Wo habe ich das schon einmal gehört ?

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Wo habe ich das schon einmal gehört ? Wolkenstein

Wo habe ich das schon einmal gehört ?

 
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"Wir können die Zahl der Arbeitslosen bis zum Jahr 2005 halbieren"
Peter Hartz, Leiter der Regierungskommission Arbeitsmarktreform

 
Flotte Sprüche haben im Wahlkampf Konjunktur. Meist steckt dahinter jedoch ein komplizierter Sachverhalt. Bis zur Bundestagswahl am 22. September überprüft die SZ an dieser Stelle regelmäßig wirtschaftspolitische Aussagen und stellt sie in den Zusammenhang. Heute: Die Arbeitslosenstatistik.
An der Beschäftigungspolitik entscheidet sich nach verbreiteter Ansicht die Bundestagswahl. Am Abbau der Arbeitslosigkeit hatte sich SPD-Kanzler Gerhard Schröder messen lassen wollen und in besseren Zeiten leichtsinnig eine konkrete Zahl vorgegeben: Nicht mehr als 3,5 Millionen Arbeitslose sollten es zum Ende der Legislaturperiode sein. Das Ziel wird weit verfehlt (Grafik). Nicht mehr bis zur Wahl, aber längerfristig könnte der Kanzler Erfolg haben, wenn er auf die von ihm eingesetzte Expertenkommission unter Vorsitz des VW-Personalvorstands Peter Hartz hört. Diese erarbeitet derzeit Vorschläge für umfangreiche und schmerzhafte Arbeitsmarktreformen. Hartz ist zuversichtlich, die Zahl der Arbeitslosen binnen drei Jahren auf zwei Millionen halbieren zu können.

Die Zahl klingt gut, ist aber nur beschränkt aussagefähig. Auch die derzeitigen 3,95 Millionen sind kein absoluter Wert. Der monatlich „aus Nürnberg“ gemeldete Wasserstand der Bundesanstalt für Arbeit (BA) umfasst jeden, der als arbeitslos registriert ist; ein Drittel aller Arbeitslosen aber, so Schätzungen, suchen gar keinen Job. Entsprechend liegen die BA-Zahlen weit über den Werten etwa der EU-Kommission, aber auch des Statistischen Bundesamtes. Diese Behörden orientieren sich an internationalen Definitionen, wonach arbeitslos nur ist, wer tatsächlich ohne Arbeit ist, innerhalb von zwei Wochen eine Beschäftigung aufnehmen kann und in den letzten vier Wochen selbst eine Arbeit gesucht hat.

So gesehen, fiele mancher aus der Nürnberger Statistik: der Teilzeitarbeiter etwa, der 14 Stunden die Woche arbeitet, aber gerne eine Stunde drauflegen würde; der Beschäftigungslose, der bereits einen Arbeitsvertrag unterschrieben hat, aber bis zum Start noch „Stütze“ bezieht; der 58-jährige Vorruheständler, der gar nicht vermittelt werden will. Umgekehrt rechnen Arbeitsmarktexperten die Nichtregistrierten ein und sprechen von bis zu sechs Millionen tatsächlich Jobsuchenden. Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) wollte im Februar die Statistik „bereinigen“ und für mehr Transparenz sorgen. Da dies nach Manipulation aussah, hat er das Projekt auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben. Auch Hartz- Halbierungsziel lebt teilweise von der Umwidmung der Statistik.
Fazit: Die einzig gültige aktuelle Arbeitslosenzahl gibt es nicht. Dennoch hat die übliche Statistik aus Nürnberg ihren Wert: Sie zählt diejenigen, die vom Staat fürs Nichtstun bezahlt werden. Und noch eine Zahl: Von allen Erwerbsfähigen sind in Deutschland gerade einmal 65
Prozent erwerbstätig, anderswo in Europa sind das wesentlich mehr. Der deutsche Arbeitsmarkt ist dringend reformbedürftig. Die Hartz-Kommission will dazu Anstöße geben.


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