Auch wenn sich Horst Szentiks mit diesem Artikel selbst selig sprechen möchte, bei De Beira war er auch bei denen, die die Aktie "hochschrieben" dabei. Und zwar quasi bis zur letzten Patrone, nämlich noch am 16.6.2006 um 2.03 Nachts. Gegen Mittag des gleichen Tages kam bekanntlich der große Crash.
Ob undercover oder offen spielt bei den im nachstehenden Artikel genannten Umständen, die das gleiche Thema ausleuchten, wie das Eröffnungsposting, keine Rolle.
Immer nur Spams ..."
11.02.2007 Ausgabe 06/07
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Es sind echte Geheimtipps, exklusiv für den Empfänger.Und sie versprechen Riesengewinnchancen mit Aktien. Wie Spam-Mail-Versender Millionen mit gutgläubigen Anlegern machen.
von Armin Zimny
Geld oder Leben" forderten jüngst unbekannte Versender von E-Mails in den USA. Die angeblichen Auftragskiller boten den erschrockenen Empfängern an, gegen eine erkleckliche Summe von ihrem eigentlichen Job abzusehen. Wer auf die elektronische Drohung antwortete, wurde gleich mit Detailwissen aus seinem Leben konfrontiert. Inzwischen kümmert sich die amerikanische Bundespolizei um die mörderischen Massenmails.
Bei einer anderen Form von E-Mails, bei denen es nicht ums Leben, aber immerhin um viel Geld geht, wird nun die deutsche Börsenpolizei tätig. Wie die BaFin (Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen) am Freitag gegenüber Euro am Sonntag bestätigte, hat sie eine förmliche Untersuchung um die Aktie De Beira Goldfields eingeleitet. Der Pennystock wurde Anlegern in millionenfach versendeten Mails angepriesen. Prompt kletterte der Kurs auf über zwölf Euro, um dann auf 94 Cent abzustürzen.
Zu ermitteln, ob und wer den Markt manipuliert und als Frontrunner Kasse gemacht hat, dürfte bei der Finanzaufsicht einige Zeit in Anspruch nehmen. De Beira ist aber kein Einzelfall. Denn das Geschäft mit Spam-Mails (siehe Kasten), die Aktien unbedarften Anlegern zum Kauf empfehlen, ist für die Versender äußerst lukrativ, wie eine jetzt veröffentlichte Studie der Universitäten aus dem britischen Oxford und aus Purdue, USA, nachweist.
Dass die Flut von Spam-Mails trotz immer neuer Filter in den elektronischen Briefkästen weiter zunimmt, belegen etliche Untersuchungen, obwohl die Schätzungen erheblich voneinander abweichen. Das britische E-Mail-Sicherheitsunternehmen MessageLabs ermittelte für den November 2006 eine weltweite Spam-Quote von 74 Prozent. Retarus, eine auf elektronische Unternehmenskommunikation spezialisierte Firma aus München, veröffentlicht auf ihrer Internetseite täglich die Quote der von ihr ermittelten "Good"- oder "Bad"-Mails. Ergebnis: "95 Prozent aller Mails sind E-Müll", sagt Martin Hager, Retarus-Geschäftsführer. Die Gegenquote an Mails, die für den Kunden einen Nutzen aufweist, ist erschreckend gering. "An manchen Tagen fällt sie bis auf 0,3 Prozent", erläutert Hager. "Nur 0,1 Prozent der Mails, die von uns gefiltert wurden, werden hinterher von den Kunden noch abgerufen", so Hager.
Ein relativ neues Spielfeld für Spamer sind Mails mit dem angeblich todsicheren Aktientipp. Auch wenn in Deutschland spektakuläre Fälle noch nicht bekannt wurden, Aktientipps in Mails zeigen erhebliche Zuwachsraten. Nach einer Studie der Professoren Laura Frieder von der Purdue University in den USA und Jonathan Zittrain von der britischen Universität Oxford ("Spam works - Evidence from Stock Touts and corresponding markets activity") enthalten bereits etwa 15 Prozent der täglich weltweit etwa 730 Millionen Spam-Mails Tipps zu Aktienkäufen.
