Ein Schuss Größenwahn
Im Zusammenspiel mit dem Kirch-Konzern stieg Thomas Haffa zum Börsenstar auf,
seine Firma EM-TV ist inzwischen fast so viel wert wie die Lufthansa. Nun aber wächst
die Zahl der Kritiker, erste Misserfolge schleichen sich ein. Geht es bald bergab mit
Haffa?
Es war, wie immer, eine perfekte Show: die schnellen, grellen Filme mit
Eigenwerbung auf der Leinwand, der riesige Saal des Münchner Messezentrums
mit über 3000 Besuchern, die Bilanz voller tausendprozentiger Steigerungen.
Messianisch breitete Thomas Haffa, 47, zum Schluss der
Jubel-Hauptversammlung seiner Firma EM-TV die Arme aus. "Vor uns liegt der
Weltmarkt", verhieß der Vorstandschef mit den stahlblauen Augen und dem
ewigen Lächeln.
Die Aktionäre applaudierten noch mal begeistert dem Mann, der sie reicher und
reicher machen soll. Altgesellschafter, die im Oktober 1997 beim Börsenstart von
EM-TV nur 5500 Mark investierten, sind inzwischen zu Millionären geworden.
Die Zeit solch märchenhafter Sprünge ist allerdings vorbei, die Strahlkraft der
Aufsteigerfirma wird schwächer. Inzwischen mehren sich die Bedenken, ob der
triumphale Siegeszug des Vorzeigeunternehmens am Neuen Markt noch lange
anhält. Plötzlich zweifeln auch gestandene Banker, ob der Markt für Kinder- und
Jugendprogramme, das Stammgeschäft von EM-TV, groß genug ist – und wohin
die Reise des Herrn Haffa überhaupt führt.
Monat für Monat war der Aktienkurs von EM-TV in atemberaubende Höhen
geklettert. Immer mehr Fonds und Großinvestoren aus dem In- und Ausland
orderten das Papier, und das Management fütterte die Euphorie mit allerlei
Erfolgsmeldungen. Resultat: Das Unternehmen mit rund 220 Mitarbeitern und
voraussichtlich 325 Millionen Mark Umsatz in diesem Jahr wird an der Börse mit
sagenhaften 15 Milliarden Mark bewertet.
Gemessen am Aktienkapital liegt die Filmhandels- und Produktionsfirma aus
München-Unterföhring damit weit vor Branchengrößen wie dem Springer Verlag.
Selbst der amerikanische Walt-Disney-Konzern, mit dem sich Haffa gern
vergleicht, erscheint gegen das bayerische Unikum krass unterbewertet: Obwohl
die Amerikaner 100-mal mehr umsetzen, sind sie an der Börse nur siebenmal
mehr wert.
In der verrückten deutschen Börsenwelt ist die kleine EM-TV mittlerweile fast
genau so viel wert wie die große Lufthansa, die mit 55 000 Mitarbeitern knapp 23
Milliarden Mark Jahresumsatz schafft.
Solche Vergleiche kontert das EM-TV-Management gern mit einem Schuss
Größenwahn. Es sei "noch sehr viel Luft drin im Wachstum", erklärt Finanzvorstand
Florian Haffa, 34, der jüngere Bruder und Stellvertreter des Firmenchefs. In der
Finanzszene ist man skeptischer, neuerdings zumindest. Das sei eine
"Luftnummer", sagt der Analyst einer Frankfurter Großbank. Die Haffas verstünden
es sehr gut, "ihr Unternehmen in der Öffentlichkeit zu verkaufen", erklärt
TV-Konkurrent Albert Schäfer, Chef des Kinderkanals.
Viele Finanzprofis der Banken und Investoren setzen zwar nach wie vor
unverdrossen auf EM-TV – doch auch unter ihnen macht sich Unbehagen breit. Die
Schar der Börsianer teilt sich in "Believer", die an Haffa glauben, und Kritiker, die
argwöhnisch sind.
Schon seit Wochen stuft die DG Bank die Erfolgsaktie beharrlich auf "Reduzieren"
– die Anleger sollten besser verkaufen. Intern rechnen die DG-Banker vor, dass
EM-TV in drei Jahren fast vier Milliarden Mark umsetzen und rund 600 Millionen
Mark Gewinn machen müsste, um die irrwitzig hohen Börsenkurse zu rechtfertigen.
Wie soll das gelingen?
