FRANKFURT (dpa-AFX) - Die deutschen Banken stehen mitten in der
Schuldenkrise vor teils gigantischen Kapitallücken. Die europäische
Bankenaufsicht EBA werde den Instituten in ihrem Blitz-Stresstest nochmals einen
deutlich höheren Kapitalbedarf bescheinigen als bislang angenommen, berichtete
die "Börsen-Zeitung" (Donnerstag) unter Berufung auf Informationen aus
Marktkreisen. Die Lücke werde sich von gut 10 Milliarden auf rund 13 Milliarden
Euro vergrößern. Die genauen Ergebnisse wollte die EBA am Donnerstagabend
veröffentlichen.
Ein weiterer Schlag droht von der Ratingagentur S&P, die die
Kreditwürdigkeit der Geldhäuser schärfer überprüfen will. Hilfe kommt dagegen
von der europäischen Zentralbank. Um zu verhindern, dass der Kreditmarkt wegen
der schwierigen Lage der Banken austrocknet, kündigte die Notenbank am
Donnerstag weitere Hilfen an. So können sich die Geschäftsbanken nun auch
langfristig über die EZB refinanzieren. Die Notenbank will den Instituten
künftig Geld für bis zu 36 Monate zur Verfügung stellen, bislang gab es Geld für
maximal ein Jahr. Zudem wird der Sicherheitsrahmen für sogenannte
Offenmarktgeschäfte weiter gelockert.
POLITIK WILL VERTRAUEN SCHAFFEN
Mit dem aktuellen Stresstest ermittelten die Aufseher, wie viel Geld den
Banken fehlt, um auch bei einer Bewertung von Staatsanleihen zu Marktpreisen auf
eine harte Kernkapitalquote von neun Prozent zu kommen. Bis Ende Juni nächsten
Jahres müssen sie diese Quote erreichen. Das könnte dazu führen, dass viele
Institute zu Kapitalerhöhungen oder gar neuerlichen Staatshilfen greifen müssen.
Mit dem beim EU-Gipfel Ende Oktober beschlossenen Test will die Politik
Vertrauen der Märkte in die Stabilität der Banken zurückgewinnen. Dass das
gelingt, bezweifeln viele Experten. Denn hinter den Kulissen tobte in den
vergangenen Wochen heftiger Streit zwischen der noch jungen Londoner Behörde EBA
und nationalen Aufsehern. Die ursprünglich für Mitte November geplante
Veröffentlichung der Ergebnisse hatte sich immer wieder verschoben.
TEST VERSCHÄRFT
Vorläufigen Berechnungen von Ende Oktober zufolge sah die EBA einen
zusätzlichen Kapitalbedarf von 106 Milliarden Euro bei den europäischen Banken,
davon 5,2 Milliarden Euro bei den deutschen. In der Zwischenzeit verschärfte die
Behörde die Kriterien. So sollten die schlechten Geschäftsergebnisse aus dem
dritten Quartal in die Berechnungen einfließen. Zudem wollte die Behörde
strengere Maßstäbe für Risikoanlagen ansetzen. Auch die Verrechnung von Gewinnen
und Verlusten bei Staatsanleihen sollte nur noch eingeschränkt möglich sein.
Davon hätten besonders die deutschen Institute profitiert, da sie besonders
viele der in der Regel gefragten Bundesanleihen halten.
Das größte Loch unter den deutschen Instituten mit fünf Milliarden Euro wird
bei der Commerzbank erwartet. Der Deutschen Bank fehlen nach
früheren Angaben aus Kreisen drei Milliarden Euro, der DZ Bank 350 Millionen
Euro.
PROBLEME AUCH FÜR LANDESBANKEN
Die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) ist nach eigenen Angaben bei dem
Test aus formalen Gründen durchgefallen, ähnlich könnte es Medienberichten
zufolge der NordLB ergehen. Grund dafür ist nach Angaben aus Finanzkreisen, dass
die EBA nach neuesten Vorgaben Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals nur
anerkennt, wenn diese bis zum 30. September 2011 vollzogen worden sind. Bei
Helaba und NordLB werden beschlossene Kapitalstärkungen erst zum Jahresende
wirksam. Auch bei der LBBW wird eine Kapitallücke erwartet.
Die meisten europäischen Banken wollen die Kapitallücken aus eigener Kraft
zu schließen. Auch die seit der Finanzkrise teilverstaatlichte Commerzbank will
neuerliche Hilfen des Bundes unbedingt vermeiden. Konzernchef Martin Blessing
will Bilanzrisiken um 30 Milliarden Euro herunterfahren, Randgeschäfte verkaufen
und Gewinne einbehalten. Zudem dürfen einzelne Geschäftsfelder derzeit keine
Kredite mehr vergeben. Ein Rückkauf von Hybridanleihen läuft der Commerzbank
bereits.
S&P DROHT MIT ABWERTUNG
Lediglich die italienische Unicredit kündigte bereits
eine Kapitalerhöhung an. Sie soll 7,5 Milliarden Euro einbringen. Angesichts des
derzeit großen Misstrauens gegenüber den Banken gilt ein solcher Schritt aber
als sehr schwierig.
Erst am Mittwoch hatte die Ratingagentur Standard & Poor's etliche große
Kreditinstitute unter verschärfte Beobachtung ("CreditWatch") gestellt, darunter
auch Deutsche Bank und Commerzbank. Den Instituten droht genauso wie
ihren Heimatländern eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit, was die
Refinanzierung erschweren und am Ende die Krise verschlimmern
könnte./enl/ben/edh
Wer sich über mich ärgert,der hat kein Problem mit mir,
sondern mit sich selbst