Erst die Kontenabfrage, jetzt die Abgeltungsteuer – für viele ein Grund, Geld ins Ausland zu schaffen. Was zu tun ist.
Als 1989 die Mauer fiel, hat Peter Sch. seine persönliche Mauer hochgezogen. Eine Mauer
zwischen sich und seinen Millionen auf der einen Seite und dem Fiskus auf der anderen. Eine
unüberwindbare Mauer, nicht nur für den deutschen Fiskus. Der inzwischen 64-Jährige ist weder
für den deutschen noch für sonst einen in der Welt greifbar. „Ich habe seither keinen Pfennig
Steuern mehr gezahlt – ganz legal“, erzählt der passionierte Hochseesegler stolz.
Der Trick des früheren Ingenieurs: Er hat Deutschland verlassen – das machen viele. Und hat
sich nirgendwo anders einen neuen festen Wohnsitz zugelegt – das machen nur wenige. Denn
die meisten wissen nicht, welche Folgen es hat, ein reicher Vagabund zu sein: Die Besteuerung
richtet sich in den meisten Ländern nach dem Wohnsitzprinzip. Dort, wo der Lebensmittelpunkt
ist, wird in aller Regel auch besteuert. Gibt es keinen, geht der Fiskus leer aus. Und das in den
meisten Ländern dieser Erde. „Ich kenne einige, die das genauso machen“, sagt der
„Berufsfaulenzer“ (O-Ton Peter Sch.).
Freimütig erzählt der Profi-Weltenbummler: „Ich war seit Jahren selbstständig, hatte ein gut
gehendes Ingenieurbüro mit mehreren Angestellten. Schuftete dafür von früh bis spät. Die
meisten Aufträge kamen von der öffentlichen Hand. Da konnte ich keine schwarzen Kassen
füllen.“ Immer wieder betont er, dass er nie etwas Illegales getan habe.
Irgendwann dämmert dem damals 46-Jährigen, dass Arbeit nicht alles ist. „Ich hatte mir das
erste Mal seit über zehn Jahren eine Woche Urlaub gegönnt. Skifahren in der Schweiz. Da hat es
klick gemacht.“ Langsam reift sein Plan. „Als meine Strategie klar war, habe ich alles verkauft,
was ich in Deutschland hatte – das Ingenieurbüro, mehrere große Baugrundstücke und fünf
Eigentumswohnungen in bester Lage. Ich war schon damals gutsituiert“, sagt er mit leichtem
Understatement. Mehrere Millionen Euro kamen umgerechnet zusammen. Peter Sch. blieb in
Deutschland, bis die Schlussprüfung des Finanzamts durch war. Bezahlte brav seine
Steuerschulden, erst dann reiste er seinem Geld hinterher. Das hatte er in die Schweiz
transferiert. Auf ein Nummernkonto. „Das war damals noch richtig anonym“, erinnert er sich
(siehe Kasten Seite 68). Doch einen neuen Erstwohnsitz hat er nie angemeldet. „Ich habe eine
Wohnung in Rom, eine in London und ein Haus auf den Kanaren. Aber nirgends bleibe ich
länger.“ Oft ist der Segel-Fan wochenlang auf hoher See, in internationalen Gewässern. Denn der
Mann kennt die 183er-Klausel, die es so nicht nur in Deutschland gibt.
Hintergrund: Wer seinen Wohnsitz länger als ein halbes Jahr in der Bundesrepublik hat, ist hier
auch unbeschränkt steuerpflichtig. Das heißt, alle Einkünfte weltweit werden grundsätzlich in
Deutschland besteuert. Dass der deutsche Fiskus nicht nochmals auf Gelder zugreift, die schon
im Ausland versteuert wurden, sollen zwischenstaatliche Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)
verhindern. Mehr noch: Oft können Steuerpflichtige damit sogar Steuern sparen. Wer dagegen
den Wohnsitz im Ausland hat, muss in Deutschland nur die Einkünfte versteuern, die er auch in
Deutschland erzielt hat. „Beschränkt steuerpflichtig“, heißt das im Fachjargon. Doch Achtung:
Hält man sich als beschränkt Steuerpflichtiger mehr als 183 Tage in der Bundesrepublik auf, wird
man unbeschränkt steuerpflichtig. „Wer das nicht beachtet, ist grenzenlos dumm – so wie Boris
Becker.“ Peter Sch. ist schlau: Seit 17 Jahren hat er keine Steuern mehr gezahlt.