Für viele Medienprofis mutet die Haffa-Story ohnehin wie eine übersinnliche
Erscheinung an. "Entweder das ist ein echtes Wunder oder die größte Seifenblase,
die die Welt je gesehen hat", sagt Ex-RTL-Chef Helmut Thoma.
Bisher ist es den EM-TV-Machern immer wieder gelungen, die Schar der
Kleinaktionäre und Großinvestoren bei Laune zu halten. Mit schrillem Marketing
und jugendlichem Charme hat Haffa sein Publikum im Griff. Unentwegt ortet er
riesige Wachstumspotenziale und verbreitet wohlige Zuversicht: Er schwärmt vom
"Klassiker Zeichentrick", von über 20 internationalen Co-Produktionen wie der
neuen ZDF-Serie "Flipper & Lopaka", vom Digitalfernsehen mit 500 Kanälen, vom
Boom des Expo-Maskottchens "Twipsy", von glänzenden Perspektiven im
E-Commerce und von einer eigenen Ladenkette für Spielzeug.
Doch so weltläufig sich Haffa auch gibt – die
wesentlichen Geschäfte macht er mit einer
einzigen Person: dem Münchner
Medienunternehmer Leo Kirch, 73. Der
TV-Pionier hatte ihn 1979 entdeckt ("Du gehörst
zu mir!") und bis 1989 als Geschäftsführer
beschäftigt.
Die alten Bekannten haben eine raffinierte
Geldbeschaffungsmaschine konstruiert, die
einen Schluss zulässt: Hinter dem Geheimnis
Haffa verbirgt sich das Geheimnis Kirch. Beide
treiben fleißig Handel miteinander, verkaufen
sich gegenseitig TV-Rechte und Firmenanteile
und puschen so Umsätze und Betriebswerte. Am
Ende bezahlt die Börse den Kreisverkehr.
Die wundersame Geldvermehrung begann vor
einem Jahr. Damals verkaufte Kirch, der durch
Großinvestitionen im Pay-TV in Nöte geraten
war, dem Zögling für 500 Millionen Mark die
Hälfte seiner gesamten Bibliothek an Kinder-
und Jugendfilmen. Der Bestand ist inzwischen
auf über 28 000 Halb-Stunden-Episoden
gewachsen. Die Aktivitäten legten die Partner im
Joint Venture "Junior TV" zusammen – unter diesem Namen sollen die
Programme überall auf der Welt zu sehen sein.
Den Auftakt im deutschen Free-TV macht – wen wundert es – ein Kirch-Sender. Ab
8. Januar 2000 spielt Sat 1 jede Woche zunächst zehn Stunden "Junior TV", meist
am Wochenende.
Haffa kassiert von Sat 1 – über fünf Jahre – genau 201 Millionen Mark für 6000
Produktionen, darunter die Evergreens "Tom & Jerry", "Familie Feuerstein",
"Schweinchen Dick" und die Neu-Serie "Regenbogenfisch". Vom Verkaufserlös hat
er stolze 125 Millionen Mark bereits in die aktuelle Bilanz eingestellt.
Es sei gelungen, die Rechte für nur eine Ausstrahlung zu vergeben, schwärmten
die Haffa-Brüder auf der Hauptversammlung, danach könne EM-TV die Filme
schnell an andere verkaufen.
Das war wohl ein wenig geflunkert. In Wahrheit ist Sat-1-Chef Fred Kogel mit
weitgehenden Optionsrechten Herr des Verfahrens. In dem
50-Seiten-Vertragswerk mit EM-TV wird der Sender als "bevorzugter Partner"
("preferred partner") geführt. Demnach muss Haffa bis Mitte eines jeden Jahres
eine Vorschlagsliste mit Programmen für das folgende Jahr vorlegen – Kogel
entscheidet sich dann frei, gegebenenfalls auch für Wiederholungen. Die Kosten
sind für die Sendeplätze genau festgelegt, von 10 000 Mark für die "Schlümpfe"
(Samstagmorgen, 6.30 Uhr) bis zur Kultserie "Simpsons" am Nachmittag mit 70
000 Mark. "Ein für uns perfektes Geschäft", sagt der Sat-1-Chef, seine Planer
rechnen mit rund 300 Millionen Mark Werbeeinnahmen im Jahr.
