Globale GefahrUS-Schuldendrama provoziert Finanz-GAU
Von Markus Gärtner
Es ist die verdrängte Gefahr der Weltwirtschaft: Amerika macht alle paar Wochen neue Schulden in Höhe des griechischen Rettungspakets. So driftet das Land Richtung Pleiteabgrund und die Welt in die Gefahrenzone eines globalen Finanz-GAUs. Jetzt wird die Rettungszeit knapp.
Hamburg - Die Zeit läuft davon, die Warnungen werden drastischer. Doch das Gefeilsche um ein Sparpaket in Washington macht kaum Fortschritte. Am Donnerstag berief Präsident Obama Politiker beider großer Parteien ins Weiße Haus, um einen Durchbruch in den festgefahrenen Sparverhandlungen zu erzielen. Rund 4000 Milliarden Dollar will er in den kommenden zehn Jahren einsparen. Obamas Demokraten wollen hierfür auch die Steuern anheben, nicht nur Ausgaben kürzen. Die Republikaner wollen massiv streichen, doch höhere Steuern lehnen sie rundweg ab. Weiter könnten die Positionen kaum voneinander entfernt sein.
Finanzminister Timothy Geithner hat daher das Parlament bereits mehrmals gewarnt, die Administration könne ab dem 2. August nicht mehr alle Rechnungen bezahlen, falls das Schuldenlimt von 14.300 Milliarden Dollar bis dahin nicht angehoben werde. Die Defizitgrenze war am 16. Mai erreicht worden. Seitdem hat Geithner den Schuldenpegel eingefroren: Mit Buchungstricks, mit höheren Steuereinnahmen und mit Anlagevermögen aus staatlichen Pensionsfonds. Schon 74 Mal seit dem Jahr 1962 wurde laut dem Congressional Research Service das Schuldenlimit angehoben. Doch so ernsthaft wie dieses Mal drohte die Zahlungsunfähigkeit bislang nicht.
Nach dem Schuldengipfel am Donnerstag - der verdächtig schnell zu Ende war - wurde sofort deutlich: Einen Durchbruch hat es nicht gegeben. "Von Routine zu radioaktiv", fasste CNN denn auch die ergebnislos beendeten Gespräche im Weißen Haus zusammen. Beide Seiten wollen bis Sonntag ihre Grundpositionen abstecken und sich wieder treffen, so Obama: "Ich denke, es war ein sehr konstruktives Treffen", schönte der Präsident das Fiasko in der viel beachteten Runde. Dass erneut keine Fortschritte erzielt wurden, hat zumindest die Wall Street nicht beunruhigt. Der Dow-Jones-Index stieg um 90 Punkte, die Anleihekurse gaben unmerklich nach. Eine Vertrauenskrise sieht anders aus.
Doch aufmerksamen Beobachtern stehen die Haare zu Berge: Scheitert die Sparrunde, gibt es auch keine Anhebung der Schuldengrenze. Dann aber droht den USA zumindest auf einige der 80 Millionen Rechnungen, die der Finanzminister jeden Monat begleichen muss, ein Ausfall. In der Folge könnte der Dollar kollabieren, die Zinsen nach oben schießen, das Kredit-Rating der USA drastisch fallen, die Anleihekurse einbrechen.
1600 Milliarden Dollar Defizit im laufenden Haushaltsjahr
Jede einzelne dieser Folgen könnte für sich einen weltweiten Finanz-GAU auslösen. Selbst ein Zahlungsverzug von wenigen Tagen könnte die Rolle der USA als führende Volkswirtschaft der Welt in Zweifel ziehen. "Ausländische Investoren könnten im Extremfall nicht mehr darauf vertrauen, dass die Wechselkursverluste, die der Dollar dann erleidet, je wieder wettgemacht werden", warnt der Devisenstratege Steven Englander bei der Citigroup.
Doch in dieser brisanten Situation nehmen sich die beiden Parteien in den USA von den 26 Tagen, die bis zum 2. August bleiben, drei Tage Auszeit. Um Grundpositionen abzustecken, wie es heißt. Und das, obwohl sie seit Wochen miteinander verhandeln. Das ist ein gefährlicher Luxus, gemessen daran, was auf dem Spiel steht. Bei 1600 Milliarden Dollar Defizit im laufenden Haushaltsjahr wächst der US-Schuldenberg täglich um 4,4 Milliarden Dollar. Das entspricht alle fünf Wochen dem Rettungspaket für Griechenland. Während das Budgetdefizit in Athen bei 13,6 Prozent liegt, erreicht es in Washington in diesem Jahr immerhin schon 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Einziger Trost: Die Gesamtschulden erreichen in den USA 100 BIP-Prozent. Und das ist eine weitaus weniger bedrohliche Verschuldung als in Griechenland - leider nur auf den ersten Blick.
Doch in dieser Rechnung sind viele Hundert Milliarden Dollar Verbindlichkeiten aus bereits garantierten, aber noch nicht geleisteten Zahlungen für den Gesundheitssektor und die Sozialhilfe enthalten. Die USA wenden zudem 200 Milliarden Dollar im Jahr nur dafür auf, Zinsen für die aufgelaufenen Schulden zu begleichen. Laut Prognosen des Government Accounting Office könnte das binnen zehn Jahren - je nach Zinssatz - auf 1000 Milliarden ansteigen.
An schlimmen Warnungen mangelt es daher nicht. Die USA rutschen in eine zweite große Rezession ab, wenn das Schuldenlimit nicht angehoben wird, sagte Obama selbst am Mittwoch in einem Twitter-Austausch mit dem Wahlvolk. Heute musste das US-Arbeitsministerium erneut steigende Arbeitslosenquoten vermelden. Und Investorenlegende Warren Buffett vergleicht das Geschachere in Washington mit russischem Roulette. Für ihn ist das, "wie wenn ihr mir eine Pistole mit sechs Schüssen im Magazin gebt, aber nur eine Kugel ist drin, und wir haben schon fünfmal abgedrückt". David Frum, ehemaliger Redenschreiber von George Bush, sieht gar eine Verfassungskrise heraufziehen, weil sich herumspricht, dass Obama den 14. Zusatz zu dem Dokument bemühen könnte.
http://www.manager-magazin.de/politik/...schaft/0,2828,773148,00.html