Doch das Modell kann längst nicht jeder nutzen. Viele sind beruflich oder privat in Deutschland
so gebunden, dass Auswandern für sie nicht infrage kommt. Wohl aber für ihr Vermögen. 24,6
Prozent der Deutschen würden ihr Geld im Ausland anlegen – wenn sie denn mindestens eine
Million hätten. Das ergab eine Umfrage der GfK Nürnberg im Auftrag der Raiffeisenbank
Kleinwalsertal. Besonders wichtig für 86,9 Prozent der Befragten: ein starkes Bankgeheimnis.
„Bemerkenswert ist, dass sich die Deutschen darin über alle sozialen Unterschiede wie etwa
Alter, Einkommen oder Beruf hinweg einig sind“, sagt Roland Jauch, Leiter Business
Development International der Raiffeisenbank Kleinwalsertal. Und Klaus Schimana, Leiter des
Deutschland-Geschäfts bei der Tiroler Sparkasse in Juuungholz, bestätigt: „Unsere deutschen
Kunden kommen wegen des besseren Schutzes ihrer Privatsphäre, sie erhoffen sich mehr
Diskretion.“ Seit Anfang 2005 läuft das Deutschland-Geschäft richtig heiß. „Dafür hat die
Kontenabfrage gesorgt – und der Boom hält immer noch an“, weiß Prokurist Schimana. Kein
Wunder: 2006 stieg die Zahl der Abfragen um über ein Drittel. Die Kontendaten von mehr als
106000 Steuerbürgern wurden überprüft.
Die geplante Abgeltungsteuer ist dagegen bei deutschen Kunden österreichischer Banken noch
kein Thema. Wolfgang Schweißgut, Bereichsleiter Vermögensanlage beim Bankhaus Jungholz:
„Wir spüren hier noch keinen neuen Trend, allenfalls vereinzelte Anfragen.“ Dabei hat die
Abgeltungsteuer durchaus Auswirkungen – gerade für Vermögende, wie der Steuerberater und
Wirtschaftsprüfer Rupert Klar, Partner und Head of Practice Group Tax der Münchner Kanzlei
Sibeth Partnerschaft, erläutert: „Einerseits werden Dividenden höher besteuert als im bisherigen
Halbeinkünfteverfahren. Je nach individuellem Steuersatz lag die Besteuerung bisher bei maximal
21 Prozent, künftig beträgt die Abgeltungsteuer 25 Prozent – jeweils plus Soli und Kirchensteuer.
Andererseits entsteht bei Zinseinkünften ein Vorteil für Steuerpflichtige mit Steuersätzen von über
25 Prozent. Wichtigste Änderung: Veräußerungsgewinne werden künftig generell der
Abgeltungsteuer unterworfen.“ Der Experte erwartet daher Depotumstrukturierungen vor dem Jahr
2008. Grund: „Für Wertpapiere, die zuvor erworben werden, endet die Spekulationsfrist vor
Inkrafttreten der Neuregelungen am 1.1.2009. Daher werden viele in Aktien oder Fonds
umschichten.“
Problem: Auf Kursgewinne, Zins- und Dividendenerträge, die 2009 oder später anfallen, muss
Abgeltungsteuer gezahlt werden. Doch hierfür haben Banken schon Lösungen parat, die selbst
diese Zuflüsse auf Dauer steuerfrei stellen. Bei der Raiffeisenbank Kleinwalsertal kann man sich
etwa ab einer Einlage von
150000 Euro ein persönliches Zertifikat aus sieben verschiedenen
Kombinationen zweier Dachzertifikate – ZJ PlanZertifikat Basis und Spezial – zusammenstellen.
