Licht am Ende des Tunnels
28-01-2009 Politik
In einem Interview für die Nachrichtenagentur Bloomberg vermutet der russische Premiers Wladimir Putin, die Weltwirtschaft werde sich gegen Ende dieses Jahres von der Finanzkrise erholen. Auf Frage der Nachrichtenagentur, wann das Ende der Rezession zu erwarten sei, erwiderte Russlands Regierungschef: "Das wollte ich Sie fragen. Bei Ihnen arbeiten ja Analysten. Sie haben die Möglichkeit, mit Vertretern verschiedener Wirtschaften der Welt zu sprechen."
"Unseres Erachtens werden wir Ende dieses bzw. Anfang nächsten Jahres konkrete Zeichen erkennen, die mit positiven Entwicklungstendenzen verbunden sein werden", so Putin. "Bei einigen Branchen, so hoffen wir, könnten wir schon Mitte dieses Jahres Licht am Ende des Tunnels sehen."
"Russland ist ein Teil der Weltwirtschaft geworden, was ja nicht schlecht ist. Die jetzige Entwicklung ist auch die Rechnung dafür, das wir so bestrebt waren, ein Teil dieser Weltwirtschaft zu werden." Gerade die ausgewogene und gesunde Politik der vergangenen Jahre habe dazu geführt, dass Russlands Wirtschaft heute völlig anders aussieht als 1998.
"Gerade deshalb können wir es uns leisten, den Kurs der nationalen Währung recht sanft zu behandeln. Gerade deshalb haben wir die Möglichkeit, alle unsere sozialen Verpflichtungen einzuhalten, die wir unter den früheren Bedingungen, den Bedingungen der wachsenden Wirtschaft, übernommen haben."
Dabei handle es sich um Verpflichtungen, die mit der Steigerung der Löhne, vor allem in staatlichen Betrieben, sowie um Verpflichtungen gegenüber den Rentnern und den Militärangehörigen.
Die in den vergangenen Jahren geschaffenen Sicherheitspolster würden Russland die Chance einräumen, diese schwierige Zeit in der Weltwirtschaft ziemlich unbeschadet zu durchlaufen, betonte der Premier.
"Wenn wir genauso verantwortungsvoll wie in den vergangenen Jahren in der Krisenzeit arbeiten werden, so kann das im Endeffekt zu einer besseren Strukturierung der Wirtschaft selbst führen", sagte er.
Kapitalflucht als Vertrauensbeweis
Russland will den Kapitalabfluss nicht künstlich einschränken und verhält sich zu den ausländischen Investoren "wie zu den eigenen", wie Premier Wladimir Putin versicherte.
Die Kapitalflucht sei unter anderem auf "mangelnde Liquiditäten in den Finanzanstalten der USA und Westeuropas sowie auf einigen weiteren meist entwickelten Märkten" zurückzuführen, sagte der russische Regierungschef.
"So ist ein Defizit an Liquiditäten entstanden. Dadurch wurden Einlagen von den Schwellenmärkten gespült. Russland war dabei keine Ausnahme", hieß es. "Wir sehen da nichts Schreckliches... In diesem Fall könnte die Kapitalflucht sogar zum Vertrauenswachstum beitragen, denn wir haben den Kapitalabfluss nicht eingeschränkt und planen so etwas auch künftig nicht", betonte Putin.
"Zu ausländischen Investoren verhalten wir uns wie zu den eigenen. Wir verteidigen ihre Interessen, wenn sie die Regeln und Gesetze unseres Landes einhalten", sagte der russische Premier.
Vorsichtige Rubel-Abwertung durch Russlands Zentralbank richtig
Als richtig hat Russlands Premier Wladimir Putin die Strategie der Zentralbank Russlands bewertet, die schrittweise und nicht schlagartig den Rubel gegenüber dem US-Dollar abschwächt. "Wir haben alles sehr fließend und vorsichtig gemacht. Die neuesten Entscheidungen der Zentralbank bezüglich der Abwertung der nationalen Währung, des Rubels, stießen bei der Wirtschaft auf positive Resonanz", so Putin. Ganz bewusst sei "die Abwertung nicht schlagartig, von heute auf morgen", vorgenommen worden, hieß es.
