Bei Sprachtechnologie-Aktien braucht der Anleger einen langen Atem
SIEGFRIED GRASS
HANDELSBLATT, 29.4.2002
DÜSSELDORF. Handys und Computer werden immer kleiner. Die Bedienung der Mini-Tastaturen bereitet Probleme. Das muss nicht so bleiben, wenn, die Sprachtechnologie erfüllt, was sie verspricht: die Unterhaltung mit einem kleinen elektronischen Gerät. Der Computer versteht dann das gesprochene Wort. Marktforscher sind sich einig: Ein riesiger Markt tut sich auf, sobald brauchbare Lösungen angeboten werden.
Wer auf das richtige Pferd setzt, dem winken hohe Gewinne. Philips und IBM beschäftigten sich schon seit einigen Jahren intensiv mit der Sprachtechnologie. Sie können bereits einige Produkte vorweisen. Doch der große Wurf war bislang noch nicht dabei. Zudem gilt: Erfolg oder Misserfolg der Spracherkennung schlagen nicht nennenswert auf den Aktienkurs der beiden Giganten durch.
Das sieht bei den Unternehmen Nuance Communications und SpeechWorks International, die voll auf Spracherkennungssoftware setzen, ganz anders aus. Die kleinen Firmen steigen mit der Brauchbarkeit ihrer Produkte groß auf oder gehen unter. Betrachtet man den bisherigen Kursverlauf dieser Werte, dann wird deutlich, wie nahe Euphorie und Ablehnung beieinander liegen. Zwischen 97 $ und 4,80 $ schwankte der Kurs in den vergangenen zwei Jahren bei Speechworks (derzeit rund 5,20 $); bei der Aktie von Nuance Communications liegen die Preise zwischen 156 $ und 5,25 $ (derzeit rund 5,40 $).
Natürlich hat auch in diesem zukunftsträchtigen Softwaregeschäft Microsoft seine Finger mit im Spiel. Seitdem das weltweit größte Softwarehaus verkündet hat, die Zusammenarbeit mit den Anhängern des „SALT“-Forums (Speech Application Language Tags) zu verstärken, fahren die Kurse von Sprachtechnologie-Aktien Achterbahn, beschreibt Ralf Schelletter, Analyst der Vereins- und Westbank, die Situation. Anstelle der bisherigen Branchennorm VoiceXML will Microsoft neue Standards für die Entwicklung von Sprachsoftware setzen. Erneut scheint es, dass der Gigant einen Zukunftsbereich für sich entdeckt.
Doch Schelletter bezweifelt den Erfolg der Microsoft-Strategie. Mittelfristig setzt er auf die Aktie des VoiceXML-Anhängers Nuance Communications. Unterhält man sich mit Insidern, dann scheint sich der bisherige Industriestandard Voice XML für die weitere Entwicklung von Sprachanwendungen durchzusetzen. Das bestätigt auch Christoph Pfeiffer, Vorstandsvorsitzender der Clarity AG, einem der führenden europäischen – aber nicht an der Börse notierten – Anbieter für Sprachportale. Auch Karl-Heinz Land, Chef der ebenfalls nicht börsennotierten Onebridge AG, die eine „Voice Application Plattform“ zum einfachen und schnellen Aufbau sprachgesteuerter Dienste entwickelt, setzt auf VoiceXML und kooperiert mit Nuance.
Die Marktforscher von Frost & Sullivan sehen in einer Studie SpeechWorks dennoch als Marktführer bei der automatischen Spracherkennungssoftware mit einem Anteil von 36,4 %. Nuance verfügt über 29,8 % und Big Blue IBM über 15,2 %. Die Marktforscher sagen für die nächsten fünf Jahre eine signifikante Ausweitung dieses Spezialmarktes voraus.
Die starken Turbulenzen in der Kursentwicklung von Sprachaktien sieht Schelletter nur als bedingte Chance zum günstigen Einstieg in dieses Börsensegment: „Wer auf eine nachhaltige Erholung setzen will, braucht ein dickes Fell und muss auch einmal Rückschläge verkraften können. Die SpeechWorks-Käufe erscheinen mir unüberlegt. Beide Titel bleiben in der augenblicklichen Börsenlage rückschlagsgefährdet. Nuance hat Nachholpotenzial und ist gegenüber SpeechWorks unterbewertet.“
Im Vergleich der Fundamentaldaten und Bewertungsrelationen hält Schelletter die aktuelle Kursschwäche von Nuance für ungerechtfertigt: „Das Unternehmen ist einer der Treiber der VoiceXML-Entwicklung und hervorragend positioniert. Der risikobereite und langfristig orientierte Anleger kann an der Aktie noch viel Freude haben.“ Allerdings: Derzeit macht Nuance noch Verlust, Gewinne werden erst im zweiten Halbjahr 2003 erwartet. Diese Perspektive schreckt viele Investoren ab.
Die Einschätzungen weiterer Analysten für Nuance fallen sehr unterschiedlich aus. Die Empfehlungen reichen von „Buy“ (Robertson Stephens/Kursziel 10 $) über „Outperform“ (RBC Capital Markets/ 12 $) bis „Halten“ (High Tech Anlageberatung SoundView/ 8 $).
