Geraten die Börsen in den Vorkriegsmodus?
von Jochen Steffens
So langsam kommt auch in den Medien an, dass der Atomkonflikt zwischen Israel und dem Iran die Märkte belasten könnte. Sie waren natürlich durch den Steffens-Daily schon deutlich vorher über diesen Belastungsfaktor informiert. Dass dieser Faktor nun die Massenmedien erreicht, liegt unter anderem auch daran, dass sich der Streit verschärft. Immer mehr Beobachter rechnen mit einem militärischen Schlag Israels gegen Atomanlagen im Iran.
Und auch etwas anderes, worüber ich hier bereits geschrieben hatte, wird nun von mehreren Seiten als Möglichkeit erkannt: Die Regierung in Israel kommt durch die US-Präsidentschaftswahl immer mehr unter Druck. Denn beide Präsidentschaftskandidaten, sowohl McCain als auch Obama zeigen nicht die gleiche deutliche Haltung gegenüber Teheran, wie Präsident Bush.
Damit liegt die Vermutung nahe, dass ein Angriff gegen Teheran noch in der Amtszeit von George Bush geschehen könnte. Wie ich geschrieben habe, glaube ich jedoch nicht, dass Israel bereits vor der US-Präsidentschaftswahl angreifen wird. Ein „günstiger“ Zeitpunkt aus Sicht Israels wäre demnach der Zeitraum nach den US-Wahlen im November und vor der Vereidigung des neuen Präsidenten im Januar. In dieser Zeit sollte man auf jeden Fall höchst aufmerksam die politische Entwicklung beobachten.
Börsen sind immer sehr früh
Leider kann es gut sein, dass die Börsen bereits im Vorfeld fallen, also in den typischen „Vorkriegsmodus“ übergehen. Das geschieht immer dann über, wenn eine militärische Auseinandersetzung das Wirtschaftswachstum nachhaltig beeinträchtigen „könnte“. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Öl im Spiel ist. Wenn es in einem Konflikt auch noch um Öl geht, ist das natürlich gerade dann sehr brisant, wenn der Ölpreis sowieso schon derart hoch steht, dass die Wirtschaft massiv darunter zu leiden hat.
Das bedeutet, man muss sich zurzeit mal wieder mit militärischen Strategien auseinandersetzen. (Leser, die mich schon seit 2002 lesen, kennen das noch aus dem Umfeld des Irak-Krieges. Damals hatte ich das Gefühl, dass ich mehr als Kriegsberichterstatter, denn als Börsenkommentator agiere. Ich hoffe, dass das so schnell nicht wieder geschieht.).
Sollte Israel die Atomanlagen im Iran angreifen, gibt es eine Vielzahl von möglichen Reaktionen des Irans. Einfrieren der Öllieferungen, Raketen gegen Israel, etc. Doch eines der brisantesten Szenarien ist folgendes:
Wie wir wissen, liegen um den Persischen Golf herum einige der wichtigsten Ölländer der Welt. Um aber vom Persischen Golf aus das offene Meer zu erreichen, müssen all die Tanker durch die Straße von Hormuz (siehe Karte). Durch diese Meerenge werden immerhin 40 Prozent des global gehandelten Öls transportiert!
Einer der Gründe warum der Ölpreis aktuell steigt, ist die Sorge, dass der Iran im Anschluss an einen militärischen Schlag gegen iranische Atomanlagen die Straße von Hormuz „unpassierbar“ macht. Natürlich sind dort auch viele US-Schiffe stationiert und die iranische Marine stellt kaum eine Bedrohung für die dort stationierten Kriegsschiffe dar. Ein offener Konflikt auf See ist also nicht zu erwarten.
Aber kleine, mit Raketen bestückte Schnellboote oder landgestützte Raketen könnten hier unter Umständen dazu beitragen, dass der Tankerverkehr durch diese Meerenge deutlich zurückgeht oder behindert wird.
Ölpreis auf 200 Dollar?
Was dann mit dem Ölpreis passiert, brauche ich Ihnen wohl nicht zu erzählen. Und was mit den Märkten passiert, wenn der Ölpreis vom jetzigen Niveau aus noch einmal explodiert, können Sie sich auch an fünf Fingern abzählen.
Kaufe, wenn die Bomben fallen
Aber Börsen nehmen solche Entwicklungen, wie gesagt, vorweg. Aus diesem Grund ist es durchaus möglich, dass sobald ein solcher Angriff erfolgt, die Märkte anfangen gegen die allgemeine Erwartung zu steigen. Die bekannte, etwas zynisch wirkende Weisheit dazu lautet: „Kaufe, wenn die Bomben fallen“.
Voraussetzungen für diese Börsenweisheit
Allerdings gibt es für diese „Weisheit“ einige Voraussetzungen, die selten genannt werden: Damit das passiert, müssen die Märkte im Vorfeld einer kriegerischen Auseinandersetzung im Hinblick auf diese deutlich gefallen sein. Die Auseinandersetzung muss in den Medien hysterisch verarbeitet werden. Das bedeutet, die Masse der Anleger muss in großer Sorge um diese Auseinandersetzung geraten. Dann kann es zu diesem positiven Effekt kommen, wenn der Konflikt tatsächlich beginnt. Auch hier müssen Sie sich immer wieder bewusst machen, dass die Börse die Zukunft vorweg nimmt. Vor einem Krieg spekuliert sie darauf, dass dieser Krieg anfängt. Sobald er angefangen hat, spekuliert sie aber bereits schon wieder auf ein mögliches Ende.
Nicht beunruhigen lassen
Ich will Sie nicht beunruhigen mit dem heutigen Text. Es geht mir nur darum, die Fakten darzustellen. Gemäßigte Beobachter sprechen davon, dass dieses aktuelle Bedrohungsszenario gegen den Iran eigentlich nur ein „diplomatisches Mittel“ sei, um den Iran endlich dazu zu bringen, im Atomkonflikt einzulenken. Wie ich hier vor einiger Zeit geschrieben habe, passen die bisher fallenden Öllagerbestände in den USA nicht zu einem Szenario der Kriegsvorbereitung. Doch jüngst steigen die Bestände wieder, so dass eine gewisse Sorge angebracht bleibt.
Und es könnte gut sein, dass eben diese Sorge um einen Konflikt zwischen Israel und dem Iran der eigentliche Antreiber des Ölpreises ist und auch einer der Hauptbelastungsfaktoren für den Markt. Es ist jedoch leider im Moment unmöglich, das zu verifizieren.
Auf jeden Fall haben die Börsen in den USA erst einmal ein kleines Reversal hingelegt, das heute auch vom Dax aufgenommen wurde. Noch ist es zu schwach, um von Nachhaltigkeit zu reden, noch wurde auch die 6200er Marke nicht erreicht. Es müsste heute zu Anschlusskäufen kommen, damit dieses Reversal bestätigt wird. Durchaus denkbar ist aber, dass der Nasdaq100 zunächst noch das Gap bei 1800 Punkten schließt und der Dax die 6200 Punkte Marke doch noch testet. Es bleibt also spannend.
Viele Grüße
Ihr
Jochen Steffens
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