So, nachdem jetzt auch der DKB-Broker die Aktie aus dem Handel genommen hat, bin ich ausgestiegen.
Selbstverständlich mit herben Verlusten, aber das weiß ich ja nicht erst seit gestern.
Auch zur Bewältigung für mich selbst rekapituliere ich meine Investment-Historie:
Phase 1:
Mein erster Kauf fand im Herbst 2019 bei einem Kurs von ca. 110 statt. Das war kurz nach den ersten Anschuldigungen der Financial Times.
Investment Hypothese: Fehler in der Buchhaltung und Compliance lassen sich viel einfacher abstellen aber operative Probleme. Das operative Geschäft, sprich Wachstum und Profitabilität sind hervorragend und das ist das wichtigste. Ich war mir sicher der Kurs erholt sich wenn der KPMG-Bericht erscheint. Die Anschuldigungen des vorsätzlichen Betrugs hielt ich für ungeheuerlich. Ich war mir sicher, dass ein Unternehmen, dass seine Bilanz fälscht, nicht in den DAX kommen könne, weil DAX-Firmen so hohe Auflagen und Beobachtung erfahren.
Phase 2:
Der KPMG erschien, inklusive lächerlicher Posse um die Veröffentlichung dessen. Ich habe am Vortag eine Verkaufsorder für 140 platziert. Der Kurs stand dann aber auf 138, sprich ich blieb drin.
Investment Hypothese: Der KPMG Bericht war eine forensische Tiefenprüfung, dass diese viele Findings zu Tage befördert ist ja völlig klar. Kein anderer Konzern wird auf diese Weise und so gründlich geprüft. Dass keine Hinweise für Betrug gefunden wurden fand ich positiv. Meine Hypothese war: EY wird das Testat für 2019 erteilen, weil Wirecard ab 2019 eine neue Engine im Einsatz hatte, mit der dann die Buchhaltung auch endlich sauber funktioniert. Ich wollte bis zum Testat warten und dann verkaufen.
Phase 3:
Testat wird nicht erteilt, ich habe nicht sofort verkauft.
Investment Hypothese: Abwarten. Ich hatte da im Prinzip keine Hypothese mehr. Ich war an dem Donnerstag erstmal viel zu sehr geschockt um zu handeln und ich bin sehr vorsichtig was "Panikverkäufe" angeht. Ich konnte auch noch immer nicht glauben, dass alles ein Betrug war.
Ab Montag war der Kurs bereits bei 25. Ich habe weiter gehalten, mit folgender Hypothese: Die Banken werden Wirecard zunächst retten, das wird den Kurs leicht steigen lassen. Dann verkaufe ich.
Phase 4:
Insolvenz
Der Kurs stürzt ab auf 3,50. Meine Aktien waren jetzt beinahe wertlos. Zu verkaufen hätte überhaupt keinen Sinn mehr gemacht. Hoffnung hatte ich keine mehr. Auch keine Hypothese mehr.
Phase 5:
Heute. Ich verkaufe beim Kurs von 6,50. Ob der Kurs im Lauf des Tages nochmal auf 7 oder von aus auch 10 ansteigt ist mir dabei egal. Es geht nicht darum auf den letzten Euro zu optimieren.
Hypothese:
Der Insolvenzverwalter selbst geht davon aus den Konzern zu zerschlagen. Damit ist der letzte Hoffnungsfunken, nämlich dass ein Käufer das Ding als ganze für 15-20 pro Aktie übernimmt vorbei. Die Filetstücke werden genutzt um die FK-Geber zu befriedigen. Es bleibt eine wertlose Hülle zurück an der ich dann Aktien halte.
Es gibt jetzt folglich einfach keine Chance auf einen positiven Ausblick mehr. Der Kurs kann mittelfristig nur noch an unten gehen. Selbst für einen extrem risikoaffinen Investor wie mich ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen zu verkaufen. Mit der Entscheidung kann ich für mich leben. Der Verlust schmerzt natürlich heftig, das ist klar.