Durch den Deal freilich ist das Material für andere Sender weitgehend
uninteressant. Große Umsätze kann EM-TV daraus im deutschen Fernsehen kaum
erwarten. Es bereite "ein bisschen Sorge, dass ein Großteil der Mehrerlöse von
EM-TV aus dem Sat-1-Geschäft stammt", kommentiert Klaus Schneider von der
Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre.
Weiteres Manko: Der Firma fehlen die Free-TV-Rechte für "Junior"-Hits wie die
"Biene Maja", die in alle Ewigkeit beim ZDF summt. Der Mainzer Sender verfügt
außerdem bis mindestens 2005 über die Astrid-Lindgren-Filme ("Pippi
Langstrumpf") sowie über "Heidi", "Wickie" und "Tabaluga". Nur für das Pay-TV,
internationale Verkäufe und das vom Erlöspotenzial beschränkte Merchandising
hält Haffa Rechte an diesen Serien.
Seinen angekündigten Expansionsdrang wird EM-TV wohl kaum im heimischen
Kinderfernsehen austoben können. Das Volumen ist mit 500 Millionen Mark für
Deutschland und 900 Millionen für Europa viel zu gering. Zudem denken die
Dänen, die Schweden und die EU-Kommission über ein Werbeverbot im Umfeld
von Kindersendungen nach – dann würden Kommerzsender wie Sat 1 als Kunden
ausfallen.
Dieser Falle will Haffa mit einem mutigen Sprung auf den US-Markt entgehen, wo
sich Mediengiganten wie Disney, Warner ("Bugs Bunny"), Saban ("Power Rangers")
und Viacom harte Quotenkämpfe liefern. Seit Monaten raunt der EM-TV-Chef von
intensiven Verhandlungen mit einem US-Produktionsstudio, angeblich koste die
Übernahme höchstens 500 Millionen Mark. "Der kann nur überleben, wenn er
Disney kauft", sagt Kritiker Thoma.
Haffa hat sich auf einen irrwitzigen Wettlauf eingelassen: Der nächste Deal muss
schneller sein als der Börsenkurs. Er kauft Umsätze im Rekordtempo dazu,
solange ihm die Aktionäre wohl gesinnt sind.
Im August erstand der TV-Profi, der mit Kirchs Stellvertreter Dieter Hahn gut
vertraut ist, 25 Prozent der bekannten, aber defizitären Filmfirma Constantin
("Der bewegte Mann"). Vorstandschef Bernd Eichinger hatte die Auswertung der
attraktiven TV-Rechte seiner Produktionen gegen wenig Geld dem
Mitgesellschafter Kirch übertragen – und blieb so auf hohen Kosten sitzen.
Trotzdem zahlte EM-TV 125 Millionen für den Wackelkandidaten, ein gut Teil des
Geldes floss erneut an Kirch. Und mit der Galionsfigur Haffa konnte Constantin
leicht an die Börse gehen.
Wenig später kaufte EM-TV auch noch 45 Prozent der Tele-München-Gruppe des
Filmhändlers und Ex-Kirch-Managers Herbert Kloiber. Dafür zahlte Haffa 800
Millionen Mark; der Konzern CLT-Ufa hatte zuvor Kloibers gesamten Filmstock
("Notting Hill") mit nur 600 Millionen bewertet.
Das Geld holte sich EM-TV erneut an der Börse. Eine Kapitalerhöhung brachte 955
Millionen Mark. Eine geplante Anleihe aber, die später in Aktien getauscht werden
sollte, musste auf Bankenwunsch verschoben werden. Nur jedes zweite Papier war
verkäuflich, offenbar hatten sich die Investoren mit dem Ankauf der neuen Aktien
verausgabt. Das Finanzierungsloch von einer Milliarde gleicht eine Bankengruppe
mit Krediten aus und bereitet eine neue Anleihe vor. "Wir kommen mit einem
lachenden und einem blauen Auge weg", glaubt Florian Haffa. Für seinen großen
Bruder haben die anderen Schuld, nicht EM-TV. "Einem Banker fliegen die Dinge
zu", sagt Thomas Haffa ironisch, "Banken haben nicht gelernt zu verkaufen."
Das kann Haffa zweifellos – vor allem sich selbst. Medienwirksam schwärmt er von
einem geplanten Treffen mit Bill Gates. Microsoft brauche Inhalte, EM-TV
Verbreitungswege. Schon sieht er seine Firma auf dem Weg zum "integrierten
Medienkonzern" mit Weltgeltung.
Das klingt, als solle der Kirch-Konzern noch einmal erfunden werden.
