ganz netter Vergleich...nehmt euch einfach mal die Zeit dafür! :-)
Smartcards
Smart Money?
Am Neuen Markt tummeln sich mittlerweile etliche Unternehmen, die mit Smartcards ihr Geld verdienen oder es wenigstens versuchen. Dabei unterscheiden sich die Tätigkeitsfelder zwischen den einzelnen Firmen erheblich. Zum Teil sind sie in starkem Maße auch in völlig anderen Geschäftsbereichen engagiert. In dieser Analyse wollen wir beleuchten, was die Smartcard-Unternehmen unterscheidet, und wo sich ein Investment lohnen könnte.
Was sind Smartcards?
Wir alle haben täglich mit diversen Plastikkarten zu tun, z.B. Telefonkarte, Kreditkarte, EC-Karte, Krankenkassenkarte. Sind das nun alles Smartcards? Smartcards im engeren Sinne zeichnen sich dadurch aus, daß sie einen Mikroprozessor, also einen winzigen Computer, enthalten. Sie werden daher auch als Prozessorkarten bezeichnet. Im Gegensatz dazu stehen einfachere Karten, die nur mit einem Magnetstreifen ausgestattet sind. Durch den Mikrochip verfügen Smartcards über eine gewisse Intelligenz, sie können also nicht nur Informationen speichern (i.d.R. mehr als auf einem Magnetstreifen), sondern auch kompliziertere Funktionen übernehmen. Sie müssen auch nicht unbedingt von vornherein für eine bestimmte Aufgabe konzipiert sein, sondern könnten mittels eines Lesegerätes am PC über das Internet mit neuen Funktionen (z.B. als Busfahrkarte) geladen werden. Weiterhin können innerhalb der Karte die Daten verschlüsselt und vor unbefugten Zugriff geschützt werden.
Für den Laien äußerlich nicht von den eigentlichen Smartcards zu unterscheiden sind Speicherkarten, welche nur einen Speicherchip enthalten, aber keine Intelligenz. Speicherkarten und Smartcards werden unter dem Oberbegriff Chipkarten zusammengefaßt. In der Regel werden diese Begriffe allerdings nicht eindeutig getrennt, so daß einfach alle Chipkarten (Speicher und Prozessor) als Smartcards bezeichnet werden. Dieser Sprachregelung schließen wir uns im Folgenden an, da auch die meisten Firmen sowohl die einfachen Speicher- als auch die komplizierteren Prozessorkarten im Programm haben.
Smartcards lassen sich nun wiederum in zwei Kate-gorien einordnen: Einerseits gibt es kontaktbehaftete Karten, die in einen Kartenleser gesteckt werden (bzw. fest im Handy eingebaut). Diese sind äußerlich an den goldenen Metallkontakten erkennbar. Die überwiegende Mehrheit der Smartcards ist in dieser Weise aufgebaut. Noch nicht so weit verbreitet sind kontaktlose Karten, die mittels einer eingebauten Antenne berührungsfrei funktionieren. So könnte beispielsweise automatisch im Vorbeigehen beim Einsteigen die Busfahrt bezahlt werden. Die kontaktlosen Systeme werden auch RFID (Radio Frequency Identification) genannt. Diese Karten enthalten einen sogenannten Transponder, sozusagen ein Minifunkgerät, das die berührungslose Datenübertragung und auch die Energieversorgung der Karte über elektromagnetische Felder ermöglicht. Zu den Vorteilen der kontaktlosen Karten gehören neben der komfortableren und schnelleren Funktion die Verschleißfreiheit sowohl der Karte als auch des Lesegerätes. Oftmals werden die kontaktlose und kontaktbehaftete Technik auch in einer Karte integriert (Dual Interface). Eng mit den kontaktlosen Smartcards verwandt sind sogenannte Tags. Sie funktionieren prinzipiell genauso, können aber die unterschiedlichsten Formen annehmen. Sie sind i.d.R. deutlich kleiner und können z.B. als Klebeetikett an Objekten angebracht oder auch in ihnen integriert werden. Man kann sie sogar Tieren implantieren, um sie aus sicherer Entfernung eindeutig identifizieren zu können (Stichworte BSE und Kampfhunde).
Die Einsatzmöglichkeiten für Smartcards sind sehr vielfältig: Telefonkarte, Geldkarte, SIM-Karte im Handy, Zeiterfassung, Bezahlung und/oder sichere Identifizierung im Internet bzw. per Handy, Homebanking, Zugangskontrolle, Fahrausweis. In vielen Fällen ist die wesentlich preiswertere Speicherkarte ausreichend, etwa für Telefonkarten und Krankenkassenkarten, während die prominentesten Anwendungen der Prozessorkarte die Geldkarte und die SIM-Karte (Subscriber Identity Module) im Handy sind.
Große Bedeutung können Smartcards für sichere Transaktionen per Internet oder Mobiltelefon erlangen, wobei sie eine eindeutige Identifikation des Benutzers und/oder die Bezahlung ermöglichen. Sofern dies per Handy erfolgt, wird allerdings keine zusätzliche Karte benötigt, sondern die ohnehin im Gerät eingebaute SIM-Karte wird genutzt. Zur Verbesserung der Sicherheit werden Smartcards bald auch zusammen mit biometrischen Erkennungsverfahren (Fingerabdruck oder Stimme) zum Einsatz kommen. Diese Techniken sollen zukünftig sogar direkt in die Karten integriert werden. In Finnland werden Smartcards auch schon als Personalausweis eingesetzt. Damit ist u.a. die sichere Kommunikation mit Behörden per Internet möglich, z.B. zur Meldung eines Adresswechsels. Ein Beispiel, das wahrscheinlich auch in anderen Ländern Schule machen wird.
Der Markt
Der Markt für Smartcards erscheint sehr attraktiv. Eine häufig zitierte Prognose von Dataquest, die allerdings aus dem Jahr 1998 stammt, läßt Wachstumsraten von über 30% p.a. für die nächsten Jahre erwarten, im Jahr 2002 sollen 6,8 Mrd. USD Umsatz mit Smartcards erreicht werden. In Teilbereichen ist das Wachstumstempo deutlich schneller. Insbesondere der Bereich Netzwerksicherheit soll mit etwa 100% jährlich wachsen. Auch die kontaktlosen Techniken haben weit überdurchschnittliches Wachstumspotential. Gleichzeitig ist zu beobachten, daß einfache Speicherkarten allmählich gegenüber den aufwendigeren Prozessorkarten an Bedeutung verlieren. Ein Unsicherheitsfaktor für das Marktwachstum liegt quasi im technischen Fortschritt bzw. in der Fähigkeit moderner Smartcards, für mehrere Anwendungen gleichzeitig einsetzbar zu sein. Sollte von dieser Möglichkeit verstärkt Gebrauch gemacht werden, würde der Anstieg des Stückzahlbedarfs zwangsläufig begrenzt. Das wäre logischerweise negativ für die beteiligten Unternehmen, wenn auch ein gewisser Ausgleich dadurch erfolgt, daß die Multikarten einen höheren Stückpreis haben. Wir halten es aber für unwahrscheinlich, daß zukünftig alles auf eine Karte gesetzt wird. In einigen Bereichen würde es aber sicherlich Sinn machen, mehrere verwandte Anwendungen auf einer Karte zu vereinigen, um die Kartenflut in Grenzen zu halten. So könnte z.B. eine Karte als Fahrausweis für Bus und Bahn dienen. Insgesamt befinden sich Smartcards noch in einer recht frühen Entwicklungsphase, so daß zuverlässige Prognosen kaum möglich sind.
Der Einsatz von Smartcards ist regional sehr unterschiedlich. Während Europa hier führend ist, hinken die USA hinterher. Die meisten Deutschen haben inzwischen eine mit einem Chip ausgestattete EC-Karte, welche damit auch als Geldkarte eingesetzt werden kann. In den USA dagegen dominieren bisher Kreditkarten, die lediglich einen Magnetstreifen haben. Doch das wird sich bald ändern. Die führenden Kreditkartenunternehmen haben mit der Umstellung auf Smartcards mit erweiterter Funktionalität begonnen. Allein Visa und Mastercard wollen dort innerhalb eines Jahres 10 Mio. Smartcards ausgeben.
