Streit zwischen Amerika-Gesellschaft und Regionalfirmen entbrannt. Ernst & Young und PwC haben schon eingekauft New York - Hinter den Kulissen des krisengeschüttelten amerikanischen Wirtschaftsprüfers Andersen ist ein heftiger Streit über die Zukunft des Unternehmens entbrannt. Noch vor wenigen Tagen schien es, als würde das gesamte Auslandsgeschäft an den Konkurrenten KPMG fallen. Mittlerweile wollen sich aber ganze Andersen-Regionalgesellschaften anderen Wettbewerbern wie dem Marktführer Pricewaterhouse Coopers (PwC) und dem weltweit viertgrößten Wirtschaftsprüfer Ernst & Young anschließen.
Andersen betonte in einem ungewohnt harschen Statement, dass es die Ankündigung einiger Mitgliedsfirmen "bedauere", sich mit anderen Unternehmen als KPMG zusammenzutun. Ein Firmensprecher wurde noch deutlicher: Die internationalen Partner besäßen "nicht die Freiheit, sich der Firma zu entziehen". Die Partner hätten in "finanzieller und anderer Hinsicht" Verpflichtungen gegenüber den übrigen Partnern innerhalb von Andersen Worldwide. Der Berater-Konzern Andersen Worldwide ist die Dachorganisation aller Landesgesellschaften und hat seinen Sitz in Genf. Der Prüfer verfügt über insgesamt 86.000 Mitarbeiter rund um den Globus.
Da die einzelnen Landesgruppen Andersens genossenschaftlich organisiert sind und damit auch weitgehende Befugnisse haben, halten sie offenbar auch den Verkauf oder die Ausgliederung ihres Regionalverbundes für möglich. Die Zerstückelung des einstigen Andersen-Imperiums ging zum Wochenende weiter: Zuletzt erzielte Andersens Vertretung in Neuseeland eine Einigung mit dem Konkurrenten Ernst & Young über die Zusammenlegung des Geschäfts.
Schon jetzt ist deutlich, dass von den "Big Five" der Branche - PwC, Ernst & Young, KPMG, Deloitte Touche Tomatsu und Andersen - nur noch vier übrig bleiben werden. Die Konzentration dieses Bereichs - Pricewaterhouse hatte sich erst vor vier Jahren mit Coopers & Lybrand verbunden - nimmt damit weiter zu. In allen Teilen der Welt, in denen Andersen nun notgedrungen mit einem Partner zusammengeht, wird der Name "Andersen" von den Visitenkarten und Türschildern verschwinden.
Ende vergangener Woche war bekannt geworden, dass sich Andersens Regionalbüros in Hongkong 900 Mitarbeiter und in China 1400 mit PwC verbinden wollen. Bei dem Handel sollen die Firmen, die jeweils auch eigene Klientel haben, zusammengefasst werden, ohne dass dabei ein Kaufpreis entsteht. In Russland hingegen ist eine Fusion zwischen Andersen und Ernst & Young geplant. In Europa halten die jeweiligen Landesgesellschaften offenbar weiter an dem Vorhaben fest, sich mit dem ursprünglichen Fusionspartner KPMG zu vereinen.
Nur in Spanien sollen die Partner auch mit anderen Wettbewerbern verhandeln, heißt es in New York. In Deutschland favorisiert Andersen weiterhin die KPMG; eine Fusion der beiden dort würde es auf einen Marktanteil von mehr als 40 Prozent bringen. Den hohen Marktanteil wiederum könnte das Bundeskartellamt auf den Plan rufen.
Der amerikanische Bereich "Arthur Andersen LLP" ist von den Verhandlungen indes ausgenommen. Allerdings bemühen sich offenbar Konkurrenzfirmen mit dem Abwerben von Andersen-Mitarbeitern, die in der Branche einen exzellenten Ruf haben. Allerdings verfügen die Mitarbeiter von Andersen über eine "Wettbewerbsklausel" in ihren Verträgen, der zufolge sie bei einem Firmenwechsel ihre Kunden nicht mitnehmen dürfen. Doch wie es in Branchenkreisen heißt, soll diese Regeln abgeschafft werden. Schon in Kürze werde es darüber eine Abstimmung geben.
Arthur Andersen war in den USA im Zusammenhang mit dem Bankrott des texanischen Energiehändlers Enron in eine tiefe Krise geraten. Der Wirtschaftsprüfer musste öffentlich zugeben, dass er Wochen vor dem Aus Enrons tausendfach Akten zerstört hat. Dies hat das amerikanische Justizministerium als "Behinderung der Justiz" gewertet und verklagt deshalb den Prüfer. Der Prozess soll bereits am 6. Mai 2002 eröffnet werden; Andersen weist die Anschuldigungen zurück.
In Amerika hat Andersen zwei weitere Probleme: Zum einen drohen dem Prüfer millionenschwere Schadenersatzklagen, zum anderen laufen der Firma immer mehr Kunden weg. Insgesamt hat Andersen seit Jahresbeginn fast 60 Aufträge an die Konkurrenz verloren. Zuletzt entzogen der Abfallriese Waste Management sowie die Chicago Mercantile Holdings (Mutter der Börse) dem Prüfer das Mandat. In den vergangenen Wochen hatte Andersen bereits Großkunden wie Delta Airlines, FedEx und Merck & Co. verloren