Die Übernahme von Ruhrgas durch E.on brächte keinen volkswirtschaftlichen Nutzen
Die Entscheidung des Bundeskartellamts ließ an Klarheit nichts zu wünschen übrig. E.on wurde die Übernahme der Essener Ruhrgas wegen der Verstärkung marktbeherrschender Stellungen auf den Gas- und Strommärkten untersagt.
Flugs stellte E.on einen Antrag auf Ministererlaubnis, mit der die Untersagung aufgehoben werden kann, "wenn ausnahmsweise die Beschränkung des Wettbewerbs aus überwiegenden Gründen der Gesamtwirtschaft und des Gemeinwohls notwendig ist". Genau dafür sprechen laut E.on vier zentrale Argumente.
Wie ein roter Faden zieht sich der Hinweis durch die Begründung, auf den Gas- und Ölmärkten gebe es Anbieter, die aufgrund ihrer Finanzkraft Akquisitionen in Europa tätigen könnten, zu denen die Ruhrgas nicht in der Lage sei. Unterschlagen wird dabei allerdings, dass Ruhrgas in den vergangenen Jahren Beteiligungen an 40 Unternehmen in 12 Ländern erworben hat, darunter auch an der russischen Gazprom, dem wichtigsten Gaslieferanten für Europa. Allein die Tatsache, dass das Ruhrgas-Konsortium im Bieterkrieg um die tschechische Transgas unterlegen ist (den Zuschlag erhielt RWE), reicht als Gegenargument nicht aus - zumal es in Europa nur noch drei Ferngasgesellschaften gibt, die etwas mehr Gas absetzen als Ruhrgas. Der Hinweis schließlich, dass es sich bei diesen Wettbewerbern teilweise um Staatsunternehmen handelt, spricht keineswegs für die Freigabe der E.on/Ruhrgas-Fusion; er belegt vielmehr politischen Handlungsbedarf. Wie glaubwürdig ist schließlich eine Politik, die von den EU-Beitrittskandidaten zwar Privatisierung und Wettbewerb fordert, als "Vorbild" aber letztlich nur Staatseigentum und einige wenige Megaplayer präsentieren kann?
Die zweite Behauptung lautet: Nur durch verbesserte Zugangsmöglichkeiten zum internationalen Beschaffungsmarkt kann die Energieversorgung Deutschlands gesichert werden. Wirklich? Im Öl- und Gasgeschäft ist die Beteiligung an den Förderkapazitäten stets sowohl Chance als auch Risiko. Gerade Ruhrgas hat indes den anderen europäischen Megaplayern gezeigt, wie Nachfragemacht aufgebaut werden kann: mit einer stark diversifizierten Beschaffungsstruktur. Hinzu kommt: Im Vergleich zu Öl, von dem der Verkehrssektor bisher alternativlos abhängig ist, ließe sich Erdgas im Ernstfall relativ leicht durch andere Energieträger ersetzen. Übrigens hat keines der EU-Länder, in denen Unternehmen mit massiven Ölförderaktivitäten ihren Unternehmenssitz haben, während der Ölpreisturbulenzen der vergangenen Jahre einen Preisnachlass erhalten.
Die Sicherung "qualifizierter Arbeitsplätze" in der Gaswirtschaft muss als dritte Begründung für den E.on/Ruhrgas-Zusammenschluss herhalten. Welch ein Argument! Der Nutzen einer Fusion sind Synergieeffekte; sie kosten in der Regel Arbeitsplätze! Doch angenommen, es wäre anders, nur starke, international wettbewerbsfähige Unternehmen mit Sitz in Deutschland könnten dauerhaft zur Beschäftigungssicherung beitragen. Langt das, um Wettbewerbsbeschränkungen hinzunehmen? Keineswegs. Der Hinweis taugt allenfalls zur Begründung für weitgreifenden Protektionismus - mitten in den Zeiten der Globalisierung.
Endgültig dem Handbuch des Planwirtschaftlers entstammt schließlich die vierte Argumentation: Die fusionierten Unternehmen E.on und Ruhrgas seien besser in der Lage, die Umweltpolitik der Bundesregierung zu unterstützen. Wie das? Ist es nicht Aufgabe der Politik, erstens das weitgehende Funktionieren der Märkte zu sichern und zweitens transparente Rahmenbedingungen auch dafür zu setzen, dass die Märkte zur Lösung ökologischer Herausforderungen beitragen? Die Förderung der Oligopolbildung mit marktbeeinträchtigenden Folgen gehört vor diesem Hintergrund gerade nicht auf die politische Agenda.
Wie immer man es dreht und wendet: Eine Fusion von E.on und Ruhrgas ist Ausdruck allenfalls einzelwirtschaftlichen - und amtlich festgestellt wettbewerbsbeeinträchtigenden - Interesses. Der Gesamtwirtschaft und dem Gemeinwohl nutzt sie nicht. Im Gegenteil: Mit dieser bisher einzigartigen Fusion von Energieversorgern der europäischen Spitzenliga könnte der Fusions- und Konzentrationsspirale neuer Schub verliehen werden. Dass dies womöglich ohnehin nicht zu verhindern wäre, ist eine schwache Entgegnung - letztlich sogar eine Bankrotterklärung marktwirtschaftlicher Politik. Schließlich wären die Folgen für die Energiemärkte drastisch. Womöglich wäre der Wettbewerb bereits zu Ende, bevor es der Politik eines Tages - oft genug gegen den Widerstand der fusionswilligen Unternehmen - vielleicht doch noch gelingt, faire und transparente Wettbewerbsbedingungen in Europa zu schaffen. Mangels Wettbewerbern ...