Es ist überhaupt noch sehr viel im Fluß begriffen bei neuartigen Zahlungsmethoden, insbesondere für die Anwendung im Internet. Einerseits wird die Nutzung der Geldkarte angestrebt, wofür jeder Anwender einen Smartcardleser am PC bräuchte (siehe auch bei SCM). Andererseits wird ist das Bezahlen per Handy mit digitaler Signatur intensiv diskutiert. Daran arbeitet u.a. das mobile Electronic Signature Consortium (mSign), das mit D2, T-Mobil, Siemens, mehreren Banken sowie den großen Smartcardherstellern Schlumberger und Gemplus gewichtig besetzt ist. Diese Methode erscheint interessant für Handel und Verbraucher, da die ohnehin schon vorhandene Infrastruktur der Mobiltelefonie benutzt werden kann. Es sind weder zusätzliche Karten noch Leser erforderlich, denn die vorhandene SIM-Karte im Handy wird benutzt. Für die Smartcardwirtschaft entsteht so aber kaum höheres Umsatzpotential, höchstens dadurch, daß es einen zusätzlichen Grund für den Besitz eines Handys gibt. Dies sind nur zwei Beispiele für eine Vielzahl von Möglichkeiten, die mit oder ohne Smartcards funktionieren. Welche sich schließlich durchsetzen werden und wer folglich davon in welchem Maße profitieren wird, ist heute noch völlig offen.
Die Unternehmen
Wir nehmen sechs Unternehmen des Neuen Marktes unter die Lupe, die in verschiedenen Bereichen des Smartcardmarktes tätig sind. Zunächst ein vereinfachender Kurzüberblick:
ACG ist Broker für Smartcards und Chips.
Amatech entwickelt und produziert kontaktlose Smartcards u.ä. (Transponder, Tags, Smart Labels, Reader, Software).
Mühlbauer stellt u.a. Maschinen für die Produktion aller Arten von Smartcards her.
OTI entwickelt Lösungen mit kontaktlosen Smartcards (auch Dual Interface) und stellt die entsprechenden Karten und Leser her.
SCM entwickelt und produziert Kartenleser.
Winter ist Kartenhersteller mit Schwerpunkt auf hohe Sicherheitsanforderungen.
Zwischen den hier betrachteten Unternehmen bestehen vereinzelt Geschäftsbeziehungen. So ist ACG für Winter sowohl Lieferant von Chips als auch Vertriebspartner für Karten. Chiphersteller sind in dieser Gruppe nicht vertreten. Die Chips werden im wesentlichen von Großunternehmen wie Infineon, Hitachi, Mifare, Motorola, Philips usw. hergestellt, haben bei diesen aber einen relativ unbedeutenden Umsatzanteil.
ACG
ACG in Wiesbaden ist in erster Linie ein Chip- und Chipkartenbroker, hat aber durch viele Akquisitionen seine Angebotspalette stark erweitert, und ist damit im Smartcardbereich auf dem Weg zum Komplettanbieter. Broker bedeutet bei ACG mehr als Händler. Das Unternehmen tritt als virtueller Produzent auf, d.h. ACG läßt Chipkarten herstellen und vertreibt diese weltweit.
Es findet die Zusammenführung zwischen Angebot und Nachfrage auf einem intransparenten Markt statt, womit häufig auch intensive Beratung verbunden ist. ACG beliefert auch Chipkartenhersteller mit Chips und Modulen, und sorgt für den Ausgleich von Bedarfsschwankungen und zu hohen Lagerbeständen (Shortage Management und Excess Inventory Management). Zunehmende Bedeutung gewinnen kontaktlose SIM-Karten.
Von den hier betrachteten Unternehmen ist ACG weltweit am breitesten positioniert. An 24 internationalen Standorten- darunter Frankreich und USA - ist ACG vertreten, nachdem seit dem Börsengang im Juli 1999 bereits 20 Übernahmen kleinerer Karten- und Chipbroker getätigt wurden. Obwohl ACG hauptsächlich für ihre Smartcardaktivitäten bekannt ist, trug dieser Bereich im 1. Halbjahr 2000 gerade einmal 22% zum Gesamtumsatzes bei. Der weitaus größere Teil entfiel auf das Chipbrokerage (ähnlich wie die ebenfalls am Neuen Markt vertretene CE Consumer, aber in anderen Produktbereichen). Der Schwerpunkt wird hier auf das Excess Inventory-Management gelegt, wo attraktive Margen mit der Weitervermittlung von überschüssigen Beständen erzielt werden. Sollte sich ein Ende der gegenwärtigen Knappheitssituation bei vielen Chips abzeichnen, dürfte das Chipbrokerage jedoch deutlich an Attraktivität verlieren. Voraussichtlich wird zukünftig bei den Smartcards, insbesondere den kontaktlosen, ein höheres Wachstum erreicht. Dort sollten sich auch die höheren Margen erzielen lassen, da anspruchsvollere Dienstleistungen angeboten werden als bei den Chips. Gegenwärtig leiden die Gewinne von ACG unter den Abschreibungen der Firmenwerte der zahlreichen Akquisitionen. Für das 1. Halbjahr 2000 mußte daher ein kleiner Verlust von 0,03 Euro je Aktie ausgewiesen werden. Aufgrund der gegenwärtig sehr unsteten Entwicklung mit den vielen Übernahmen ist schwer abzuschätzen, ob für das Gesamtjahr ein positives Ergebnis erreicht wird. Statt eigener Schätzungen stützen wir uns in diesem Fall auf eine Studie der Credit Suisse First Boston von Ende August, die immerhin einen kleinen Gewinn von 0,05 Euro je Aktie erwarten läßt, bevor im nächsten Jahr eine Vervielfachung auf 0,76 Euro einsetzen soll. Das Wachstum soll auch weiterhin sowohl organisch als auch durch Zukäufe erfolgen. Eine eigene Fertigung bzw. Übernahme von Produzenten ist nicht geplant. Zukünftig soll der Handel verstärkt per Internet abgewickelt werden. ACG ist Vertriebspartner für Infineon. Die Siemens-Tochter beliefert selbst direkt nur die großen Chipkartenhersteller, ACG die mittleren u. kleinen Unternehmen.
Amatech
Die in Pfronten ansässige Amatech ist erst seit dem 13. Juli 2000 am Neuen Markt. Das Unternehmen konzentriert sich praktisch ausschließlich auf kontaktlose Techniken. Basierend auf einer durch zahlreiche Patente geschützten Technologie entwickelt Amatech die Produkte selbst und fertigt sie auf ebenso eigenentwickelten Produktionsanlagen. Diese ermöglichen die kostengünstige Massenproduktion, da ein Transponder (Minifunkgerät) in nur einer Sekunde hergestellt werden kann. Zu den Produkten gehören nicht nur Karten, sondern verschiedenste Arten von kontaktlosen Tags, u.a. auch solche für die Tieridentifikation. In letzter Zeit wurde die Produktpalette um die entsprechenden kontaktlosen Lesegeräte und dazugehörige Software erweitert.
Wir gehen davon aus, daß Amatech in etwa so schnell wachsen kann wie der Markt für kontaktlose Systeme, also deutlich schneller als der gesamte Smartcardbereich. Amatech selbst spricht von 100% jährlichem Wachstum des Marktes für Hochfrequenztransponder, in dem das Unternehmen hauptsächlich tätig ist. Dagegen erscheinen die Prognosen des eigenen Umsatzwachstums mit etwa 75% schon fast konservativ. Amatech ist mit voraussichtlich etwa 21 Mio. Euro Umsatz in diesem Jahr noch recht klein. Dennoch reklamiert das Unternehmen für sich einen Weltmarktanteil von 60% bei Hochfrequenz-RFID-Systemen. Ein großer Zugewinn an Marktanteilen kann folglich nicht mehr erwartet werden. Damit ist Amatech in hohem Maße abhängig vom Wachstum des Gesamtmarktes. Die schnelle technische Entwicklung in diesem Bereich wird auch erhebliche Anstrengungen erfordern, um nicht gegen den Wettbewerb zurückzufallen. Hilfreich sind hier Kooperationen mit namhaften Unternehmen wie Philips. Die internationale Position soll durch Kooperationen und Beteiligungen noch verstärkt werden. Bisher ist Amatech in Irland vertreten sowie in den USA, wo Smartcards für Motorola hergestellt werden. Am 23. Oktober 2000 hat Amatech bekannt gegeben, daß man den amerikanischen Kreditkartenhersteller NBS Cardsystems übernehmen will. Der tatsächliche Vollzug der Übernahme wird in einigen Wochen erwartet. NBS hat bisher nur Magnetstreifenkarten produziert, technologisch ist das Unternehmen also nicht besonders interessant. Strategisch bedeutender erscheint die Möglichkeit, die vorhandene Kundenbasis für Amatech zu gewinnen.
