Wider die Schwarzmalerei
Von Christopher Nachtweh
Ein Risiko wird von Anlegern derzeit überhaupt nicht beachtet: Dass sich die Aktienmärkte besser entwickeln als erwartet.
Es gibt noch immer eine ganze Reihe von Risiken für die Aktienmärkte. Die erwartete Konjunkturerholung könnte auf sich warten lassen. Die Zinssenkung der US-Notenbank am Dienstag hat wieder wenig Wirkung gezeigt. Vielleicht sind die Gewinnerwartungen der Analysten immer noch zu hoch, und vielleicht schrauben die US-Bürger ihren Konsum doch noch irgendwann zurück.
Okay, das stimmt alles, meint Salomon Smith Barney (SSMB). Aber aktuell gebe es ein Risiko, das unter Investoren fast keine Beachtung finde: dass nämlich die Aktienmärkte sich wesentlich besser entwickeln als erwartet und die Anleger nicht dabei sind. Über die verbreitete Schwarzmalerei könnten Investoren mögliche positive Überraschungen fast übersehen. Als da wären eine Inflation, die geringer ausfällt als erwartet, wieder steigende Gewinnprognosen und vor allem ein sinkender Ölpreis.
Ölpreis wird unterschätzt
Insbesondere der Einfluss des Ölpreises dürfe nicht unterschätzt werden, mahnen die Analysten bei SSMB. Er habe nachdrücklich dazu beigetragen, dass sich das globale Wachstum verlangsamt hat. Nicht, indem er wie früher die Inflation angeheizt, sondern indem er direkt auf die Margen der Unternehmen gedrückt habe. Ein Rückgang des Ölpreises auf unter 20 $ pro Barrel, mit dem das Investmenthaus für das nächste Jahr rechnet, würde sich direkt auf die Unternehmensgewinne auswirken und allen Branchen (mit Ausnahme der Energiewerte) auf die Sprünge helfen.
Wenn durch das billige Öl die Inflation sinkt und die Firmen wieder kräftigere Gewinne einfahren, gibt es laut SSMB nur noch eines, worüber sich Investoren ernsthaft Sorgen machen müssen: dass sie auf viel zu großen Cash-Bergen sitzen.
Davor muss das amerikanische Investmenthaus keine Angst haben. Ihr Cash-Anteil im Portfolio ist äußerst gering, und Aktien sind deutlich übergewichtet. Vor allem US-Titel mag die Bank. Bei einem globalen Aufschwung habe bislang immer der Aktienmarkt des wirtschaftlichen Anführers besser abgeschnitten als die übrigen Märkte, wird dieses Übergewicht begründet. Und daran, dass die USA auch dieses Mal wieder die Rolle des Anführers übernehmen werden, lässt SSMB keinen Zweifel. Darüber hinaus spreche auch die Geschichte für die USA: Bei sechs der vergangenen sieben globalen Aufschwünge habe die Wall Street besser abgeschnitten als die übrigen großen Börsen.
Reformbedarf in Europa
Schwieriger sieht die Entscheidung für die übrigen Regionen aus. Für Europa scheint Folgendes zu sprechen: Die Region sei zweifelsohne in einer wirtschaftlich stärkeren Position als Japan, heißt es einerseits. Auf der anderen Seite sagen die SSMB-Strategen, es sei nicht unwahrscheinlich, dass Europa der globalen Erholung hinterherhänge. Das könne dazu führen, dass sich auch die Aktienmärkte schwächer entwickeln als anderswo. Es fehle ferner immer noch an entscheidenden strukturellen Reformen, die für ein langfristiges Gewinnwachstum auf dem Niveau der USA sorgen könnten.
Für die japanische Wirtschaft sieht es nicht besser aus, sie wird SSMB zufolge auch im kommenden Jahr gar nicht wachsen. Allenfalls geringe Impulse seien von einer weiteren Lockerung der Geldpolitik zu erwarten. Das lässt japanische Aktien ebenso unattraktiv erscheinen wie europäische. Doch sei denkbar, dass sich der Aktienmarkt in Japan eine ganze Weile relativ unabhängig von der konjunkturellen Lage entwickle.
Einen Grund dafür sieht die Bank im mit rund 50 Prozent hohen Anteil an klassischen Zyklikern, die sensibel auf jede Bewegung an den globalen Märkten reagieren würden. Europa und die USA haben nur einen Anteil von 20 bis 30 Prozent solcher Werte. Zudem habe der japanische Markt während der vergangenen vier Aufschwünge auf kurze Sicht besser abgeschnitten als die Börsen Europas.
Daher hat SSMB die Untergewichtung Japans zu Lasten von Europa verringert. Auch einige Emerging Markets, neben asiatischen vor allem Mexiko, hält die Bank für interessant.
Die meisten Manager übergewichten Cash
Mit dieser Strategie zeigt sich Salomon Smith Barney zuversichtlicher als das Gros der von Merrill Lynch befragten Fondsmanager und hat bereits vorweggenommen, was diese erst planen: Die meisten Manager übergewichten aus Vorsicht noch Cash und zeigen sich skeptisch gegenüber Japan und den Emerging Markets, die folgerichtig untergewichtet werden. Allerdings planen 20 Prozent der Befragten, ihren Portfolio-Anteil an japanischen Titeln zu erhöhen.
Lediglich was die USA angeht, herrscht weitgehend Einigkeit: 47 Prozent der Manager übergewichten amerikanische Aktien, und 36 Prozent wollen weitere US-Titel kaufen. Allein schon dies dürfte amerikanische Aktien für die kommenden Monate attraktiv machen.
Favoriten
Die Sektorstrategie der Bank zeigt ihren Optimismus. Zu den Favoriten zählen neben Banken insbesondere zyklische Titel, sofern sie auch strukturell vielversprechend sind. Zu derartigen Werten zählen die Strategen allen voran die Anteile von Medienunternehmen. Sie seien durch den Anzeigenmarkt konjunkturell sensibel und hätten mittelfristig überdurchschnittliche Wachstumsaussichten. Auch Technologie und Luxusgüter übergewichtet SSMB auf Grund ihrer konjunkturellen Abhängigkeit. Darüber hinaus schätzt die Bank so genannte defensive Wachstumstitel wie Gesundheitsaktien, um nicht zu unvorsichtig zu werden.