SIEGFRIED GRASS
HANDELSBLATT, 29.4.2002
DÜSSELDORF. Handys und Computer werden immer kleiner. Die Bedienung der Mini-Tastaturen bereitet Probleme. Das muss nicht so bleiben, wenn, die Sprachtechnologie erfüllt, was sie verspricht: die Unterhaltung mit einem kleinen elektronischen Gerät. Der Computer versteht dann das gesprochene Wort. Marktforscher sind sich einig: Ein riesiger Markt tut sich auf, sobald brauchbare Lösungen angeboten werden.
Wer auf das richtige Pferd setzt, dem winken hohe Gewinne. Philips und IBM beschäftigten sich schon seit einigen Jahren intensiv mit der Sprachtechnologie. Sie können bereits einige Produkte vorweisen. Doch der große Wurf war bislang noch nicht dabei. Zudem gilt: Erfolg oder Misserfolg der Spracherkennung schlagen nicht nennenswert auf den Aktienkurs der beiden Giganten durch.
Das sieht bei den Unternehmen Nuance Communications und SpeechWorks International, die voll auf Spracherkennungssoftware setzen, ganz anders aus. Die kleinen Firmen steigen mit der Brauchbarkeit ihrer Produkte groß auf oder gehen unter. Betrachtet man den bisherigen Kursverlauf dieser Werte, dann wird deutlich, wie nahe Euphorie und Ablehnung beieinander liegen. Zwischen 97 $ und 4,80 $ schwankte der Kurs in den vergangenen zwei Jahren bei Speechworks (derzeit rund 5,20 $); bei der Aktie von Nuance Communications liegen die Preise zwischen 156 $ und 5,25 $ (derzeit rund 5,40 $).
Natürlich hat auch in diesem zukunftsträchtigen Softwaregeschäft Microsoft seine Finger mit im Spiel. Seitdem das weltweit größte Softwarehaus verkündet hat, die Zusammenarbeit mit den Anhängern des „SALT“-Forums (Speech Application Language Tags) zu verstärken, fahren die Kurse von Sprachtechnologie-Aktien Achterbahn, beschreibt Ralf Schelletter, Analyst der Vereins- und Westbank, die Situation. Anstelle der bisherigen Branchennorm VoiceXML will Microsoft neue Standards für die Entwicklung von Sprachsoftware setzen. Erneut scheint es, dass der Gigant einen Zukunftsbereich für sich entdeckt.
Doch Schelletter bezweifelt den Erfolg der Microsoft-Strategie. Mittelfristig setzt er auf die Aktie des VoiceXML-Anhängers Nuance Communications. Unterhält man sich mit Insidern, dann scheint sich der bisherige Industriestandard Voice XML für die weitere Entwicklung von Sprachanwendungen durchzusetzen. Das bestätigt auch Christoph Pfeiffer, Vorstandsvorsitzender der Clarity AG, einem der führenden europäischen – aber nicht an der Börse notierten – Anbieter für Sprachportale. Auch Karl-Heinz Land, Chef der ebenfalls nicht börsennotierten Onebridge AG, die eine „Voice Application Plattform“ zum einfachen und schnellen Aufbau sprachgesteuerter Dienste entwickelt, setzt auf VoiceXML und kooperiert mit Nuance.
Die Marktforscher von Frost & Sullivan sehen in einer Studie SpeechWorks dennoch als Marktführer bei der automatischen Spracherkennungssoftware mit einem Anteil von 36,4 %. Nuance verfügt über 29,8 % und Big Blue IBM über 15,2 %. Die Marktforscher sagen für die nächsten fünf Jahre eine signifikante Ausweitung dieses Spezialmarktes voraus.
Die starken Turbulenzen in der Kursentwicklung von Sprachaktien sieht Schelletter nur als bedingte Chance zum günstigen Einstieg in dieses Börsensegment: „Wer auf eine nachhaltige Erholung setzen will, braucht ein dickes Fell und muss auch einmal Rückschläge verkraften können. Die SpeechWorks-Käufe erscheinen mir unüberlegt. Beide Titel bleiben in der augenblicklichen Börsenlage rückschlagsgefährdet. Nuance hat Nachholpotenzial und ist gegenüber SpeechWorks unterbewertet.“
Im Vergleich der Fundamentaldaten und Bewertungsrelationen hält Schelletter die aktuelle Kursschwäche von Nuance für ungerechtfertigt: „Das Unternehmen ist einer der Treiber der VoiceXML-Entwicklung und hervorragend positioniert. Der risikobereite und langfristig orientierte Anleger kann an der Aktie noch viel Freude haben.“ Allerdings: Derzeit macht Nuance noch Verlust, Gewinne werden erst im zweiten Halbjahr 2003 erwartet. Diese Perspektive schreckt viele Investoren ab.
Die Einschätzungen weiterer Analysten für Nuance fallen sehr unterschiedlich aus. Die Empfehlungen reichen von „Buy“ (Robertson Stephens/Kursziel 10 $) über „Outperform“ (RBC Capital Markets/ 12 $) bis „Halten“ (High Tech Anlageberatung SoundView/ 8 $).