Lycos Europe (WPK
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Die Nasdaq entdeckt den Neuen Markt
Eine magische Anziehungskraft auf Unternehmen aus fernen Ländern hat der Neue Markt durch seine unglaubliche Erfolgsstory schon seit längerem ausgelöst. Der US-amerikanische Internetgigant Lycos, bekannt als der "ewige Zweite" hinter Yahoo, bringt diesem Vorbild folgend, seine Europaaktivitäten an den Neuen Markt. Zweifelsohne die richtige Börse für die holländischen Tochter, aber hält der Ableger das, was die Kursentwicklung der Mutter verspricht?
Das Unternehmen
Lycos Europe zählt zu den führenden Internetunternehmen in Europa, das eine breite Palette von Angeboten zu bieten hat, die weit über die landläufig bekannte Suchmaschine hinausgehen.
Herzstück sind die Internetportale von Lycos in der jeweiligen Landessprache. Hier ist man in Deutschland, der Schweiz, Spanien, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Frankreich, Schweden, Dänemark und Norwegen vertreten. Dank des guten und sehr bekannten Markennamens genießt man eine ausgezeichnete Marktstellung und hohe Reichweitenzahlen. Im deutschsprachigen Raum beträgt die Reichweite sogar über 35 Prozent (Quelle: MediaMatrix; Dez.99), womit man der Konkurrenz durchaus das Fürchten lehrt. Die Suchmaschine von Lycos gilt als leistungsstark und benutzerfreundlich, zudem ist man auch an Fireball.de, einer der populärsten deutschen Suchmaschinen maßgeblich beteiligt. Der Gratis-eMail-Dienst ist ebenfalls populär, wenn auch bei weitem nicht so sehr wie die Konkurrenzdienste von Hotmail oder GMX. Auch qualitativ ist man hier doch sehr weit von dem Topprodukt in diesem Segment vom Mitbewerber "web.de" entfernt. Web.de bietet bisher als einziger Anbieter einen wirklichen "Multimediadienst", der den Konkurrenten einige Kopfschmerzen bereiten wird. Aber auch bei Lycos Europe wird mit einer baldigen Abtretung weiterer etablierter Marken des amerikanischen Mutterkonzerns im Netz zu Themen wie MP3 oder Internet-Shopping zu rechnen sein.
Zweites Standbein ist der sogenannte Gratis-Webspace-Bereich ("Personal Publishing-Community"), sprich das Geschäftsfeld des Neuer Markt-Pioniers FortuneCity.com. Lycos hat hier mit Tripod eine starke Community etabliert, allerdings ist gerade dieses Geschäftsfeld an der Börse höchst unbeliebt, wie man an den Kursen von FortuneCity.com oder TheGlobe.com sehr deutlich ablesen kann. Als Teil eines Netzwerkes von Internetdienstleistungen, wie es Lycos Europe darstellt, ist aber Tripod durchaus ein sehr nützlicher Bestandteil.
Seit November vergangenen Jahres mischt Lycos auch im Providermarkt mit. Mit dem Internetzugang zum Ortstarif und ohne Grundgebühren konnte "Comundo" nicht zuletzt durch massive Werbekampagnen einen für diesen kurzen Zeitraum beachtlichen Bekanntheitsgrad erreichen. Ob man mit "Comundo" aber in dem mörderischen Wettbewerb bei den Internetprovidern je Geld verdienen wird, das steht in den Sternen.
Was das Geldverdienen betrifft, unterscheidet sich Lycos Europe kaum von den vielen anderen Internetfirmen, die Anleger sollten auch hier eine gehörige Portion Geduld mitbringen. Einnahmen werden abgesehen von "Comundo" über Werbung und Kooperationen erzielt. Bei den Kooperationen erhält Lycos einen prozentualen Anteil an den Bestellungen, die über die Lycosseiten bei den Partnern wie BOL aufgegeben werden. Dieses Provisionssystem erlaubt etwas mehr Planungssicherheit als die "reine" Bannerwerbung, deren zukünftige Preis- und Akzeptanzentwicklung schwer zu prognostizieren ist, wie das Unternehmen in seinem Verkaufsprospekt auch einräumt.