Bei dieser ZJ Finanzarchitektur wird mittels zugrunde liegender Zertifikate auf alle möglichen
Investmentklassen gesetzt. Roland Jauch: „Für uns ist keine Asset-Klasse per se risikoreicher
als eine andere. Jeder Anleger kann das Risiko über die Gewichtung der Bausteine justieren.“
Beim Bankhaus Jungholz muss man nur 50000 Euro mitbringen und hat die Wahl zwischen drei
verschiedenen Zertifikaten Globalstrategie I, II oder III, die quasi einen Zertifikatemantel um eine
fondsgebundene Vermögensverwaltung mit unterschiedlich hohen Aktien- und Rentenanteilen
legen. Vorteil: „Der Mantel um die Vermögensverwaltung
eliminiert die Steuerpflicht“, so Schweißgut. „Wenn man rechtzeitig investiert und die Papiere
lange genug hält“, fügt er an. Wird unter dem Zertifikatemantel umgeschichtet, ist das steuerlich
völlig unerheblich.
Übrigens: Bei der derzeit gültigen Besteuerung sind Kursgewinne bei beiden Zertifikatelösungen
nach zwölf Monaten Haltefrist steuerfrei, sofern sie nicht zum Beispiel aufgrund einer
Kapitalgarantie als Finanzinnovation einzustufen sind.
„Wer die EU-weite Kapitalverkehrsfreiheit nutzt und sein Geld steueroptimiert im Ausland anlegt,
muss auch nicht fürchten, dass er etwa wegen veralteter DBA nach Einführung der
Abgeltungsteuer doppelt zur Kasse gebeten wird“, sagt Roland Jauch. Steuerberater Klar
ergänzt: „Zu berücksichtigen ist aber, dass nach aktueller Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
ausländische Niederlassungen deutscher Banken bei deutschen Kunden zum Einbehalt der
Abgeltungsteuer verpflichtet sein könnten.“ Doch auch wer die steueroptimierten Finanzprodukte
nicht nutzt, kann von Kapitalanlagen in Österreich, der Schweiz oder Luxemburg profitieren: „Da
die endgültige Besteuerung erst im Rahmen der Einkommensteuererklärung erfolgt, haben
Steuerehrliche einen nicht unerheblichen Steuerstundungseffekt“, erläutert Sparkassen-Mann
Klaus Schimana.
Und wer sich entschließt, seinem Geld in die Alpenrepublik zu folgen, kann sogar vom
österreichischen Erbrecht profitieren. Lässt man sich als Deutscher in Österreich nieder,
unterliegt man der dortigen Kapitalbesteuerung von einheitlich 25 Prozent auf Zinsen, Dividenden
und realisierte Kursgewinne. Auf Letztere wird Steuer jedoch nur fällig, wenn die Wertpapiere
weniger als ein Jahr gehalten wurden. Der Clou: „Mit dieser Endbesteuerung ist auch gleich die
Erbschaftsteuer abgegolten“, weiß Schimana. Und Wolfgang Schweißgut ergänzt: „Selbst wenn
Sie als Deutscher in Kitzbühel wohnen und Ihre Kapitalanlagen Ihrer deutschen Freundin in
München vererben, fällt darauf keine Erbschaftsteuer an.“ Achtung: Der Trick funktioniert nur bei
Kapitalanlagen.
Und wen es in die Schweiz zieht? Der sollte wissen, dass nicht nur Promis wie Michael
Schumacher oder Boris Becker von der lukrativen Pauschalbesteuerung profitieren können,
sondern jeder EU-Bürger, der bereit ist, jährlich mindestens 40000 Euro Pauschalsteuer
abzudrücken. Inzwischen muss man nicht mal mehr 55 Jahre alt sein, um davon profitieren zu
können. Und wenn man unbedingt arbeiten will, dann verträgt sich auch das mit der
Pauschalsteuer – wenn die Tätigkeit nicht in der Schweiz ausgeübt wird. Aber das Arbeiten
wollen Leute wie Peter Sch. ja fast ebenso vermeiden wie das Steuerzahlen