HANS-JÜRGEN JAKOBS
Im Zusammenspiel mit dem Kirch-Konzern stieg Thomas Haffa zum Börsenstar auf,
seine Firma EM-TV ist inzwischen fast so viel wert wie die Lufthansa. Nun aber wächst
die Zahl der Kritiker, erste Misserfolge schleichen sich ein. Geht es bald bergab mit
Haffa?
Es war, wie immer, eine perfekte Show: die schnellen, grellen Filme mit
Eigenwerbung auf der Leinwand, der riesige Saal des Münchner Messezentrums
mit über 3000 Besuchern, die Bilanz voller tausendprozentiger Steigerungen.
Messianisch breitete Thomas Haffa, 47, zum Schluss der
Jubel-Hauptversammlung seiner Firma EM-TV die Arme aus. "Vor uns liegt der
Weltmarkt", verhieß der Vorstandschef mit den stahlblauen Augen und dem
ewigen Lächeln.
Die Aktionäre applaudierten noch mal begeistert dem Mann, der sie reicher und
reicher machen soll. Altgesellschafter, die im Oktober 1997 beim Börsenstart von
EM-TV nur 5500 Mark investierten, sind inzwischen zu Millionären geworden.
Die Zeit solch märchenhafter Sprünge ist allerdings vorbei, die Strahlkraft der
Aufsteigerfirma wird schwächer. Inzwischen mehren sich die Bedenken, ob der
triumphale Siegeszug des Vorzeigeunternehmens am Neuen Markt noch lange
anhält. Plötzlich zweifeln auch gestandene Banker, ob der Markt für Kinder- und
Jugendprogramme, das Stammgeschäft von EM-TV, groß genug ist – und wohin
die Reise des Herrn Haffa überhaupt führt.
Monat für Monat war der Aktienkurs von EM-TV in atemberaubende Höhen
geklettert. Immer mehr Fonds und Großinvestoren aus dem In- und Ausland
orderten das Papier, und das Management fütterte die Euphorie mit allerlei
Erfolgsmeldungen. Resultat: Das Unternehmen mit rund 220 Mitarbeitern und
voraussichtlich 325 Millionen Mark Umsatz in diesem Jahr wird an der Börse mit
sagenhaften 15 Milliarden Mark bewertet.
Gemessen am Aktienkapital liegt die Filmhandels- und Produktionsfirma aus
München-Unterföhring damit weit vor Branchengrößen wie dem Springer Verlag.
Selbst der amerikanische Walt-Disney-Konzern, mit dem sich Haffa gern
vergleicht, erscheint gegen das bayerische Unikum krass unterbewertet: Obwohl
die Amerikaner 100-mal mehr umsetzen, sind sie an der Börse nur siebenmal
mehr wert.
In der verrückten deutschen Börsenwelt ist die kleine EM-TV mittlerweile fast
genau so viel wert wie die große Lufthansa, die mit 55 000 Mitarbeitern knapp 23
Milliarden Mark Jahresumsatz schafft.
Solche Vergleiche kontert das EM-TV-Management gern mit einem Schuss
Größenwahn. Es sei "noch sehr viel Luft drin im Wachstum", erklärt Finanzvorstand
Florian Haffa, 34, der jüngere Bruder und Stellvertreter des Firmenchefs. In der
Finanzszene ist man skeptischer, neuerdings zumindest. Das sei eine
"Luftnummer", sagt der Analyst einer Frankfurter Großbank. Die Haffas verstünden
es sehr gut, "ihr Unternehmen in der Öffentlichkeit zu verkaufen", erklärt
TV-Konkurrent Albert Schäfer, Chef des Kinderkanals.
Viele Finanzprofis der Banken und Investoren setzen zwar nach wie vor
unverdrossen auf EM-TV – doch auch unter ihnen macht sich Unbehagen breit. Die
Schar der Börsianer teilt sich in "Believer", die an Haffa glauben, und Kritiker, die
argwöhnisch sind.
Schon seit Wochen stuft die DG Bank die Erfolgsaktie beharrlich auf "Reduzieren"
– die Anleger sollten besser verkaufen. Intern rechnen die DG-Banker vor, dass
EM-TV in drei Jahren fast vier Milliarden Mark umsetzen und rund 600 Millionen
Mark Gewinn machen müsste, um die irrwitzig hohen Börsenkurse zu rechtfertigen.
Wie soll das gelingen?
