Der Euro hat - nach wie vor - Potenzial
Müssen die Euro-Haussiers bescheidener werden? Sie haben zwar oft die Theorie auf ihrer Seite, seltener aber die Realität. Vor allem kaufkraftbasierte Modelle zeigen eine erhebliche Unterbewertung des Euro an.
Die Realzinsen sprechen für ihn, das US-Wachstum schwächt sich um dramatische vier Prozentpunkte ab - aber der Euro wertet ab. Auch wenn er regelmäßig enttäuscht, der Euro hat auf längere Sicht Potenzial. Gewiss, die Wachstumsprognosen für Europa verschwinden schneller in den Papierkörben als den Politikern lieb ist. Manche erwarten sogar, dass Deutschland nicht einmal 2001 die USA schlagen wird. Aber sind die US-Vorhersagen realistisch, die im vierten Quartal eine kräftige Erholung voraussagen? Der US-Konsument glaubt immer noch, jährliche Aktienrenditen von 15 Prozent retteten ihn davor, für seinen Lebensabend vorsorgen zu müssen. Davor wird ihn auch Bushs Steuerreform nicht bewahren. Alan Greenspan öffnet mehr denn je die geldpolitischen Schleusen. Aber löst er damit das Problem der Überinvestitionen? Für die Finanzmärkte ist Inflation derzeit noch kein ernsthaftes Thema. Das kann sich dramatisch ändern, wenn sich zeigt, dass die US-Produktivitätssteigerung der vergangenen Jahre einmalig war.
Das internationale Kapital könnte indes wieder nach Europa wandern. In Deutschland ist ab 2002 mit einer steuergetriebenen Konsolidierungswelle zu rechnen - auch wenn sich Gerhard Schröder eifrig bemüht, Giftpillen für die ängstliche deutsche Industrie zu drehen. Zudem begünstigt das teure Rohöl die Fakturierungswährung Dollar. Umgekehrt sollte der Euro von langfristig zu erwartenden Ölpreisrückgängen profitieren.
Das regelmäßig sich widersprechende Management der EZB ist ein Problem für sich. Wim Duisenberg hält Interventionen zu Gunsten des Euro für nicht angezeigt, Ernst Welteke schließt sie nicht aus. So was verunsichert Anleger.
Erneute Dollar-Verkäufe könnten dennoch bereits kurzfristig eine kleine Euro-Rally auslösen. Es wäre ohnehin keine schlechte Politik, die überhöhten Dollarbestände teuer abzustoßen. Der Euro könnte also aufwerten. Aber wie gesagt: Irren ist den Devisenpropheten wesensimmanent.
Spanische Aktien
Geteilte Freude ist doppelte Freude. Argentiniens Umtauschaktion von Staatsanleihen dürfte nicht nur Wirtschaftsminister Domingo Cavallo freuen, sondern auch Anleger, die in spanische Aktien investiert haben.
Die fünf schwersten spanischen Unternehmen nach Börsenwert sind Telefónica, die Banken BBVA und BSCH, die Ölfirma Repsol und der Versorger Endesa.
Zusammen machen sie rund 70 Prozent des Aktienindexes Ibex aus. Alle haben in den vergangenen zehn Jahren erheblich in Lateinamerika investiert.
Argentiniens Wirtschaftskrise ist zurzeit das drängendste Problem der Region.
Die Anleger werden jetzt argentinische Anleihen im Wert von 29,5 Mrd. $ gegen Papiere längerer Laufzeit tauschen. Damit hat sich Argentinien Zeit erkauft, um seine Wirtschaft in Ordnung zu bringen. Aber wenn in den nächsten Monaten das Wachstum nicht anspringt, sieht es düster aus. Als letzter Ausweg bliebe, die Kopplung des Peso an den Dollar aufzugeben. Das würde aber eine massive Abwertung nach sich ziehen und auch Brasilien in Mitleidenschaft ziehen.
Am schlimmsten könnte es die Banken treffen
Bei BSCH und BBVA kommen jeweils rund 20 Prozent der Gewinne von der anderen Seite des Atlantiks, mit steigender Tendenz. Während der letzten Lateinamerika-Krise sank ihre Bewertung unter den Buchwert. Die Deutsche Bank schätzt das Kursrisiko für beide im Fall einer 20-prozentigen Währungsabwertung auf acht Prozent. Für Telefónica würde eine Wirtschaftskrise in Lateinamerika den Ausbau der dortigen Mobilfunknetze verzögern. Telefónicas Bewertung beruht aber zum Teil auf positiven Annahmen über das Lateinamerika-Geschäft. Eine schwere Krise könnte rund vier Prozent an Unternehmenswert vernichten.
Endesa und Repsol sind besser dran. Endesa hat zwar auch noch mit der Energiekrise in Brasilien zu kämpfen. Dort wird seit Freitag die Energieversorgung rationiert, das wird auch Endesas Gewinn drücken. Das Unternehmen hat jedoch im ersten Quartal Vorsorge in der Bilanz getroffen und gut 300 Mio. Euro für Marktrisiken in Lateinamerika auf die Seite gelegt. Das sollte ausreichen. Für Repsol dürfte eine Lateinamerika-Krise ebenfalls glimpflich ablaufen. In Produktion und Raffinerie sind die Dollarpreise von Öl und Gas entscheidend. Eine Peso-Abwertung würde sich daher nur auf das Liefergeschäft mit den Endkunden auswirken.
Spanische Unternehmen haben durch ihr Lateinamerikageschäft
überdurchschnittliche Wachstumschancen. Aber der Anleger sollte sich versichern, ob auf der anderen Seite des Atlantiks alles rund läuft.