Mühlbauer
Die in Roding beheimatete Mühlbauer ist in unserem Vergleich einzigartig. Sie stellt Anlagen zur Produktion von Smartcards her, sowohl für kontaktbehaftete als auch kontaktlose Karten. Dabei ist das Unternehmen außerordentlich erfolgreich, wie an den erreichten Marktanteilen ersichtlich ist. In Deutschland werden fast alle Smartcards (90 bis 95%) auf Anlagen von Mühlbauer produziert, weltweit sind es immerhin 40 bis 50%. Selbst wenn diese Schätzungen von Credit Suisse zu hoch gegriffen sein sollten, wird auf jeden Fall die starke Marktstellung von Mühlbauer deutlich. Es ist auch nicht abzusehen, daß sich diese verschlechtern wird. Mit einer Verdreifachung der Produktionskapazität, die im April 2001 abgeschlossen werden soll, ist Mühlbauer für das weitere Wachstum gut gerüstet. Gleichzeitig stellen laufende Verbesserungen der Produkte und der Fertigungsprozesse die zukünftige Konkurrenzfähigkeit sicher.
Auch Mühlbauer will vom beginnenden USA-Boom profitieren, dazu soll dort wahrscheinlich ein Wettbewerber übernommen werden. Mühlbauer stellt auch Anlagen für die Herstellung anderer Karten her, nämlich Multimediakarten. Diese enthalten mehrere Megabyte Flash-Speicher und werden in Digitalkameras, MP3-Playern etc. eingesetzt. Aufgrund der bisher hohen Preise dieser Speicher und auch der entsprechenden Geräte gab es noch nicht den durchschlagenden Markterfolg. Doch mittelfristig eröffnet sich auch hier großes Potential. Mit fallenden Preisen und gleichzeitig stetig steigender Leistungsfähigkeit ist die weitgehende Ablösung der konventionellen Fotografie durch die elektronische nur noch eine Frage der Zeit.
Neben dem Smartcardbereich, der zuletzt für ca. 40% des Umsatzes sorgte, hat Mühlbauer auch bedeutende Geschäftsbereiche, die überhaupt nichts mit Karten zu tun haben. Das Unternehmen kommt ursprünglich aus der Produktion von Präzisionsteilen und komplexen Systemen für die Medizintechnik, Automobilindustrie sowie Luft- und Raumfahrt. Dieser Bereich besteht immer noch, doch die höchste Bedeutung haben heute Produkte für die Halbleiterindustrie. Darunter fallen Anlagen zur Herstellung von Leuchtdioden sowie für die sogenannte Semiconductor Backend-Fertigung. Während bei Leuchtdioden mit einem recht kontinuierlichem Wachstum von etwa 25% jährlich zu rechnen ist, muß bei anderen Halbleitern eventuell auch mit zyklischen Abschwüngen gerechnet werden.
OTI (On Track Innovations)
Als in Israel ansässiges Unternehmen wird OTI (On Track Innovations) durch die gegenwärtig dort herrschende Krisensituation belastet. Doch das ist nicht allein der Grund für den drastischen Kursverfall der letzten Monate. Seit der Übertreibung im März hat die Aktie fast 80% verloren. Die beim Börsengang abgegeben Prognosen haben sich als viel zu optimistisch erwiesen. So fiel 1999 der Verlust mit 1,9 Mio. USD fast doppelt so hoch aus, wie angestrebt. Und im 1. Halbjahr 2000 wurde sogar ein Verlust von 2,9 Mio. USD eingefahren, was die Planung von 3 Mio. USD Gewinn zur Utopie werden läßt. Insbesondere die Ausgaben für Marketing und Vertrieb sind geradezu explodiert und betragen mehr als die Hälfte des Umsatzes.
Ähnlich wie Amatech konzentriert sich OTI ausschließlich auf die als zukunftsträchtig erachteten kontaktlosen Lösungen. Dennoch wird der Schwerpunkt ganz anders gesetzt. Während es bei Amatech vor allem um die Produktion geht, beschäftigt sich OTI vornehmlich mit der Entwicklung von konkreten Anwendungen für die Technologie. OTI hat zwar etliche interessante Lösungen, doch es bleibt fraglich, inwieweit damit größere Markterfolge realisiert werden können. So gibt es etwa ein System für das einfache Bezahlen an Tankstellen, welches allerdings recht aufwendig ist. Es erfordert u.a. auch Installationen am Auto. Für die heutigen Tankstellen erscheint es eher als Nachteil, daß damit der Gang in den Verkaufsraum überflüssig wird, da i.d.R. mit dem Verkauf anderer Artikel mehr verdient wird als mit dem Benzin. Für Fuhrparks könnte das System eher von Interesse sein, doch ist das kein Massenmarkt. Eine andere Anwendung ist ein komfortabler Ersatz für Parkuhren und Parkscheinautomaten. Hier dürfte die Durchsetzung schwierig sein, wenn nicht sofort eine hohe Flächendeckung erreicht wird. Ansonsten hätten auswärtige Besucher einer Stadt Probleme. In Israel führt OTI das Parksystem landesweit ein, aber derartige Erfolge außerhalb des Heimatlandes sind zweifelhaft. Am wahrscheinlichsten sind wohl Erfolge beim öffentlichen Personentransport. Hier gibt es schon einen Auftrag aus China über zunächst 1 Mio. Smartcards, in den nächsten beiden Jahren werden darauf basierend noch erheblich größere Folgeaufträge erwartet. Allerdings geht das Geschäft nicht unmittelbar an OTI, sondern läuft über ein Joint-venture namens OTI Asia Pacific. Auch in Chicago läuft ein Pilotprojekt im Transportbereich, an dem OTI indirekt über eine Kooperation mit dem US-Unternehmen Cubic Transportation Systems beteiligt ist.
Der Schwerpunkt liegt bei OTI zwar auf der Projektentwicklung, doch inzwischen wurden auch diverse Unternehmen der Wertschöpfungskette (Chipdesign, Karten- und Leser) übernommen. Da OTI aber weiterhin stark von einzelnen Projekten abhängt, ist der Geschäftserfolg schwer kalkulierbar. Frühere Prognosen des Unternehmens haben sich als viel zu optimistisch erwiesen, das Erreichen der Gewinnzone ist weiter in die Zukunft gerückt. Einerseits entwickeln sich die Umsätze schleppender als geplant, andererseits ist die Kostenentwicklung aus dem Ruder gelaufen. Bisher gab es fast nur Pilotprojekte, die jeweils hohen Entwicklungsaufwand erfordern, aber gleichzeitig nur wenig Umsatz bringen. Die Phantasie besteht darin, daß aufbauend auf den zuvor entwickelten Lösungen und dabei gemachten Erfahrungen zukünftige größere Aufträge wesentlich schneller und erfolgreicher abgewickelt werden können, doch bis jetzt ist das nicht viel mehr als eine Hoffnung. Es besteht die Gefahr, daß die kleine OTI sich nicht gegen größere Wettbewerber behaupten kann. Bevor die Anzeichen für einen Erfolg des Geschäftsmodells deutlicher werden, raten wir trotz des stark ermäßigten Kurses von einer Investition in OTI ab.
SCM Microsystems
Die ursprünglich deutsche SCM ist seit 1996 in den USA beheimatet. SCM entwickelt in erster Linie Smartcardlesegeräte für verschiedene Einsatzzwe-cke. Dazu gehören digitales Fernsehen, Netzwerksicherheit, Bezahlung und/oder Authentifizierung im Internet. Hauptsächlich zielt SCM auf Fälle, bei denen ein Lesegerät i.d.R. für nur eine Smartcard eingesetzt wird. Hier sollen hohe Stückzahlen abgesetzt werden, während bei anderen Anwendungen, wie in Bankautomaten, die möglichen Absatzzahlen begrenzt wären. Weiterhin beschränkt sich SCM auf das höherwertige Produktsegment und verzichtet auf das Angebot einfacher Geräte, die z.B. nur das Guthaben auf einer Geldkarte auslesen und anzeigen können.
SCM setzt darauf, daß die Geldkarte sich als Zahlungssystem im Internet durchsetzen wird. Insbesondere in Deutschland hat diese Karte schon sehr weite Verbreitung gefunden, da die meisten EC-Karten inzwischen mit einem Geldkartenchip ausgestattet sind. Schon 50 Mio. Stück sind im Umlauf, doch wird bisher die Geldkartenfunktion fast nicht benutzt. Um dies zu ändern, ist SCM eine Kooperation mit Giesecke & Devrient (früher hauptsächlich im Geldscheindruck tätig) eingegangen. Dabei will SCM zunächst 150.000 Geldkartenleser inkl. Zifferntastatur und Display zum Anschluß an PC liefern, und damit einen Umsatz in der Größenordnung zwischen 4,5 und 6 Mio. USD erzielen. Die Geldkarte weist gegenüber vielen anderen Zahlungsmethoden niedrigere Transaktionskosten auf (2 Pfennig plus 0,3% vom Umsatz gegenüber ca. 3% bei Kreditkarten), ist aber auf einen maximalen Betrag von 400 DM begrenzt. Ob wirklich eine weite Verbreitung dieser Kartenleser erreicht werden kann, ist noch ungewiß. Allein für die Bezahlfunktion erscheinen sie mit ca. 100 DM etwas teuer. Aber darüber hinaus wird das Gerät auch für die digitale Unterschrift einsetzbar sein, die unter anderem auch
rechtsverbindliche Transaktionen mit Behörden über das Internet ermöglichen wird. Bisher fehlen allerdings auch noch die rechtlichen Voraussetzungen, um mit einem solchen Gerät zu Hause seine Geldkarte aufladen zu können, damit ist aber bald zu rechnen. Wir konnten auch noch nicht erfahren, wer der Endabnehmer der Geräte sein soll. Idealerweise würde es sich um eine Onlinebank handeln, die die Smartcardleser an alle ihre Kunden verteilt, aber das ist zur Zeit Spekulation. Es wäre auch möglich, daß die Kartenleser zur Standardausstattung von PCs werden, doch zumindest kurzfristig ist dies unwahrscheinlich.