"Wir haben uns bewusst zum Ausgeben der Gold- und Währungsreserven entschlossen, um den Teilnehmern am Wirtschaftsleben, einschließlich der Bürger, die Möglichkeit zu geben, die vor sich gehenden Prozesse zu erfassen und entsprechende Entscheidungen zu treffen - beim Rubel zu bleiben, Dollar oder Euro zu erwerben, in Immobilien zu investieren oder sonst etwas zu machen."
Anfang September, im Vorfeld der Zuspitzung der globalen Finanzkrise, hatte ein US-Dollar rund 24 Rubel gekostet. Danach sank der Rubel bis Anfang Dezember schrittweise bis auf 27,5 Rubel für einen US-Dollar.
Im Anschluss daran fing die Zentralbank mit einer radikaleren Erweiterung der Grenzwerte für die Schwankungen des Zwei-Devisen-Korbes (Dollar und Euro) an, was zu einer schnelleren Abwertung der nationalen Währung, bis zu 0,7 Rubel pro Tag, führte.
Nach dem Stand vom heutigen Dienstag liegt der offizielle Wechselkurs bei 32,9 Rubel für einen US-Dollar gegenüber 29,4 Rubel am 31. Dezember 2007 und 24,7 Rubel Anfang September dieses Jahres.
Viele Experten im In- und Ausland kritisierten die Devisenpolitik der russischen Behörden, weil sie in der schrittweisen Rubelabwertung nur wachsende Abwertungserwartungen, jedoch keinerlei Anzeichen für die Unterstützung der russischen Industrie sahen.
Im Dezember 2008 ging Russlands Industrieproduktion um zehn Prozent zurück.
Russlands Gold- und Devisenreserven verringerten sich vom Höchststand von 598 Milliarden US-Dollar vor dem Beginn der Kampfhandlungen in Südossetien Anfang August bis zu 296,2 Milliarden US-Dollar Mitte Januar.
Ende vergangener Woche verkündete die Zentralbank den Abschluss der Periode der beschleunigten Rubelabwertung und setzte die Höchstgrenze des Zwei-Devisen-Korbs, der zu 55 Prozent aus dem Dollar und zu 45 Prozent aus dem Euro besteht, mit 41 Rubel fest, was einem Kurs von rund 36 Rubel zu einem US-Dollar entspricht.
Für globale Einheitsregeln in Wirtschaft und Finanzen - EU als Beispiel
Russland setzt sich für einheitliche Rahmenstandards in der Weltwirtschaft und eine begründete Vereinheitlichung der globalen Finanzmärkte ein. Das wäre ein Weg zur Verhinderung einer neuen globalen Wirtschafts- und Finanzkrise in der Zukunft.
Beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos will die russische Delegation ihre Treue zu dieser Position bekräftigen und die Notwendigkeit des Zusammenschlusses der Bemühungen der internationalen Völkergemeinschaft bei der Überwindung der gegenwärtigen Schwierigkeiten erörtern.
Wie Putin weiter ausführte, gibt es solche Regeln bereits im Rahmen der Europäischen Union. Trotz des unterschiedlichen Entwicklungsstands einzelner Länder sei das auch im Weltmaßstab möglich.
Solche Regeln würden eine stabilisierende Rolle spielen, sagte Putin. "Unter den jetzigen Bedingungen der Globalisierung ist die gegenseitige Abhängigkeit dermaßen groß, dass alle Länder daran interessiert wären und dazu gewissermaßen auch berechtigt sind."
Ein Beispiel dafür sieht Putin in dem in der EU geltenden Standard für das maximale Haushaltsdefizit der einzelnen Länder. Dies könnte auch als Weltpraxis in Aussicht genommen werden. "Die Russische Föderation hat beispielsweise rund 50 Prozent ihrer Gold- und Devisenreserven in der Weltwirtschaft. Uns ist es deshalb nicht egal, wie das Haushaltsdefizit der Vereinigten Staaten 2009 aussehen wird."
"Wir könnten auch von einer gewissen Vereinheitlichung der Finanzmärkte sprechen", fügte er hinzu. "Wie wir wissen, gibt es leider bis jetzt keine globalen Einheitsregeln: Die einen Regeln für New York, die anderen für London, die dritten für Hongkong und die vierten für Frankfurt."
So habe die Konferenz um IPO zwischen einzelnen Finanzzentren zu einem gewissen "Verlust der Disziplin geführt". "Die in einem der regionalen Zentren emittierten Wertpapiere wandern dabei weltweit. Es ist jedenfalls längst an der Zeit, das zur Diskussion zu bringen."
