Meinung der FAZ vom 25.09.06:
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Chemieindustrie
Warum steigt die Aktie von Verion Filaments?
25. September 2006
Bei manchen Aktien kommt es einem manchmal vor, als ob man eine einzelne Matrioschka-Puppe gefunden hätte. Man weiß nicht so recht - gibt es noch eine größere und ist dann das die Mutter? Da muß man schon genauer hinschauen.
So geht es auch mit der Aktie von Verion Filaments, deren Kurs sich seit ihrem Debüt Mitte August mittlerweile auf 3,40 Euro verdoppelt hat. Verion Filaments ist eine Tochter der Beteiligungsgesellschaft Pongs & Zahn und seinerseits die Mutter der Laufaron GmbH, die sie im Juli rückwirkend zum 1. Januar 2006 übernahm.
Der lange Weg der Laufaron
Laufaron ist ein Polyamiderzeuger, besser bekannt als ein teil des ehemaligen Chemiefaserkombinats Guben, das unter anderem die berühmte Ost-Kunstfaser Dederon (DDR-on)fertigte.
Laufaron war ursprünglich im Dezember 2003 vom Kunststoffhersteller Ponachem übernommen worden, der seinerseits wiederum zu 90 Prozent zu Pongs & Zahn gehört. Laufaron hatte seinerseits damals das gesamte Betriebsvermögen der in Guben ansässigen Lausitzer Teppichfaserwerk GmbH übernommen.
Verkäufer war damals die Maltzahn-Gruppe. Jasper v. Maltzahn hatte 1993 von der Treuhand den Teppichfaser-Bereich des Chemiefaserkombinats erworben. Das kurz „Laufa“ genannte Unternehmen fertigte ausschließlich BCF-Garne aus Polyamid 6 für Teppichhersteller in Deutschland, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten.
Aus dem Chemiefaserkombinat
Mit Polyamid 6 schließt sich der Kreis abermals. Denn Pongs & Zahn hatte bereits 1999 von der Laufa den Geschäftsbereich Polymerisation erworben, der heute als Unylon Polymers eine 100prozentige Tochter der Unylon AG ist, deren Großaktionär wiederum Pongs & Zahn ist, der die Unylon Polymers in den Jahren 2002 und 2003 in einen Börsenmantel einbrachte.
Die neue Muttergesellschaft Verion Filaments wird das starke Umsatzwachstum der Laufaron nach einer Pressemeldung vom Juli durch ein umfangreiches Investitionsprogramm begleiten, das bis Mitte 2007 am Standort in Guben zu mehr als einer Verdoppelung der Produktionskapazitäten führen werde. Danach werde Laufaron zu den vier größten unabhängigen, daher nicht vorwärts integrierten Polyamidspinnereien weltweit zählen.
Langer Rede, kurzer Sinn: Unylon und Verion Filaments sind historisch gesehen zwei Teile des ehemaligen Chemiefaserkombinats Guben.
Im Verbund mit Unylon
Warum nun die Aktie der Verion Filaments so heftig zulegt, darum kann nur geraten werden. Denn Ponachem ist nicht börsennotiert und so gibt es keine Dokumente, die über den Erfolg der Laufaron Auskunft geben. Die Maltzahn-Gruppe kann nicht unbedingt zufrieden gewesen sein, aber dies ist nunmehr fast drei Jahre her. Auch die Verion Filaments hat noch keine Ergebnisse veröffentlicht.
Joachim Schlennstedt, Vorstandschef von Pongs & Zahn gab sich im Juli jedenfalls optimistisch: „Mit diesen Schritten sichern wir nicht nur den Produktionsstandort Guben für das dort traditionell angesiedelte Filamentgeschäft, sondern uns bei High Tech-Garnen auch längerfristig einen adäquaten Marktanteil. Dabei nutzen wir die spezifischen geographischen Standortvorteile ebenso wie die Einbindung in die Nylon Chain zusammen mit der dort
ebenfalls ansässigen Polyamidproduktion der Unylon.“
Pongs & Zahn hat für die Jahre 2005 und 2004, in denen Laufaron zu Ponachem gehörte, keine Berichterstattung für die Tochtergesellschaften vorgelegt. Ponachem firmierte im August 2005 außerdem zur Quintos Real Estate AG um, während das Kunststoffgeschäft in der Tochter Ponachem Compound GmbH aufging, die wiederum von Pongs & Zahn zu 90 Prozent erworben wurde. Das Werk in Bremen und der Standort Brandenburg sollten damals verkauft werden - bei letzterem handelte es sich wieder um Laufaron.
Marktkapitalisierung erscheint nicht völlig abwegig
Für das erste Halbjahr 2005 - also vor der Umfirmierung und dem Verkauf der Laufaron - konstatierte die heutige Quintos einen Fehlbetrag von 500.000 Euro. 2003 betrug die Gesamtleistung der Ponachem 54,3 Millionen Euro, 2004 - also nach dem Laufaron-Erwerb wurde ein Umsatz von 68,8 Millionen prognostiziert.
Das alles sind lediglich Anhaltspunkte über die ungefähre Größe der Laufaron, verwertbare Daten sind es letztlich nicht. Warum also die Aktie steigt - wer weiß es zu sagen? Die Marktkapitalisierung beläuft sich bei zehn Millionen Aktien auf aktuell 34,4 Millionen Euro. Das erscheint zumindest nicht als vollkommen abwegig. Mehr läßt sich aber nicht sagen. Ob dies nun einer Bewertung mit dem Doppelten des Umsatzes oder dessen Hälfte ist, wird sich erst noch weisen müssen.
Schwierige Kunststoffindustrie
Wer also jetzt einsteigt, tut dies gewissermaßen blind. Zumal der Chemiefasermarkt nicht ganz einfach ist. Unylon konnte im ersten Halbjahr den Umsatz um 3,8 Prozent steigern. Das Ergebnis vor Steuern (EBT) kam mit einem Minus von 84.000 Euro gegenüber dem ausgeglichenen Ergebnis der Vorjahresperiode nicht so recht vom Fleck.
Zwar sei man bis Ende des Jahres ausgelastet, dennoch werde der Umsatz nur etwa 72 Millionen Euro betragen, was in etwa der (seinerzeit verfehlten) Prognose für das Vorjahr entspricht. Auch das EBT werde nur ausgeglichen sein. 2005 hatte man eine „schwarze Null“ prognostiziert, aber mit einem Verlust von 1,2 Millionen Euro abgeschlossen. Zwar sei die Nachfrage im Markt für Kunststoffe und insbesondere Nylon erfreulich hoch, doch führten steigende Energiekosten und hohe Ölpreise insgesamt zu einer Situation zunehmenden Drucks auf die Margen in der Kunststoffindustrie.
Die in dem Beitrag geäußerte Einschätzung gibt die Meinung des Autors und nicht die der F.A.Z.-Redaktion wieder.
Text: @mho
Bildmaterial: FAZ.NET