Neben Smartcardlesern stellt SCM auch Interfaces für das Auslesen und Beschreiben von Mutimediakarten, z.B. für MP3-Player, her. Da diese Karten aber noch sehr teuer sind, lassen größere Erfolge in diesem Bereich auf sich warten. Weiterhin hat SCM sich durch einige Akquisitionen in angrenzende Bereiche ausgedehnt. So werden auch digitale Fernsehreceiver angeboten sowie Lösungen für die digitale Videobearbeitung und die digitale Fotografie. Beim digitalen Fernsehen erwartet man ein großes Potential, wenn in den nächsten Jahren voraussichtlich das bisherige Quasimonopol der D-Boxen von Leo Kirch durch einen offenen Standard abgelöst werden soll. Zwar ist SCM technisch sehr gut positioniert, doch mangelt es bisher an der durchschlagenden Umsetzung in kommerzielle Erfolge. Die Erwartungen der Anleger wurden mehrfach grob enttäuscht.
Winter
Das 1924 gegründete Unternehmen war früher hauptsächlich im Druck von Wertpapieren, Schecks u.ä. tätig, und stellt seit 1993 Karten her. Die bestehenden intensiven Beziehungen zu vielen Banken und Sparkassen sollen als Basis für den starken Ausbau des Smartcard-Geschäftes genutzt werden. Winter hat zur Zeit einen Exportanteil von etwa 25%. U.a. wird in die wichtigsten europäischen Länder, Indonesien und Südafrika geliefert. Nach Südamerika bestehen auch schon Beziehungen. Der nächste wichtige Schritt soll in die USA gehen, wo voraussichtlich ein Kartenproduzent übernommen wird. Akquisitionen sind auch zum Einstieg in neue Produktbereiche und zur Verstärkung der Marktposition geplant. Die Produktion erfolgt bisher ausschließlich in Deutschland. Als direktester Wettbewerber von Winter ist Giesecke & Devrient anzusehen, welche ebenfalls aus dem Wertpapierdruck kommen. Diese sind aber nicht an der Börse notiert.
Winter ging als letztes Unternehmen in diesem Vergleich erst am 25. September 2000 an die Börse. Winter sieht sich als Dienstleister rund um das Thema Karte und Sicherheit. Es wird ein Gesamtpaket angeboten, von der Beratung über Herstellung der Karte und Entwicklung der Software bis zum Versand an einzelne Kunden. Produkte sind insbesondere Geld-, Kredit-, Mobilfunk- sowie Zugangs- und Identifizierungskarten. Damit will Winter schneller wachsen als der Markt, um sich von Platz 10 der Kartenhersteller mindestens auf Platz 6 vorzuarbeiten. Mit dem selbst gesteckten Ziel, die Umsätze um jährlich ca. 30% zu steigern, dürften sich solche Marktanteilsgewinne allerdings nicht realisieren lassen. In diesen 30% sind aber noch keine Akquisitionen etc. enthalten, die aus den Mitteln des Börsenganges möglich wären.
Ergänzend zum Kartengeschäft baut Winter ein Trust Center für digitale Signaturen auf. Dort werden digitale Schlüssel generiert, ausgegeben und verwaltet, die für die Authentifizierung von Personen im Internet mittels PKI (Public Key Infrastructure) erforderlich sind. Das Projekt stützt sich im wesentlichen auf die vorhandenen, besonders gesicherten Gebäude, befindet sich jedoch noch in einer frühen Phase. Eine Abschätzung sich daraus ergebender Erträge ist bisher noch nicht möglich, da es sich nicht nur für Winter um ein völlig neues Geschäft handelt.
Die große Konkurrenz
Unsere Auswahl von Unternehmen soll nicht den Eindruck erwecken, daß diese den Smartcardmarkt weitgehend unter sich aufteilen. Vielmehr wird der Markt zum großen Teil von einigen Großunternehmen dominiert. Allein die französische Gemplus hatte 1999 einen Marktanteil von ca. 33%, ist aber nicht börsennotiert. Weiterhin von großer Bedeutung ist der börsennotierte Großkonzern Schlumberger. Für diesen stellen Smartcards jedoch einen zu kleinen Geschäftsbereich dar, als daß er sich für diesen Bewertungsvergleich eignen würde. In Deutschland ist schließlich die wiederum nicht an der Börse gehandelte Giesecke & Devrient stark (siehe Kooperation mit SCM). Es muß damit gerechnet werden, daß diese großen Player sich nicht kampflos Marktanteile abnehmen lassen.
Geschäftsergebnisse und Bewertung
Wir verzichten an dieser Stelle auf die bei uns sonst übliche Berechnung von Ertragswerten für die einzelnen Unternehmen. Dies hätte bei sechs Unternehmen den Rahmen gesprengt. Zudem sind in dieser sehr dynamischen Branche Prognosen über viele Jahre ohnehin mit Vorsicht zu genießen. Das haben die Beispiele OTI und SCM deutlich gezeigt. In späteren Updates, voraussichtlich nach den Ergebnissen des Jahres 2000, werden wir aber Ertragswerte nachliefern.
Dem Kurs/Umsatz-Verhältnis messen wir hier nur untergeordnete Bedeutung zu, da es aufgrund der unterschiedlichen Geschäftsfelder nicht vergleichbar ist. Wir stützen uns zur Bewertung vor allem auf das KGV des Jahres 2001 im Verhältnis zur durchschnittlichen Wachstumsrate der Gewinne der folgenden Jahre bis 2004 (PEG-Ratio). Aufgrund der Kennzahlen der obigen Tabelle kommen wir unter Berücksichtigung von Chancen und Risiken zu folgenden Urteilen:
Fazit
Die sechs Unternehmen in diesem Vergleich sind zwar in der gleichen Brache tätig, dennoch unterscheiden sich ihre Wachstumspotentiale und die Chancen-/Risikoverhältnisse erheblich. Wie so oft, wird auch hier eine hohe Wachstumschance i.d.R. mit höheren Risiken erkauft. Das zeigt sich besonders deutlich bei OTI, welche in starkem Maße vom Erfolg einzelner Projekte abhängig ist. Sollte sich dort die Geschäftsentwicklung durch die erfolgreiche Abwicklung großer Aufträge wesentlich verbessern, könnte schnell erhebliches Kurspotential entstehen, doch ist das bisher noch nicht absehbar. Die Vergangenheit mahnt hier zur Vorsicht, da mehrfach Ziele grob verfehlt wurden. Mühlbauer ist das gegensätzliche Beispiel. Ergebnisse und Aktienkurs zeigen eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung, doch ist aus unserer Sicht inzwischen eine zu hohe Bewertung erreicht. Das gilt insbesondere, da Mühlbauer auch stark mit dem Halbleiterbereich verbunden ist. Ein zyklischer Abschwung im Halbleitermarkt könnte zumindest vorübergehend das bisher kontinuierliche Wachstum stark verlangsamen. In nächster Zeit rechnen wir aber nicht damit.
Daß die Smartcards eine vielversprechende Zukunft vor sich haben, steht fest. Nicht ganz so sicher ist, daß diese Zukunft lange anhält. Es gibt auch schon Entwicklungen für Geräte, die auf der Größe einer Smartcard (bei etwas größerer Dicke) einen kompletten Computer mit Touchscreendisplay als Tastatur beinhalten. Diese Minicomputer könnten neben vielen anderen Funktionen auch gleich eine ganze Sammlung verschiedener Smartcards ablösen. Daran arbeitet z.B. die irische Firma E-Pass (die nicht an der Börse notiert ist). Ob sich das Konzept durchsetzen kann, weiß heute noch niemand. Wenn es sich aber durchsetzt, dürften unsere sechs Unternehmen alle darunter zu leiden haben, da ihre heutigen Technologien bzw. Aktivitäten damit entwertet würden.
