Ohohoh, arme Neufünfländer . . . .

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Ohohoh, arme Neufünfländer . . . .

 
04.04.02 19:03
Ostdeutschland

Hilfe, die Frauen fliehen

Blühende Landschaften versprach einst Ex-Bundeskanzler Kohl den Bürgern in Ostdeutschland. Daraus könnten bald entvölkerte Landstriche werden. Vor allem junge Frauen verlassen ihre Heimat und ziehen aus wirtschaftlichen Gründen westwärts.
GMSFrauen sind rar: Dem Osten droht ein massiver BevölkerungsschwundKöln - Ob Leipzig, Halle oder Gera - überall das gleiche Bild: Die Ostdeutschen wandern ab. Und zwar massiv. Den neuen Bundesländern droht ein dramatischer Bevölkerungsschwund, falls keine Menschen aus dem Ausland zuwandern.
Weil vor allem junge Frauen den neuen Ländern den Rücken kehrten, werde es für Männer immer schwieriger, eine Familie zu gründen, hat jetzt das Institut der deutschen Wirtschaft Köln herausgefunden. Ein Effekt, der die Bevölkerung weiter schrumpfen lässt. Allein im Jahr 1999 waren es 60.000 Frauen, die "rübermachten". Insgesamt habe der Osten von 1991 bis 1999 per saldo rund 326.500 Frauen verloren.
Hauptgrund für die Abwanderung sei die Suche nach besseren Arbeits- und Lebensbedingungen. Etwa 60 Prozent der Abwanderer seien unter 30. Den umgekehrten Weg würden dagegen vor allem ältere Semester einschlagen. 15 Prozent der West-Ost-Wanderer seien älter als 50 Jahre (Ost-West: neun Prozent).



Die Baby-Flaute  

Als Folge leide der Osten doppelt, während der Westen doppelt profitiere: In Ostdeutschland würden nur noch halb so viel Babys geboren wie in DDR-Tagen, während die Abwanderung anhält. Der Westen erhalte gleichzeitig Zuwanderer von "drüben" und von "draußen", also von Ausländern. Das Institut führt in einer Studie Zahlen des Statistischen Bundesamtes an, wonach im Jahr 2050 in ganz Deutschland weniger als 60 Millionen Menschen leben werden - in Ostdeutschland sogar nur noch zehn Millionen. Mehr als ein Drittel davon seien 65 und älter. Dies sei noch ein günstiges Szenario, da die Berechnung auf der Annahme basierten, dass der Bevölkerungsaustausch zwischen Ost und West ab 2016 ausgeglichen ist.
Bis zum Mauerbau 1961 hätten viele Ostdeutsche "mit den Füßen gegen den Sozialismus gestimmt", so die Kölner Wirtschaftswissenschaftler. Insgesamt seien in den fünfziger Jahren etwa 2,6 Millionen in den Westen gezogen. Nach dem Mauerfall seien die alten Länder "ein zweites Mal durch den Osten aufgepäppelt" worden. Über zwei Millionen Menschen seien nach dem Mauerfall bis 1999 gen Westen gezogen. 1,24 Millionen Wessis, die nach Ostdeutschland zogen, seien nicht genug. Netto mussten die neuen Länder seit der Einheit einen Aderlass von gut 821.000 Personen verkraften.
Das Mega-Altersheim  
Insgesamt lebten demnach im Jahr 2000 in der Bundesrepublik 82,3 Millionen Menschen, immerhin 2,5 Millionen mehr als ein Jahrzehnt zuvor. Jedoch habe die Zahl der über 65-Jährigen seit 1990 um 9,6 Prozent zu- und die Zahl der jungen Leute parallel dazu abgenommen. Laut dem Kölner Wirtschafts-Institut erste Anzeichen dafür, dass das Land spätestens in 50 Jahren zu einem "großen Altersheim" werde.
In Ostdeutschland sei diese Entwicklung besonders stark. Die Altersgruppe der unter 15-Jährigen sei hier innerhalb eines Jahrzehnts um fast ein Drittel auf knapp eine Million Kinder geschrumpft. Das Sozialgefüge leide so unter einem Teufelskreis: Kindertagesstätten und Schulen würden "zurückgebaut", was letztlich die Attraktivität dieser Gegenden für Familien weiter schmälere.



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Happy End:

Der Osten blutet immer noch aus

 
04.04.02 19:18
Allen Beschönigungen zum Trotz - immer mehr Menschen verlassen die neuen Bundesländer gen Westen. Die steigenden Zahlen schrecken Politiker auf. Mit verschiedenen Konzepten sollen die Abwanderer gehalten werden.