Lutz Mez ist Privatdozent an der FU Berlin, Felix Christian Matthes Koordinator für Energiepolitik und Klimaschutz am Öko-Institut
Die Entscheidung des Bundeskartellamts ließ an Klarheit nichts zu wünschen übrig. E.on wurde die Übernahme der Essener Ruhrgas wegen der Verstärkung marktbeherrschender Stellungen auf den Gas- und Strommärkten untersagt.
Flugs stellte E.on einen Antrag auf Ministererlaubnis, mit der die Untersagung aufgehoben werden kann, "wenn ausnahmsweise die Beschränkung des Wettbewerbs aus überwiegenden Gründen der Gesamtwirtschaft und des Gemeinwohls notwendig ist". Genau dafür sprechen laut E.on vier zentrale Argumente.
Wie ein roter Faden zieht sich der Hinweis durch die Begründung, auf den Gas- und Ölmärkten gebe es Anbieter, die aufgrund ihrer Finanzkraft Akquisitionen in Europa tätigen könnten, zu denen die Ruhrgas nicht in der Lage sei. Unterschlagen wird dabei allerdings, dass Ruhrgas in den vergangenen Jahren Beteiligungen an 40 Unternehmen in 12 Ländern erworben hat, darunter auch an der russischen Gazprom, dem wichtigsten Gaslieferanten für Europa. Allein die Tatsache, dass das Ruhrgas-Konsortium im Bieterkrieg um die tschechische Transgas unterlegen ist (den Zuschlag erhielt RWE), reicht als Gegenargument nicht aus - zumal es in Europa nur noch drei Ferngasgesellschaften gibt, die etwas mehr Gas absetzen als Ruhrgas. Der Hinweis schließlich, dass es sich bei diesen Wettbewerbern teilweise um Staatsunternehmen handelt, spricht keineswegs für die Freigabe der E.on/Ruhrgas-Fusion; er belegt vielmehr politischen Handlungsbedarf. Wie glaubwürdig ist schließlich eine Politik, die von den EU-Beitrittskandidaten zwar Privatisierung und Wettbewerb fordert, als "Vorbild" aber letztlich nur Staatseigentum und einige wenige Megaplayer präsentieren kann?
Die zweite Behauptung lautet: Nur durch verbesserte Zugangsmöglichkeiten zum internationalen Beschaffungsmarkt kann die Energieversorgung Deutschlands gesichert werden. Wirklich? Im Öl- und Gasgeschäft ist die Beteiligung an den Förderkapazitäten stets sowohl Chance als auch Risiko. Gerade Ruhrgas hat indes den anderen europäischen Megaplayern gezeigt, wie Nachfragemacht aufgebaut werden kann: mit einer stark diversifizierten Beschaffungsstruktur. Hinzu kommt: Im Vergleich zu Öl, von dem der Verkehrssektor bisher alternativlos abhängig ist, ließe sich Erdgas im Ernstfall relativ leicht durch andere Energieträger ersetzen. Übrigens hat keines der EU-Länder, in denen Unternehmen mit massiven Ölförderaktivitäten ihren Unternehmenssitz haben, während der Ölpreisturbulenzen der vergangenen Jahre einen Preisnachlass erhalten.
Die Sicherung "qualifizierter Arbeitsplätze" in der Gaswirtschaft muss als dritte Begründung für den E.on/Ruhrgas-Zusammenschluss herhalten. Welch ein Argument! Der Nutzen einer Fusion sind Synergieeffekte; sie kosten in der Regel Arbeitsplätze! Doch angenommen, es wäre anders, nur starke, international wettbewerbsfähige Unternehmen mit Sitz in Deutschland könnten dauerhaft zur Beschäftigungssicherung beitragen. Langt das, um Wettbewerbsbeschränkungen hinzunehmen? Keineswegs. Der Hinweis taugt allenfalls zur Begründung für weitgreifenden Protektionismus - mitten in den Zeiten der Globalisierung.
Endgültig dem Handbuch des Planwirtschaftlers entstammt schließlich die vierte Argumentation: Die fusionierten Unternehmen E.on und Ruhrgas seien besser in der Lage, die Umweltpolitik der Bundesregierung zu unterstützen. Wie das? Ist es nicht Aufgabe der Politik, erstens das weitgehende Funktionieren der Märkte zu sichern und zweitens transparente Rahmenbedingungen auch dafür zu setzen, dass die Märkte zur Lösung ökologischer Herausforderungen beitragen? Die Förderung der Oligopolbildung mit marktbeeinträchtigenden Folgen gehört vor diesem Hintergrund gerade nicht auf die politische Agenda.
Wie immer man es dreht und wendet: Eine Fusion von E.on und Ruhrgas ist Ausdruck allenfalls einzelwirtschaftlichen - und amtlich festgestellt wettbewerbsbeeinträchtigenden - Interesses. Der Gesamtwirtschaft und dem Gemeinwohl nutzt sie nicht. Im Gegenteil: Mit dieser bisher einzigartigen Fusion von Energieversorgern der europäischen Spitzenliga könnte der Fusions- und Konzentrationsspirale neuer Schub verliehen werden. Dass dies womöglich ohnehin nicht zu verhindern wäre, ist eine schwache Entgegnung - letztlich sogar eine Bankrotterklärung marktwirtschaftlicher Politik. Schließlich wären die Folgen für die Energiemärkte drastisch. Womöglich wäre der Wettbewerb bereits zu Ende, bevor es der Politik eines Tages - oft genug gegen den Widerstand der fusionswilligen Unternehmen - vielleicht doch noch gelingt, faire und transparente Wettbewerbsbedingungen in Europa zu schaffen. Mangels Wettbewerbern ...
Lutz Mez ist Privatdozent an der FU Berlin, Felix Christian Matthes Koordinator für Energiepolitik und Klimaschutz am Öko-Institut