Jost Niggemann
Smartcards
Smart Money?
Am Neuen Markt tummeln sich mittlerweile etliche Unternehmen, die mit Smartcards ihr Geld verdienen oder es wenigstens versuchen. Dabei unterscheiden sich die Tätigkeitsfelder zwischen den einzelnen Firmen erheblich. Zum Teil sind sie in starkem Maße auch in völlig anderen Geschäftsbereichen engagiert. In dieser Analyse wollen wir beleuchten, was die Smartcard-Unternehmen unterscheidet, und wo sich ein Investment lohnen könnte.
Was sind Smartcards?
Wir alle haben täglich mit diversen Plastikkarten zu tun, z.B. Telefonkarte, Kreditkarte, EC-Karte, Krankenkassenkarte. Sind das nun alles Smartcards? Smartcards im engeren Sinne zeichnen sich dadurch aus, daß sie einen Mikroprozessor, also einen winzigen Computer, enthalten. Sie werden daher auch als Prozessorkarten bezeichnet. Im Gegensatz dazu stehen einfachere Karten, die nur mit einem Magnetstreifen ausgestattet sind. Durch den Mikrochip verfügen Smartcards über eine gewisse Intelligenz, sie können also nicht nur Informationen speichern (i.d.R. mehr als auf einem Magnetstreifen), sondern auch kompliziertere Funktionen übernehmen. Sie müssen auch nicht unbedingt von vornherein für eine bestimmte Aufgabe konzipiert sein, sondern könnten mittels eines Lesegerätes am PC über das Internet mit neuen Funktionen (z.B. als Busfahrkarte) geladen werden. Weiterhin können innerhalb der Karte die Daten verschlüsselt und vor unbefugten Zugriff geschützt werden.
Für den Laien äußerlich nicht von den eigentlichen Smartcards zu unterscheiden sind Speicherkarten, welche nur einen Speicherchip enthalten, aber keine Intelligenz. Speicherkarten und Smartcards werden unter dem Oberbegriff Chipkarten zusammengefaßt. In der Regel werden diese Begriffe allerdings nicht eindeutig getrennt, so daß einfach alle Chipkarten (Speicher und Prozessor) als Smartcards bezeichnet werden. Dieser Sprachregelung schließen wir uns im Folgenden an, da auch die meisten Firmen sowohl die einfachen Speicher- als auch die komplizierteren Prozessorkarten im Programm haben.
Smartcards lassen sich nun wiederum in zwei Kate-gorien einordnen: Einerseits gibt es kontaktbehaftete Karten, die in einen Kartenleser gesteckt werden (bzw. fest im Handy eingebaut). Diese sind äußerlich an den goldenen Metallkontakten erkennbar. Die überwiegende Mehrheit der Smartcards ist in dieser Weise aufgebaut. Noch nicht so weit verbreitet sind kontaktlose Karten, die mittels einer eingebauten Antenne berührungsfrei funktionieren. So könnte beispielsweise automatisch im Vorbeigehen beim Einsteigen die Busfahrt bezahlt werden. Die kontaktlosen Systeme werden auch RFID (Radio Frequency Identification) genannt. Diese Karten enthalten einen sogenannten Transponder, sozusagen ein Minifunkgerät, das die berührungslose Datenübertragung und auch die Energieversorgung der Karte über elektromagnetische Felder ermöglicht. Zu den Vorteilen der kontaktlosen Karten gehören neben der komfortableren und schnelleren Funktion die Verschleißfreiheit sowohl der Karte als auch des Lesegerätes. Oftmals werden die kontaktlose und kontaktbehaftete Technik auch in einer Karte integriert (Dual Interface). Eng mit den kontaktlosen Smartcards verwandt sind sogenannte Tags. Sie funktionieren prinzipiell genauso, können aber die unterschiedlichsten Formen annehmen. Sie sind i.d.R. deutlich kleiner und können z.B. als Klebeetikett an Objekten angebracht oder auch in ihnen integriert werden. Man kann sie sogar Tieren implantieren, um sie aus sicherer Entfernung eindeutig identifizieren zu können (Stichworte BSE und Kampfhunde).
Die Einsatzmöglichkeiten für Smartcards sind sehr vielfältig: Telefonkarte, Geldkarte, SIM-Karte im Handy, Zeiterfassung, Bezahlung und/oder sichere Identifizierung im Internet bzw. per Handy, Homebanking, Zugangskontrolle, Fahrausweis. In vielen Fällen ist die wesentlich preiswertere Speicherkarte ausreichend, etwa für Telefonkarten und Krankenkassenkarten, während die prominentesten Anwendungen der Prozessorkarte die Geldkarte und die SIM-Karte (Subscriber Identity Module) im Handy sind.
Große Bedeutung können Smartcards für sichere Transaktionen per Internet oder Mobiltelefon erlangen, wobei sie eine eindeutige Identifikation des Benutzers und/oder die Bezahlung ermöglichen. Sofern dies per Handy erfolgt, wird allerdings keine zusätzliche Karte benötigt, sondern die ohnehin im Gerät eingebaute SIM-Karte wird genutzt. Zur Verbesserung der Sicherheit werden Smartcards bald auch zusammen mit biometrischen Erkennungsverfahren (Fingerabdruck oder Stimme) zum Einsatz kommen. Diese Techniken sollen zukünftig sogar direkt in die Karten integriert werden. In Finnland werden Smartcards auch schon als Personalausweis eingesetzt. Damit ist u.a. die sichere Kommunikation mit Behörden per Internet möglich, z.B. zur Meldung eines Adresswechsels. Ein Beispiel, das wahrscheinlich auch in anderen Ländern Schule machen wird.
Der Markt
Der Markt für Smartcards erscheint sehr attraktiv. Eine häufig zitierte Prognose von Dataquest, die allerdings aus dem Jahr 1998 stammt, läßt Wachstumsraten von über 30% p.a. für die nächsten Jahre erwarten, im Jahr 2002 sollen 6,8 Mrd. USD Umsatz mit Smartcards erreicht werden. In Teilbereichen ist das Wachstumstempo deutlich schneller. Insbesondere der Bereich Netzwerksicherheit soll mit etwa 100% jährlich wachsen. Auch die kontaktlosen Techniken haben weit überdurchschnittliches Wachstumspotential. Gleichzeitig ist zu beobachten, daß einfache Speicherkarten allmählich gegenüber den aufwendigeren Prozessorkarten an Bedeutung verlieren. Ein Unsicherheitsfaktor für das Marktwachstum liegt quasi im technischen Fortschritt bzw. in der Fähigkeit moderner Smartcards, für mehrere Anwendungen gleichzeitig einsetzbar zu sein. Sollte von dieser Möglichkeit verstärkt Gebrauch gemacht werden, würde der Anstieg des Stückzahlbedarfs zwangsläufig begrenzt. Das wäre logischerweise negativ für die beteiligten Unternehmen, wenn auch ein gewisser Ausgleich dadurch erfolgt, daß die Multikarten einen höheren Stückpreis haben. Wir halten es aber für unwahrscheinlich, daß zukünftig alles auf eine Karte gesetzt wird. In einigen Bereichen würde es aber sicherlich Sinn machen, mehrere verwandte Anwendungen auf einer Karte zu vereinigen, um die Kartenflut in Grenzen zu halten. So könnte z.B. eine Karte als Fahrausweis für Bus und Bahn dienen. Insgesamt befinden sich Smartcards noch in einer recht frühen Entwicklungsphase, so daß zuverlässige Prognosen kaum möglich sind.
Der Einsatz von Smartcards ist regional sehr unterschiedlich. Während Europa hier führend ist, hinken die USA hinterher. Die meisten Deutschen haben inzwischen eine mit einem Chip ausgestattete EC-Karte, welche damit auch als Geldkarte eingesetzt werden kann. In den USA dagegen dominieren bisher Kreditkarten, die lediglich einen Magnetstreifen haben. Doch das wird sich bald ändern. Die führenden Kreditkartenunternehmen haben mit der Umstellung auf Smartcards mit erweiterter Funktionalität begonnen. Allein Visa und Mastercard wollen dort innerhalb eines Jahres 10 Mio. Smartcards ausgeben.