Die Mails weisen in der Regel ähnliche Muster auf. Angepriesen werden Geheimtipps - unbeachtete, aussichtsreiche Aktien mit riesigen Gewinnchancen. War das Problem anfangs nur in den USA bekannt, überfluten mittlerweile diese Börsen-Spams auch in Deutschland die elektronischen Postfächer. Auf der Internetseite antispam.de lassen sich einige Erfahrungen von Anlegern nachlesen.
Die Versender dieser Spams ge-hen meist nach demselben Schema vor. Sie suchen sich Aktien mit sehr niedrigen Kursen. Meist sind es Pennystocks, die zudem eine geringe Liquidität aufweisen und somit auf verstärkte Nachfrage schnell mit Kurssprüngen reagieren. Die Spamer decken sich mit einer größeren Zahl Aktien ein und versenden dann millionenfach Mails, die zum Kauf dieser Aktien auffordern.
Für den gutgläubigen Anleger sind diese Mechanismen schwer zu durchschauen. Beobachtet er die Aktie und sieht den Kurs steigen, wird er der Mail Glauben schenken und ebenfalls kaufen. Handelt nur ein minimaler Prozentsatz der angeschriebenen Anleger ebenso, wird das Modell für die Spamer bereits zum Erfolg.
Wie Börsen-Spam genau funktioniert, erläutern Rainer Böhme und Thorsten Holz in ihrer Studie "Die Auswirkungen von Stock-Spam auf den Finanzmarkt". Den Informatikern der Universitäten Dresden beziehungsweise Mannheim gelang es nachzuweisen, dass das Handelsvolumen und der Aktienkurs durch Stock-Spams ansteigen.
Ein Plus von fünf bis sechs Prozent ist für die Versender der Aktien-Spams als Kursgewinn durchschnittlich drin. Das Geschäftsmodell läuft nach dem Prinzip: "Buy low - spam high." Nach Frieder und Zittrain verlieren Anleger, die aufgrund des Spam-Tipps solche Aktien gekauft haben, durchschnittlich acht Prozent ihres eingesetzten Kapitals innerhalb von zwei Tagen, während die Spamer schon ihre Aktien verkauft und Kasse gemacht haben. Der Einzelne hat dabei kaum eine Chance, den Kurssprung mitzunehmen, denn dazu müsste er exakt wissen, wann die Spamer in Aktion treten. Er müsste in die Strategie eingeweiht sein.
Im vergangenen Jahr haben die Aktien von De Beira Goldfields Furore gemacht. Die Wertpapiere des Minenunternehmens versprachen angeblich beste Gewinnchancen. Innerhalb nur weniger Wochen trieben Spam-Wellen, Börsenbriefe und Marketingkampagnen mit vielen Erfolgsmeldungen den Kurs von De Beira um über 1000 Prozent nach oben. Der utopische Börsenwert entsprach schließlich einem Vielfachen des realistischen Unternehmenswerts. Dimensionen, die an die Überhitzung des Neuen Markts zur Jahrtausendwende erinnern.
Anfang September waren zu De Beira zehntausende Beiträge auf dem Internetfinanzforum wallstreet-online.de zu lesen. Das sind Zahlen, wie sie nicht einmal große DAX-Werte erreichen. Die seltsamen Vorgänge haben auch die BaFin auf den Plan gerufen. Sie hat in dieser Woche eine förmliche Untersuchung eingeleitet. Damit kann die Finanzaufsicht gezielt auf alle Personen zugehen, die mit dem Fall De Beira zu tun haben, um zu prüfen, ob sich in diesem Fall der Verdacht auf Marktmanipulation bestätigt.
Aktuell weisen die Aktien von Physicians Adult Daycare Inc. (Symbol: PHYA) und Harris Exploration (HXPN) ebenso seltsame Kursverläufe auf. Die Charts dieser Aktien zeigen überproportionale Kurssprünge innerhalb weniger Tage und fast ebenso schnelle Abstürze. Natürlich wurden auch diese Aktien über Mails angepriesen. In diesen Tagen sind auch die Aktien der EECH Group AG auffällig geworden (siehe Kasten). Die Windkraft-Aktien wurden ebenso in Spams angepriesen.