Zahlen und Fakten
Lycos Europe ist eine Megaemission, obwohl nur knapp 14 Prozent der Aktien an die Börse gebracht werden. Aufgrund des großen Emissionsvolumen hat man hier eine Ausnahmegenehmigung der Deutschen Börse erhalten, normalerweise beträgt das Minimum für den Streubesitz am Neuen Markt 20 Prozent.
Das obere Ende der Bookbuildingspanne liegt nicht wie erwartet unter 20 Euro, sondern bei 24 Euro. Und bei 24 Euro würde das Unternehmen eine Marktkapitalisierung von ca. 5,6 Mrd. Euro aufweisen, was doch als sehr ambitioniert erscheinen muss. Den Anlegern reicht dies scheinbar aber immer noch nicht, denn auf Basis der aktuellen Graumarktkurse würde die Marktkapitalisierung bei knapp 10 Mrd. Euro liegen.
Von den Umsätzen der großen Brüder in den USA ist man dabei allerdings noch meilenweit entfernt. Im Geschäftsjahr 1998 erzielte man einen Umsatz von 3,16 Mio. Euro, den man 1999 auf 10,83 Mio. ausweiten konnte. In den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres (1.7.99-31.12.99) verzeichnete man bereits einen Umsatz von 13,61 Mio. Euro. Ein beeindruckendes Umsatzwachstum, beeindruckend ist allerdings auch der Verlust in den letzten sechs Monaten, nämliche über 20 Mio. Euro. Aktuell akzeptiert der Markt ein Umsatzwachstum um jeden Preis bei den Internetaktien, inwieweit das auch in Zukunft so sein wird, muss jeder Anleger selbst entscheiden. Planzahlen für die Umsatz- und Ergebnisentwicklung in den nächsten Geschäftsjahren werden, wie leider so oft, keine abgegeben, was ganz klar als Nachteil für den Anleger angesehen werden muss.
Fazit
Lycos Europe ist ein bestens positioniertes Internetunternehmen, welches über die auch familiären Bande zum Mutterkonzern bzw. zur Bertelsmann AG und den großen Werbekundenstamm am Markt auch eine herausragende Stellung besitzt.
Positiv ist zudem, dass die Umsätze auf einer breiteren Basis stehen als bei den Mitbewerbern, die nur einzelne Segmente abdecken, wie FortuneCity.com oder auch Web.de. Allerdings muss der Anleger diese Qualität enorm teuer bezahlen, eine etwas niedriger angesetzte Bookbuildingspanne wäre durchaus angebracht gewesen, auch wenn die aktuellen Graumarkttaxen den Konsortialführern hier Recht zu geben scheinen. Negativ auch das Fehlen eines Affinity-Programmes, besonders die "Tripod"- und "Comundo"-Nutzer dürften sich hier übergangen fühlen, ein bedauerliches Versäumnis, scheinbar hat man aus den Börsengängen der Konkurrenten "web.de" und "onvista" nicht gelernt, wie man seine eigene Community stärken kann.
Auch wenn das Unternehmen jährlich mit mehr als 100 Prozent wachsen will, bei einer derartig hohen Marktkapitalisierung und der Tatsache, dass die "schwarze Null" erst für das Geschäftsjahr 2003/04 erwartet wird, ist die Aktie von Lycos Europe jedenfalls nur für sehr spekulative Anleger geeignet. Eine von vielen Experten heraufbeschworene Korrektur hätte wohl nicht zuletzt für diesen Wert fatale Folgen.
Status:
Bei Kursen von über 40 Euro ist uns der Wert einfach zu teuer. Zweifelsohne bietet der Wert gute Chancen, aber eben in einem für uns zu rabiatem Chance-Risiko-Verhältnis. Als wohl der einzige Börsendienst, würden wir daher auch einem Investment in Web.de auf dem aktuellem Niveau (35 Euro) in diesem Marktsegment den Vorzug geben