Es ist überhaupt noch sehr viel im Fluß begriffen bei neuartigen Zahlungsmethoden, insbesondere für die Anwendung im Internet. Einerseits wird die Nutzung der Geldkarte angestrebt, wofür jeder Anwender einen Smartcardleser am PC bräuchte (siehe auch bei SCM). Andererseits wird ist das Bezahlen per Handy mit digitaler Signatur intensiv diskutiert. Daran arbeitet u.a. das mobile Electronic Signature Consortium (mSign), das mit D2, T-Mobil, Siemens, mehreren Banken sowie den großen Smartcardherstellern Schlumberger und Gemplus gewichtig besetzt ist. Diese Methode erscheint interessant für Handel und Verbraucher, da die ohnehin schon vorhandene Infrastruktur der Mobiltelefonie benutzt werden kann. Es sind weder zusätzliche Karten noch Leser erforderlich, denn die vorhandene SIM-Karte im Handy wird benutzt. Für die Smartcardwirtschaft entsteht so aber kaum höheres Umsatzpotential, höchstens dadurch, daß es einen zusätzlichen Grund für den Besitz eines Handys gibt. Dies sind nur zwei Beispiele für eine Vielzahl von Möglichkeiten, die mit oder ohne Smartcards funktionieren. Welche sich schließlich durchsetzen werden und wer folglich davon in welchem Maße profitieren wird, ist heute noch völlig offen.
Die Unternehmen
Wir nehmen sechs Unternehmen des Neuen Marktes unter die Lupe, die in verschiedenen Bereichen des Smartcardmarktes tätig sind. Zunächst ein vereinfachender Kurzüberblick:
ACG ist Broker für Smartcards und Chips.
Amatech entwickelt und produziert kontaktlose Smartcards u.ä. (Transponder, Tags, Smart Labels, Reader, Software).
Mühlbauer stellt u.a. Maschinen für die Produktion aller Arten von Smartcards her.
OTI entwickelt Lösungen mit kontaktlosen Smartcards (auch Dual Interface) und stellt die entsprechenden Karten und Leser her.
SCM entwickelt und produziert Kartenleser.
Winter ist Kartenhersteller mit Schwerpunkt auf hohe Sicherheitsanforderungen.
Zwischen den hier betrachteten Unternehmen bestehen vereinzelt Geschäftsbeziehungen. So ist ACG für Winter sowohl Lieferant von Chips als auch Vertriebspartner für Karten. Chiphersteller sind in dieser Gruppe nicht vertreten. Die Chips werden im wesentlichen von Großunternehmen wie Infineon, Hitachi, Mifare, Motorola, Philips usw. hergestellt, haben bei diesen aber einen relativ unbedeutenden Umsatzanteil.
ACG
ACG in Wiesbaden ist in erster Linie ein Chip- und Chipkartenbroker, hat aber durch viele Akquisitionen seine Angebotspalette stark erweitert, und ist damit im Smartcardbereich auf dem Weg zum Komplettanbieter. Broker bedeutet bei ACG mehr als Händler. Das Unternehmen tritt als virtueller Produzent auf, d.h. ACG läßt Chipkarten herstellen und vertreibt diese weltweit.
Es findet die Zusammenführung zwischen Angebot und Nachfrage auf einem intransparenten Markt statt, womit häufig auch intensive Beratung verbunden ist. ACG beliefert auch Chipkartenhersteller mit Chips und Modulen, und sorgt für den Ausgleich von Bedarfsschwankungen und zu hohen Lagerbeständen (Shortage Management und Excess Inventory Management). Zunehmende Bedeutung gewinnen kontaktlose SIM-Karten.
Von den hier betrachteten Unternehmen ist ACG weltweit am breitesten positioniert. An 24 internationalen Standorten- darunter Frankreich und USA - ist ACG vertreten, nachdem seit dem Börsengang im Juli 1999 bereits 20 Übernahmen kleinerer Karten- und Chipbroker getätigt wurden. Obwohl ACG hauptsächlich für ihre Smartcardaktivitäten bekannt ist, trug dieser Bereich im 1. Halbjahr 2000 gerade einmal 22% zum Gesamtumsatzes bei. Der weitaus größere Teil entfiel auf das Chipbrokerage (ähnlich wie die ebenfalls am Neuen Markt vertretene CE Consumer, aber in anderen Produktbereichen). Der Schwerpunkt wird hier auf das Excess Inventory-Management gelegt, wo attraktive Margen mit der Weitervermittlung von überschüssigen Beständen erzielt werden. Sollte sich ein Ende der gegenwärtigen Knappheitssituation bei vielen Chips abzeichnen, dürfte das Chipbrokerage jedoch deutlich an Attraktivität verlieren. Voraussichtlich wird zukünftig bei den Smartcards, insbesondere den kontaktlosen, ein höheres Wachstum erreicht. Dort sollten sich auch die höheren Margen erzielen lassen, da anspruchsvollere Dienstleistungen angeboten werden als bei den Chips. Gegenwärtig leiden die Gewinne von ACG unter den Abschreibungen der Firmenwerte der zahlreichen Akquisitionen. Für das 1. Halbjahr 2000 mußte daher ein kleiner Verlust von 0,03 Euro je Aktie ausgewiesen werden. Aufgrund der gegenwärtig sehr unsteten Entwicklung mit den vielen Übernahmen ist schwer abzuschätzen, ob für das Gesamtjahr ein positives Ergebnis erreicht wird. Statt eigener Schätzungen stützen wir uns in diesem Fall auf eine Studie der Credit Suisse First Boston von Ende August, die immerhin einen kleinen Gewinn von 0,05 Euro je Aktie erwarten läßt, bevor im nächsten Jahr eine Vervielfachung auf 0,76 Euro einsetzen soll. Das Wachstum soll auch weiterhin sowohl organisch als auch durch Zukäufe erfolgen. Eine eigene Fertigung bzw. Übernahme von Produzenten ist nicht geplant. Zukünftig soll der Handel verstärkt per Internet abgewickelt werden. ACG ist Vertriebspartner für Infineon. Die Siemens-Tochter beliefert selbst direkt nur die großen Chipkartenhersteller, ACG die mittleren u. kleinen Unternehmen.
Amatech
Die in Pfronten ansässige Amatech ist erst seit dem 13. Juli 2000 am Neuen Markt. Das Unternehmen konzentriert sich praktisch ausschließlich auf kontaktlose Techniken. Basierend auf einer durch zahlreiche Patente geschützten Technologie entwickelt Amatech die Produkte selbst und fertigt sie auf ebenso eigenentwickelten Produktionsanlagen. Diese ermöglichen die kostengünstige Massenproduktion, da ein Transponder (Minifunkgerät) in nur einer Sekunde hergestellt werden kann. Zu den Produkten gehören nicht nur Karten, sondern verschiedenste Arten von kontaktlosen Tags, u.a. auch solche für die Tieridentifikation. In letzter Zeit wurde die Produktpalette um die entsprechenden kontaktlosen Lesegeräte und dazugehörige Software erweitert.
Wir gehen davon aus, daß Amatech in etwa so schnell wachsen kann wie der Markt für kontaktlose Systeme, also deutlich schneller als der gesamte Smartcardbereich. Amatech selbst spricht von 100% jährlichem Wachstum des Marktes für Hochfrequenztransponder, in dem das Unternehmen hauptsächlich tätig ist. Dagegen erscheinen die Prognosen des eigenen Umsatzwachstums mit etwa 75% schon fast konservativ. Amatech ist mit voraussichtlich etwa 21 Mio. Euro Umsatz in diesem Jahr noch recht klein. Dennoch reklamiert das Unternehmen für sich einen Weltmarktanteil von 60% bei Hochfrequenz-RFID-Systemen. Ein großer Zugewinn an Marktanteilen kann folglich nicht mehr erwartet werden. Damit ist Amatech in hohem Maße abhängig vom Wachstum des Gesamtmarktes. Die schnelle technische Entwicklung in diesem Bereich wird auch erhebliche Anstrengungen erfordern, um nicht gegen den Wettbewerb zurückzufallen. Hilfreich sind hier Kooperationen mit namhaften Unternehmen wie Philips. Die internationale Position soll durch Kooperationen und Beteiligungen noch verstärkt werden. Bisher ist Amatech in Irland vertreten sowie in den USA, wo Smartcards für Motorola hergestellt werden. Am 23. Oktober 2000 hat Amatech bekannt gegeben, daß man den amerikanischen Kreditkartenhersteller NBS Cardsystems übernehmen will. Der tatsächliche Vollzug der Übernahme wird in einigen Wochen erwartet. NBS hat bisher nur Magnetstreifenkarten produziert, technologisch ist das Unternehmen also nicht besonders interessant. Strategisch bedeutender erscheint die Möglichkeit, die vorhandene Kundenbasis für Amatech zu gewinnen.
