Christopher Pissarides, Nobelpreisträger für Wirtschaft.
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01.11.2011 11:27
Griechenland müsste sich sofort für bankrott erklären und könnte den Euro nicht behalten, falls das Land in einer Volksabstimmung das Rettungspaket ablehnt. Das sagt ein Nobelpreisträger für Wirtschaft.
Mit seiner überraschenden Ankündigung einer Volksabstimmung über das europäische Rettungspaket hat der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou am Dienstag weltweit für Verunsicherung gesorgt.
Aus Furcht vor einem Scheitern der Bemühungen der Euro-Länder, eine Pleite Griechenlands abzuwenden, trennten sich Anleger von asiatischen und europäischen Aktien. Der Euro setzte seine Talfahrt ebenfalls fort. Die Investoren suchten stattdessen Zuflucht in "sicheren Häfen" wie Bundesanleihen.
"Es ist schwierig vorherzusagen, was passiert, wenn Griechenland die Pläne ablehnt", sagt Christopher Pissarides, Nobelpreisträger für Wirtschaft. "Es wäre schlimm genug für die EU im Allgemeinen und die Euro-Zone im Besonderen. Es wäre aber noch viel schlimmer für Griechenland", so Pissarides. "Bei einem 'Nein' müsste Griechenland sofort Bankrott erklären. Ich sehe nicht, dass Griechenland im Euro bleiben könnte."
Josef Kaesmeier, Chefökonom bei Merck Finck, ist gleicher Meinung wie Pissarides: "Wenn die Griechen Nein sagen, dann bedeutet das die Staatspleite. Es wäre ein klares Nein zum Euro", sagt er.
Stunde der Wahrheit ist gekommen
Für Janwillem Acket ist für Griechenland nun die Stunde der Wahrheit gekommen: "Das Land ist bei dem EU-Gipfel sehr gut weggekommen. Aber es wird nur eine konstruktive Lösung geben, wenn das Volk beim Umbau des Landes mitmacht", sagt der Chefökonom von Julius Bär.
"Die Volksabstimmung ist deshalb ein geschickter Schachzug der Regierung. Vielen Griechen ist nicht bewusst, wie ernst die Lage ist. Dem Volk wird die Frage vor die Füße geworfen: Wollt ihr den Euro? Wenn nicht, müssen wir mit der Konsequenz leben. Und die lautet wirtschaftlicher Kollaps. Die Mehrheit der Griechen will nicht zurück zur weichen Drachme, weil sie schlechte Erfahrung gemacht hat mit hohen Zinsen und hoher Inflation", so Acket.
"Die Regierung wäre weg bei Neuwahlen", so Acket weiter. Sie könne deshalb eigentlich nur gewinnen. Das sei ein geschickter Schachzug einer verzweifelten Regierung, die nichts mehr zu verlieren habe. "Sie tritt deshalb die Flucht nach vorn an. Das ist ein bisschen wie ein Pokerspiel."
Konjunkturaussichten haben sich eingetrübt
"Es braucht nicht sehr viel, um aus der Konjunkturschwäche eine Rezession in der Euro-Zone zu machen. Es braucht einen Schock, um eine Krise wie nach der Lehman-Pleite auszulösen. Das, was im Moment passiert, könnte so ein Schock sein", sagt Joachim Scheide, Konjunkturchef des IWF-Instituts in Kiel.
"Die Unsicherheit wird noch sehr lange anhalten, wenn die Abstimmung für Anfang 2012 geplant ist. Die Märkte müssen bis dahin stillhalten, es sei denn, die Politik greift noch mal ein, um eine Hängepartie zu vermeiden. Die Konjunkturaussichten haben sich damit sicher eingetrübt", so Kiel.