Was macht das Aktien-Geschäftsmodell der Spamer so lukrativ? Der Versand der E-Mails ist als Kostenfaktor nicht entscheidungsrelevant. Das Risiko, entdeckt zu werden, ist zudem vernachlässigbar, denn Profi-Hacker bedienen sich hunderter gekaperter Computer, so genannter Zombi-PCs, die sie zu Bot-Netzen zusammenschließen. So werden massenweise unwissende Internetsurfer als Spam-Versender missbraucht. Zudem ist für die Hintermänner der Aktien-Spams - anders als etwa bei den Mails, die billige Pharmazeutika anbieten - die Entgegennahme einer Bestelladresse nicht erforderlich.
Kaum bis zum Absender zurückverfolgen lassen sich dadurch die Spuren für die Ermittler. Selten kommt deshalb ein Fall ans Tageslicht. Kürzlich allerdings wurde eine Unterföhringer Firma unter Androhung von 250000 Euro Ordnungsgeld vom Landgericht München dazu verpflichtet, keine Werbemails mehr ohne Einverständnis der Empfänger zu verschicken. Die Firma hatte angeblich nichts vom Versand dieser Mails gewusst.
Ein minimaler Prozentsatz von gutgläubigen Empfängern reicht meistens schon aus, damit das Geschäftsmodell für die Spamer von Erfolg gekrönt wird. Die Hoffnung auf schnelle und große Gewinne lassen selbst vorsichtige Anleger zu Zockern werden und Geld auf diese Geheimtipps setzen. Den Spamern kommt dabei gelegen, dass es hin und wieder Aktien gibt, die sich längere Zeit auf einem höheren Niveau halten. Diese Beispiele, mögen sie auch selten sein, lassen die Zocker glauben, sie hätten diesmal den richtigen Riecher gehabt.
Wer auf Aktientipps unbekannter Quellen setzt, geht ein unkalkulierbares Risiko ein - mit möglichem Totalverlust seines eingesetzten Kapitals. Ist das Geld erst mal verloren, bestehen kaum Chancen, es wieder zu bekommen. Die Verbreiter der Tipps haben im Disclaimer ihren Haftungsausschluss erklärt und sind damit bislang juristisch auf sicherem Terrain.
Die Versendung von Spam-Mails soll zwar künftig stärker als bisher bekämpft werden. Das sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, den der Bundestag Mitte Januar mit den Stimmen der Großen Koalition und der FDP-Fraktion verabschiedete. Danach droht bei Verletzung bestimmter Informationspflichten bei der E-Mail-Werbung ein Bußgeld von bis zu 50000 Euro. So darf in der Kopf- und Betreffzeile weder der Absender noch der kommerzielle Charakter der Nachricht verschleiert oder verheimlicht werden.
Das Problem ist jedoch, ein großer Teil der Spam-Absender kann nicht mit nationalen Regelungen wie dieser erreicht werden, weil die meisten im außereuropäischen Ausland - vor allem in den USA - sitzen. Darin sieht Hager die Krux: "Das Anti-Spam-Gesetz ist ein zahnloser Tiger und trifft die Falschen."
Aktionärsschützer raten verstärkt dazu, nur seriöse Quellen und Analysen zu nutzen, die Informationen kritisch zu hinterfragen und sich schließlich selbst ein Urteil zu bilden, bevor man sich zum Kauf eines Wertpapiers entschließt.
Wer jede Versuchung ausschließen will und seinen PC nicht gegen den eigenen Willen als Spam-Schleuder missbrauchen lassen will, muss auf Firewall und ein gutes Antivirenprogramm setzen. "Auf dem Markt gibt es viele gute, kostenlose Software für den Privatanwender", betont Hager. "Doch die bringt nichts, wenn sie nicht in kurzen Zeitabständen aktualisiert wird." Hager denkt weiter. Spams filtern sei die Lösung von gestern. Spams Verhindern heißt die neue Technik von Retarus. Das sei der richtige Weg, ist Hager überzeugt.