Mühlbauer
Die in Roding beheimatete Mühlbauer ist in unserem Vergleich einzigartig. Sie stellt Anlagen zur Produktion von Smartcards her, sowohl für kontaktbehaftete als auch kontaktlose Karten. Dabei ist das Unternehmen außerordentlich erfolgreich, wie an den erreichten Marktanteilen ersichtlich ist. In Deutschland werden fast alle Smartcards (90 bis 95%) auf Anlagen von Mühlbauer produziert, weltweit sind es immerhin 40 bis 50%. Selbst wenn diese Schätzungen von Credit Suisse zu hoch gegriffen sein sollten, wird auf jeden Fall die starke Marktstellung von Mühlbauer deutlich. Es ist auch nicht abzusehen, daß sich diese verschlechtern wird. Mit einer Verdreifachung der Produktionskapazität, die im April 2001 abgeschlossen werden soll, ist Mühlbauer für das weitere Wachstum gut gerüstet. Gleichzeitig stellen laufende Verbesserungen der Produkte und der Fertigungsprozesse die zukünftige Konkurrenzfähigkeit sicher.
Auch Mühlbauer will vom beginnenden USA-Boom profitieren, dazu soll dort wahrscheinlich ein Wettbewerber übernommen werden. Mühlbauer stellt auch Anlagen für die Herstellung anderer Karten her, nämlich Multimediakarten. Diese enthalten mehrere Megabyte Flash-Speicher und werden in Digitalkameras, MP3-Playern etc. eingesetzt. Aufgrund der bisher hohen Preise dieser Speicher und auch der entsprechenden Geräte gab es noch nicht den durchschlagenden Markterfolg. Doch mittelfristig eröffnet sich auch hier großes Potential. Mit fallenden Preisen und gleichzeitig stetig steigender Leistungsfähigkeit ist die weitgehende Ablösung der konventionellen Fotografie durch die elektronische nur noch eine Frage der Zeit.
Neben dem Smartcardbereich, der zuletzt für ca. 40% des Umsatzes sorgte, hat Mühlbauer auch bedeutende Geschäftsbereiche, die überhaupt nichts mit Karten zu tun haben. Das Unternehmen kommt ursprünglich aus der Produktion von Präzisionsteilen und komplexen Systemen für die Medizintechnik, Automobilindustrie sowie Luft- und Raumfahrt. Dieser Bereich besteht immer noch, doch die höchste Bedeutung haben heute Produkte für die Halbleiterindustrie. Darunter fallen Anlagen zur Herstellung von Leuchtdioden sowie für die sogenannte Semiconductor Backend-Fertigung. Während bei Leuchtdioden mit einem recht kontinuierlichem Wachstum von etwa 25% jährlich zu rechnen ist, muß bei anderen Halbleitern eventuell auch mit zyklischen Abschwüngen gerechnet werden.
OTI (On Track Innovations)
Als in Israel ansässiges Unternehmen wird OTI (On Track Innovations) durch die gegenwärtig dort herrschende Krisensituation belastet. Doch das ist nicht allein der Grund für den drastischen Kursverfall der letzten Monate. Seit der Übertreibung im März hat die Aktie fast 80% verloren. Die beim Börsengang abgegeben Prognosen haben sich als viel zu optimistisch erwiesen. So fiel 1999 der Verlust mit 1,9 Mio. USD fast doppelt so hoch aus, wie angestrebt. Und im 1. Halbjahr 2000 wurde sogar ein Verlust von 2,9 Mio. USD eingefahren, was die Planung von 3 Mio. USD Gewinn zur Utopie werden läßt. Insbesondere die Ausgaben für Marketing und Vertrieb sind geradezu explodiert und betragen mehr als die Hälfte des Umsatzes.
Ähnlich wie Amatech konzentriert sich OTI ausschließlich auf die als zukunftsträchtig erachteten kontaktlosen Lösungen. Dennoch wird der Schwerpunkt ganz anders gesetzt. Während es bei Amatech vor allem um die Produktion geht, beschäftigt sich OTI vornehmlich mit der Entwicklung von konkreten Anwendungen für die Technologie. OTI hat zwar etliche interessante Lösungen, doch es bleibt fraglich, inwieweit damit größere Markterfolge realisiert werden können. So gibt es etwa ein System für das einfache Bezahlen an Tankstellen, welches allerdings recht aufwendig ist. Es erfordert u.a. auch Installationen am Auto. Für die heutigen Tankstellen erscheint es eher als Nachteil, daß damit der Gang in den Verkaufsraum überflüssig wird, da i.d.R. mit dem Verkauf anderer Artikel mehr verdient wird als mit dem Benzin. Für Fuhrparks könnte das System eher von Interesse sein, doch ist das kein Massenmarkt. Eine andere Anwendung ist ein komfortabler Ersatz für Parkuhren und Parkscheinautomaten. Hier dürfte die Durchsetzung schwierig sein, wenn nicht sofort eine hohe Flächendeckung erreicht wird. Ansonsten hätten auswärtige Besucher einer Stadt Probleme. In Israel führt OTI das Parksystem landesweit ein, aber derartige Erfolge außerhalb des Heimatlandes sind zweifelhaft. Am wahrscheinlichsten sind wohl Erfolge beim öffentlichen Personentransport. Hier gibt es schon einen Auftrag aus China über zunächst 1 Mio. Smartcards, in den nächsten beiden Jahren werden darauf basierend noch erheblich größere Folgeaufträge erwartet. Allerdings geht das Geschäft nicht unmittelbar an OTI, sondern läuft über ein Joint-venture namens OTI Asia Pacific. Auch in Chicago läuft ein Pilotprojekt im Transportbereich, an dem OTI indirekt über eine Kooperation mit dem US-Unternehmen Cubic Transportation Systems beteiligt ist.
Der Schwerpunkt liegt bei OTI zwar auf der Projektentwicklung, doch inzwischen wurden auch diverse Unternehmen der Wertschöpfungskette (Chipdesign, Karten- und Leser) übernommen. Da OTI aber weiterhin stark von einzelnen Projekten abhängt, ist der Geschäftserfolg schwer kalkulierbar. Frühere Prognosen des Unternehmens haben sich als viel zu optimistisch erwiesen, das Erreichen der Gewinnzone ist weiter in die Zukunft gerückt. Einerseits entwickeln sich die Umsätze schleppender als geplant, andererseits ist die Kostenentwicklung aus dem Ruder gelaufen. Bisher gab es fast nur Pilotprojekte, die jeweils hohen Entwicklungsaufwand erfordern, aber gleichzeitig nur wenig Umsatz bringen. Die Phantasie besteht darin, daß aufbauend auf den zuvor entwickelten Lösungen und dabei gemachten Erfahrungen zukünftige größere Aufträge wesentlich schneller und erfolgreicher abgewickelt werden können, doch bis jetzt ist das nicht viel mehr als eine Hoffnung. Es besteht die Gefahr, daß die kleine OTI sich nicht gegen größere Wettbewerber behaupten kann. Bevor die Anzeichen für einen Erfolg des Geschäftsmodells deutlicher werden, raten wir trotz des stark ermäßigten Kurses von einer Investition in OTI ab.
SCM Microsystems
Die ursprünglich deutsche SCM ist seit 1996 in den USA beheimatet. SCM entwickelt in erster Linie Smartcardlesegeräte für verschiedene Einsatzzwe-cke. Dazu gehören digitales Fernsehen, Netzwerksicherheit, Bezahlung und/oder Authentifizierung im Internet. Hauptsächlich zielt SCM auf Fälle, bei denen ein Lesegerät i.d.R. für nur eine Smartcard eingesetzt wird. Hier sollen hohe Stückzahlen abgesetzt werden, während bei anderen Anwendungen, wie in Bankautomaten, die möglichen Absatzzahlen begrenzt wären. Weiterhin beschränkt sich SCM auf das höherwertige Produktsegment und verzichtet auf das Angebot einfacher Geräte, die z.B. nur das Guthaben auf einer Geldkarte auslesen und anzeigen können.
SCM setzt darauf, daß die Geldkarte sich als Zahlungssystem im Internet durchsetzen wird. Insbesondere in Deutschland hat diese Karte schon sehr weite Verbreitung gefunden, da die meisten EC-Karten inzwischen mit einem Geldkartenchip ausgestattet sind. Schon 50 Mio. Stück sind im Umlauf, doch wird bisher die Geldkartenfunktion fast nicht benutzt. Um dies zu ändern, ist SCM eine Kooperation mit Giesecke & Devrient (früher hauptsächlich im Geldscheindruck tätig) eingegangen. Dabei will SCM zunächst 150.000 Geldkartenleser inkl. Zifferntastatur und Display zum Anschluß an PC liefern, und damit einen Umsatz in der Größenordnung zwischen 4,5 und 6 Mio. USD erzielen. Die Geldkarte weist gegenüber vielen anderen Zahlungsmethoden niedrigere Transaktionskosten auf (2 Pfennig plus 0,3% vom Umsatz gegenüber ca. 3% bei Kreditkarten), ist aber auf einen maximalen Betrag von 400 DM begrenzt. Ob wirklich eine weite Verbreitung dieser Kartenleser erreicht werden kann, ist noch ungewiß. Allein für die Bezahlfunktion erscheinen sie mit ca. 100 DM etwas teuer. Aber darüber hinaus wird das Gerät auch für die digitale Unterschrift einsetzbar sein, die unter anderem auch
rechtsverbindliche Transaktionen mit Behörden über das Internet ermöglichen wird. Bisher fehlen allerdings auch noch die rechtlichen Voraussetzungen, um mit einem solchen Gerät zu Hause seine Geldkarte aufladen zu können, damit ist aber bald zu rechnen. Wir konnten auch noch nicht erfahren, wer der Endabnehmer der Geräte sein soll. Idealerweise würde es sich um eine Onlinebank handeln, die die Smartcardleser an alle ihre Kunden verteilt, aber das ist zur Zeit Spekulation. Es wäre auch möglich, daß die Kartenleser zur Standardausstattung von PCs werden, doch zumindest kurzfristig ist dies unwahrscheinlich.