Wie Putin betonte, hat die jetzige globale Finanz- und Wirtschaftskrise einen komplexen Charakter. Die Geschichte der internationalen Wirtschaftsbeziehungen kenne keine Beispiele dafür, deshalb müsse dieses Problem bei globalen Treffen behandelt werden, um gemeinsam praktische Entscheidungen zu treffen. Das Weltwirtschaftsforum in Davos biete gerade Möglichkeiten dafür.
Russland und Kasachstan wollen gemeinsame Wirtschaftspolitik
Russland und Kasachstan verhandeln jetzt über die Bildung eines regionalen Entwicklungsfonds im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft (EAWG), der dem Übergang der Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft zu einer einheitlichen Wirtschaftspolitik dienen soll.
Laut Putin will die russische Delegation zum Weltwirtschaftsforum-2009 in Davos über die Zweckmäßigkeit der Bildung eines regionalen Entwicklungsfonds unter den Bedingungen einer wirtschaftlichen Multipolarität der Welt sprechen.
"Es ist durchaus möglich, von irgendwelchen regionalen Fonds zu sprechen, die zum Vorbild für eine einheitliche Wirtschaftspolitik in der einen oder anderen Region werden könnten", sagte Putin.
"Wir prüfen jetzt beispielsweise die Möglichkeit, einen wenn auch kleineren, so doch real funktionierenden Fonds im Rahmen der bekannten Integrationsstruktur der EAWG zu bilden. Wir verhandeln jetzt mit Kasachstan darüber, gewisse Mittel darin anzulegen und kleinere, aber reale Ressourcen anderer Länder zu mobilisieren, um diese Mittel für Entwicklungszecke zu nutzen", sagte Putin.
Ich bin kein Milliardär-Jäger
Wladimir Putin weist den Vorwurf, er „jage“ reiche Leute, strikt zurück: Riesenvermögen zu haben, sei nicht schlecht, man müsse nur die Gesetze einhalten.
„Aus irgendeinem Grund werde ich für einen Milliardär-Jäger gehalten. Das stimmt aber nicht. Ich habe mir nie das Ziel gesetzt, Milliardäre zu jagen. Mein Ziel bestand nur darin, dass alle Bürger die Regeln, also die Gesetze, einhalten“, so Putin.
Reichtum an sich sei aber nicht schlecht: „Wenn jemand rechtsmäßig ein großes Vermögen und Geldressourcen erwirbt, so soll er das in Gottes Namen tun“.
Selbstporträt - leichtgläubig und optimistisch
Als seine größte Unzulänglichkeit sieht Premier Wladimir Putin seine Leichtgläubigkeit, sein Lebensmotto lautet "Vorwärts!" Er gerät nie in eine Sackgasse, denn aus jeder Situation lässt sich der Ausweg finden. Den besten Ratschlag habe er von seiner Mutter bekommen: "Um nichts bitten und sich über nichts beklagen."
Auf die Bitte, seinen besten Tag zu beschreiben, antwortete er, sie seien alle gut, weil sie mit einer interessanten Arbeit verbunden seien. "Ich mag sie wirklich, weil von dieser Arbeit vieles abhängt, und wenn etwas gelingt und wenn ich sehe, dass das Leben der Menschen etwas leichter geworden ist - so ist das für mich die höchste Belohnung", erklärte er.
Nach seinen Worten kann ihn bei der Arbeit nichts in eine Sackgasse bringen. "Manchmal kommt es zu übermäßigen Belastungen. Es stimmt, dass ich manchmal müde bin", gestand er. "Ich kann mich aber nicht erinnern, dass mich etwas in eine Sackgasse gebracht hätte. In jeder Situation suche ich nach einem Ausweg, er lässt sich immer finden. Man muss sagen, dass das auch das Interessanteste ist."
Als seine größte Unzulänglichkeit gab Putin seine "Leichtgläubigkeit" an.
Unter den historischen Persönlichkeiten, die bei ihm den größten Respekt hervorrufen, nannte er Peter I. und Katharina II., "die für die Entwicklung des russischen Staates am meisten geleistet haben".
Putin konnte nicht sagen, womit er sich im Ruhestand befassen wird. Wahrscheinlich würden das "Studien auf dem Gebiet des Staatsrechts sein", hieß es.
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