seit fast zwei Jahren – zwei Jahre lang war das Chancen/Risiko Verhältnis auf der Long-Seite wesentlich höher als auf der Short-Seite. Selbst wenn ich jetzt einmal unrecht hätte (was durchaus immer sein kann), würde sich das im Verhältnis zu dieser langen Zeit kaum noch auswirken ...
Und denken Sie daran, in der Hysteriephase werden noch mal richtig Prozente gemacht, bevor dann alles zusammenbricht.
Am Schluss kommt der Kater
Wieder einmal wird es das Schwierigste sein, die mittelfristigen Positionen an der richtigen Stelle zu verkaufen. Wenn alles hysterisch ist, alle bullish, die Hysterie ihren Hochpunkt erreicht, muss man einen kühlen Kopf bewahren und aus dem Markt gehen, obwohl jeder einen dann für völlig verrückt erklärt. Noch ist es nicht soweit, warten wir also ab.