Neben Smartcardlesern stellt SCM auch Interfaces für das Auslesen und Beschreiben von Mutimediakarten, z.B. für MP3-Player, her. Da diese Karten aber noch sehr teuer sind, lassen größere Erfolge in diesem Bereich auf sich warten. Weiterhin hat SCM sich durch einige Akquisitionen in angrenzende Bereiche ausgedehnt. So werden auch digitale Fernsehreceiver angeboten sowie Lösungen für die digitale Videobearbeitung und die digitale Fotografie. Beim digitalen Fernsehen erwartet man ein großes Potential, wenn in den nächsten Jahren voraussichtlich das bisherige Quasimonopol der D-Boxen von Leo Kirch durch einen offenen Standard abgelöst werden soll. Zwar ist SCM technisch sehr gut positioniert, doch mangelt es bisher an der durchschlagenden Umsetzung in kommerzielle Erfolge. Die Erwartungen der Anleger wurden mehrfach grob enttäuscht.
Winter
Das 1924 gegründete Unternehmen war früher hauptsächlich im Druck von Wertpapieren, Schecks u.ä. tätig, und stellt seit 1993 Karten her. Die bestehenden intensiven Beziehungen zu vielen Banken und Sparkassen sollen als Basis für den starken Ausbau des Smartcard-Geschäftes genutzt werden. Winter hat zur Zeit einen Exportanteil von etwa 25%. U.a. wird in die wichtigsten europäischen Länder, Indonesien und Südafrika geliefert. Nach Südamerika bestehen auch schon Beziehungen. Der nächste wichtige Schritt soll in die USA gehen, wo voraussichtlich ein Kartenproduzent übernommen wird. Akquisitionen sind auch zum Einstieg in neue Produktbereiche und zur Verstärkung der Marktposition geplant. Die Produktion erfolgt bisher ausschließlich in Deutschland. Als direktester Wettbewerber von Winter ist Giesecke & Devrient anzusehen, welche ebenfalls aus dem Wertpapierdruck kommen. Diese sind aber nicht an der Börse notiert.
Winter ging als letztes Unternehmen in diesem Vergleich erst am 25. September 2000 an die Börse. Winter sieht sich als Dienstleister rund um das Thema Karte und Sicherheit. Es wird ein Gesamtpaket angeboten, von der Beratung über Herstellung der Karte und Entwicklung der Software bis zum Versand an einzelne Kunden. Produkte sind insbesondere Geld-, Kredit-, Mobilfunk- sowie Zugangs- und Identifizierungskarten. Damit will Winter schneller wachsen als der Markt, um sich von Platz 10 der Kartenhersteller mindestens auf Platz 6 vorzuarbeiten. Mit dem selbst gesteckten Ziel, die Umsätze um jährlich ca. 30% zu steigern, dürften sich solche Marktanteilsgewinne allerdings nicht realisieren lassen. In diesen 30% sind aber noch keine Akquisitionen etc. enthalten, die aus den Mitteln des Börsenganges möglich wären.
Ergänzend zum Kartengeschäft baut Winter ein Trust Center für digitale Signaturen auf. Dort werden digitale Schlüssel generiert, ausgegeben und verwaltet, die für die Authentifizierung von Personen im Internet mittels PKI (Public Key Infrastructure) erforderlich sind. Das Projekt stützt sich im wesentlichen auf die vorhandenen, besonders gesicherten Gebäude, befindet sich jedoch noch in einer frühen Phase. Eine Abschätzung sich daraus ergebender Erträge ist bisher noch nicht möglich, da es sich nicht nur für Winter um ein völlig neues Geschäft handelt.
Die große Konkurrenz
Unsere Auswahl von Unternehmen soll nicht den Eindruck erwecken, daß diese den Smartcardmarkt weitgehend unter sich aufteilen. Vielmehr wird der Markt zum großen Teil von einigen Großunternehmen dominiert. Allein die französische Gemplus hatte 1999 einen Marktanteil von ca. 33%, ist aber nicht börsennotiert. Weiterhin von großer Bedeutung ist der börsennotierte Großkonzern Schlumberger. Für diesen stellen Smartcards jedoch einen zu kleinen Geschäftsbereich dar, als daß er sich für diesen Bewertungsvergleich eignen würde. In Deutschland ist schließlich die wiederum nicht an der Börse gehandelte Giesecke & Devrient stark (siehe Kooperation mit SCM). Es muß damit gerechnet werden, daß diese großen Player sich nicht kampflos Marktanteile abnehmen lassen.
Geschäftsergebnisse und Bewertung
Wir verzichten an dieser Stelle auf die bei uns sonst übliche Berechnung von Ertragswerten für die einzelnen Unternehmen. Dies hätte bei sechs Unternehmen den Rahmen gesprengt. Zudem sind in dieser sehr dynamischen Branche Prognosen über viele Jahre ohnehin mit Vorsicht zu genießen. Das haben die Beispiele OTI und SCM deutlich gezeigt. In späteren Updates, voraussichtlich nach den Ergebnissen des Jahres 2000, werden wir aber Ertragswerte nachliefern.
Dem Kurs/Umsatz-Verhältnis messen wir hier nur untergeordnete Bedeutung zu, da es aufgrund der unterschiedlichen Geschäftsfelder nicht vergleichbar ist. Wir stützen uns zur Bewertung vor allem auf das KGV des Jahres 2001 im Verhältnis zur durchschnittlichen Wachstumsrate der Gewinne der folgenden Jahre bis 2004 (PEG-Ratio). Aufgrund der Kennzahlen der obigen Tabelle kommen wir unter Berücksichtigung von Chancen und Risiken zu folgenden Urteilen:
Fazit
Die sechs Unternehmen in diesem Vergleich sind zwar in der gleichen Brache tätig, dennoch unterscheiden sich ihre Wachstumspotentiale und die Chancen-/Risikoverhältnisse erheblich. Wie so oft, wird auch hier eine hohe Wachstumschance i.d.R. mit höheren Risiken erkauft. Das zeigt sich besonders deutlich bei OTI, welche in starkem Maße vom Erfolg einzelner Projekte abhängig ist. Sollte sich dort die Geschäftsentwicklung durch die erfolgreiche Abwicklung großer Aufträge wesentlich verbessern, könnte schnell erhebliches Kurspotential entstehen, doch ist das bisher noch nicht absehbar. Die Vergangenheit mahnt hier zur Vorsicht, da mehrfach Ziele grob verfehlt wurden. Mühlbauer ist das gegensätzliche Beispiel. Ergebnisse und Aktienkurs zeigen eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung, doch ist aus unserer Sicht inzwischen eine zu hohe Bewertung erreicht. Das gilt insbesondere, da Mühlbauer auch stark mit dem Halbleiterbereich verbunden ist. Ein zyklischer Abschwung im Halbleitermarkt könnte zumindest vorübergehend das bisher kontinuierliche Wachstum stark verlangsamen. In nächster Zeit rechnen wir aber nicht damit.
Daß die Smartcards eine vielversprechende Zukunft vor sich haben, steht fest. Nicht ganz so sicher ist, daß diese Zukunft lange anhält. Es gibt auch schon Entwicklungen für Geräte, die auf der Größe einer Smartcard (bei etwas größerer Dicke) einen kompletten Computer mit Touchscreendisplay als Tastatur beinhalten. Diese Minicomputer könnten neben vielen anderen Funktionen auch gleich eine ganze Sammlung verschiedener Smartcards ablösen. Daran arbeitet z.B. die irische Firma E-Pass (die nicht an der Börse notiert ist). Ob sich das Konzept durchsetzen kann, weiß heute noch niemand. Wenn es sich aber durchsetzt, dürften unsere sechs Unternehmen alle darunter zu leiden haben, da ihre heutigen Technologien bzw. Aktivitäten damit entwertet würden.
Jost Niggemann