Für viele Medienprofis mutet die Haffa-Story ohnehin wie eine übersinnliche
Erscheinung an. "Entweder das ist ein echtes Wunder oder die größte Seifenblase,
die die Welt je gesehen hat", sagt Ex-RTL-Chef Helmut Thoma.
Bisher ist es den EM-TV-Machern immer wieder gelungen, die Schar der
Kleinaktionäre und Großinvestoren bei Laune zu halten. Mit schrillem Marketing
und jugendlichem Charme hat Haffa sein Publikum im Griff. Unentwegt ortet er
riesige Wachstumspotenziale und verbreitet wohlige Zuversicht: Er schwärmt vom
"Klassiker Zeichentrick", von über 20 internationalen Co-Produktionen wie der
neuen ZDF-Serie "Flipper & Lopaka", vom Digitalfernsehen mit 500 Kanälen, vom
Boom des Expo-Maskottchens "Twipsy", von glänzenden Perspektiven im
E-Commerce und von einer eigenen Ladenkette für Spielzeug.
Doch so weltläufig sich Haffa auch gibt – die
wesentlichen Geschäfte macht er mit einer
einzigen Person: dem Münchner
Medienunternehmer Leo Kirch, 73. Der
TV-Pionier hatte ihn 1979 entdeckt ("Du gehörst
zu mir!") und bis 1989 als Geschäftsführer
beschäftigt.
Die alten Bekannten haben eine raffinierte
Geldbeschaffungsmaschine konstruiert, die
einen Schluss zulässt: Hinter dem Geheimnis
Haffa verbirgt sich das Geheimnis Kirch. Beide
treiben fleißig Handel miteinander, verkaufen
sich gegenseitig TV-Rechte und Firmenanteile
und puschen so Umsätze und Betriebswerte. Am
Ende bezahlt die Börse den Kreisverkehr.
Die wundersame Geldvermehrung begann vor
einem Jahr. Damals verkaufte Kirch, der durch
Großinvestitionen im Pay-TV in Nöte geraten
war, dem Zögling für 500 Millionen Mark die
Hälfte seiner gesamten Bibliothek an Kinder-
und Jugendfilmen. Der Bestand ist inzwischen
auf über 28 000 Halb-Stunden-Episoden
gewachsen. Die Aktivitäten legten die Partner im
Joint Venture "Junior TV" zusammen – unter diesem Namen sollen die
Programme überall auf der Welt zu sehen sein.
Den Auftakt im deutschen Free-TV macht – wen wundert es – ein Kirch-Sender. Ab
8. Januar 2000 spielt Sat 1 jede Woche zunächst zehn Stunden "Junior TV", meist
am Wochenende.
Haffa kassiert von Sat 1 – über fünf Jahre – genau 201 Millionen Mark für 6000
Produktionen, darunter die Evergreens "Tom & Jerry", "Familie Feuerstein",
"Schweinchen Dick" und die Neu-Serie "Regenbogenfisch". Vom Verkaufserlös hat
er stolze 125 Millionen Mark bereits in die aktuelle Bilanz eingestellt.
Es sei gelungen, die Rechte für nur eine Ausstrahlung zu vergeben, schwärmten
die Haffa-Brüder auf der Hauptversammlung, danach könne EM-TV die Filme
schnell an andere verkaufen.
Das war wohl ein wenig geflunkert. In Wahrheit ist Sat-1-Chef Fred Kogel mit
weitgehenden Optionsrechten Herr des Verfahrens. In dem
50-Seiten-Vertragswerk mit EM-TV wird der Sender als "bevorzugter Partner"
("preferred partner") geführt. Demnach muss Haffa bis Mitte eines jeden Jahres
eine Vorschlagsliste mit Programmen für das folgende Jahr vorlegen – Kogel
entscheidet sich dann frei, gegebenenfalls auch für Wiederholungen. Die Kosten
sind für die Sendeplätze genau festgelegt, von 10 000 Mark für die "Schlümpfe"
(Samstagmorgen, 6.30 Uhr) bis zur Kultserie "Simpsons" am Nachmittag mit 70
000 Mark. "Ein für uns perfektes Geschäft", sagt der Sat-1-Chef, seine Planer
rechnen mit rund 300 Millionen Mark Werbeeinnahmen im Jahr.
Durch den Deal freilich ist das Material für andere Sender weitgehend
uninteressant. Große Umsätze kann EM-TV daraus im deutschen Fernsehen kaum
erwarten. Es bereite "ein bisschen Sorge, dass ein Großteil der Mehrerlöse von
EM-TV aus dem Sat-1-Geschäft stammt", kommentiert Klaus Schneider von der
Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre.
Weiteres Manko: Der Firma fehlen die Free-TV-Rechte für "Junior"-Hits wie die
"Biene Maja", die in alle Ewigkeit beim ZDF summt. Der Mainzer Sender verfügt
außerdem bis mindestens 2005 über die Astrid-Lindgren-Filme ("Pippi
Langstrumpf") sowie über "Heidi", "Wickie" und "Tabaluga". Nur für das Pay-TV,
internationale Verkäufe und das vom Erlöspotenzial beschränkte Merchandising
hält Haffa Rechte an diesen Serien.
Seinen angekündigten Expansionsdrang wird EM-TV wohl kaum im heimischen
Kinderfernsehen austoben können. Das Volumen ist mit 500 Millionen Mark für
Deutschland und 900 Millionen für Europa viel zu gering. Zudem denken die
Dänen, die Schweden und die EU-Kommission über ein Werbeverbot im Umfeld
von Kindersendungen nach – dann würden Kommerzsender wie Sat 1 als Kunden
ausfallen.
Dieser Falle will Haffa mit einem mutigen Sprung auf den US-Markt entgehen, wo
sich Mediengiganten wie Disney, Warner ("Bugs Bunny"), Saban ("Power Rangers")
und Viacom harte Quotenkämpfe liefern. Seit Monaten raunt der EM-TV-Chef von
intensiven Verhandlungen mit einem US-Produktionsstudio, angeblich koste die
Übernahme höchstens 500 Millionen Mark. "Der kann nur überleben, wenn er
Disney kauft", sagt Kritiker Thoma.
Haffa hat sich auf einen irrwitzigen Wettlauf eingelassen: Der nächste Deal muss
schneller sein als der Börsenkurs. Er kauft Umsätze im Rekordtempo dazu,
solange ihm die Aktionäre wohl gesinnt sind.
Im August erstand der TV-Profi, der mit Kirchs Stellvertreter Dieter Hahn gut
vertraut ist, 25 Prozent der bekannten, aber defizitären Filmfirma Constantin
("Der bewegte Mann"). Vorstandschef Bernd Eichinger hatte die Auswertung der
attraktiven TV-Rechte seiner Produktionen gegen wenig Geld dem
Mitgesellschafter Kirch übertragen – und blieb so auf hohen Kosten sitzen.
Trotzdem zahlte EM-TV 125 Millionen für den Wackelkandidaten, ein gut Teil des
Geldes floss erneut an Kirch. Und mit der Galionsfigur Haffa konnte Constantin
leicht an die Börse gehen.
Wenig später kaufte EM-TV auch noch 45 Prozent der Tele-München-Gruppe des
Filmhändlers und Ex-Kirch-Managers Herbert Kloiber. Dafür zahlte Haffa 800
Millionen Mark; der Konzern CLT-Ufa hatte zuvor Kloibers gesamten Filmstock
("Notting Hill") mit nur 600 Millionen bewertet.
Das Geld holte sich EM-TV erneut an der Börse. Eine Kapitalerhöhung brachte 955
Millionen Mark. Eine geplante Anleihe aber, die später in Aktien getauscht werden
sollte, musste auf Bankenwunsch verschoben werden. Nur jedes zweite Papier war
verkäuflich, offenbar hatten sich die Investoren mit dem Ankauf der neuen Aktien
verausgabt. Das Finanzierungsloch von einer Milliarde gleicht eine Bankengruppe
mit Krediten aus und bereitet eine neue Anleihe vor. "Wir kommen mit einem
lachenden und einem blauen Auge weg", glaubt Florian Haffa. Für seinen großen
Bruder haben die anderen Schuld, nicht EM-TV. "Einem Banker fliegen die Dinge
zu", sagt Thomas Haffa ironisch, "Banken haben nicht gelernt zu verkaufen."
Das kann Haffa zweifellos – vor allem sich selbst. Medienwirksam schwärmt er von
einem geplanten Treffen mit Bill Gates. Microsoft brauche Inhalte, EM-TV
Verbreitungswege. Schon sieht er seine Firma auf dem Weg zum "integrierten
Medienkonzern" mit Weltgeltung.
Das klingt, als solle der Kirch-Konzern noch einmal erfunden werden.
HANS-JÜRGEN JAKOBS