Berlin - Die Stadt Frankfurt/Oder feiert im nächsten Jahr ihr 750-jähriges Jubiläum. Aber viele Frankfurter werden nicht mehr dabei sein - wie der 25-jährige Karosseriebauer Daniel Penz und seine 19-jährige Freundin Alexandra Kogan. Seit einem Jahr leben die beiden in Stuttgart. Dort arbeitet er bei Mercedes-Benz, sie absolviert eine Ausbildung zur Mediengestalterin. "Weggehen ist der einzige Ausweg, wenn man eine gute Lehrstelle bekommen und nicht arbeitslos bleiben will", sagt Alexandra.
Als Penz seine Heimatstadt verließ, hätte er sich wohl niemals vorgestellt, dass er einmal selbst als Abwerber zurückkommen würde. Zehn Formulare von Mercedes-Benz in Stuttgart hat er mitgebracht. Über Ostern wird er sie an Freunde und Bekannte verteilen. "Die wollen alle gehen," stellt seine Freundin Alexandra fest.

Die Stimmung in der Stadt an der polnischen Grenze ist gedrückt. Wer kann, der macht sich auf den Weg. Das Ziel ist - wie zu Honeckers Zeiten - immer noch dasselbe: der Westen. "Die sehen, dass es was bringt, dass es einen Versuch wert ist", sagt Alexandra. Manchmal beschleicht das Paar das Gefühl, am Ende würde keiner ihrer Freunde mehr in Frankfurt/Oder leben. "Es ist wie eine Kette," meint Alexandra, "wenn einer geht, gehen alle".

Während sich Städte wie Frankfurt an der Oder langsam leeren, setzt die Bundesregierung weiterhin auf Optimismus. Noch Ende Januar meinte der Ostbeauftragte des Kanzlers, Rolf Schwanitz: "Der Aufbau Ost ist auf gutem Wege." Die neuen Länder befänden sich schon längst auf der Gewinnerseite der Geschichte, so der ostdeutsche Sozialdemokrat. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Allein in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres zogen rund 82.000 Menschen (ohne Berlin), in den Westen, dagegen nur knapp die Hälfte in den Osten. Und eine Kehrtwende ist nicht in Sicht. Bis zum Jahr 2020, so Schätzungen von Statistikern, wird der Osten 12,5 Prozent seiner Bevölkerung an den Westen verlieren.

In Städten wie Frankfurt/Oder können selbst Spitzenpolitiker der rosigen Zustandsbeschreibung der Bundesregierung kaum etwas abgewinnen. Der designierte Oberbürgermeister Martin Patzelt kann junge Menschen wie Alexandra Kogan und Daniel Penz gut verstehen: "Ich würde auch wegziehen, wenn meine Arbeitssituation hier trostlos wäre." Es sei besser, einen Arbeitsplatz zu haben, als vom Staat alimentiert zu werden. Patzelts künftige Aufgabe ist gewaltig. Die Abwanderung hinterlässt Spuren im öffentlichen Stadtbild: Häuser verfallen, manche Straßen sind mit Schlaglöchern übersät, die Einnahmen des kommunalen Haushaltes sinken. Nur ein paar hundert Meter ostwärts sieht die Lage kaum besser aus - und trotzdem scheint auf der polnischen Seite der Aufschwung begonnen zu haben. Doch die für 2004 anvisierte Osterweiterung der EU ist ein Thema, das viele Frankfurter am liebsten verdrängen wollen. Das musste selbst Patzelt erfahren. Im letzten Wahlkampf schlug er vor, 5000 leer stehende Wohnungen mit polnischen Bürgern zu belegen. Das kam gar nicht gut an. "Diffuse Ängste" habe er bei seinen Gesprächen mit Bürgern festgestellt, erzählt Patzelt.

Ministerpräsident Stolpe will die Wegzugsprämien streichen

Die Abwanderungszahlen machen mittlerweile der Landesregierung erhebliche Sorgen. Bislang unterstützte das Land Brandenburg noch die, die weggingen. 2500 Euro erhält jeder, der sich auf den Weg in den Westen macht. Das Ziel der Starthilfe: Die neuen Westbürger sollen davon einen Teil ihrer Umzugs- und Einrichtungskosten abdecken. Doch mit der großzügigen Unterstützung aus der Landeskasse könnte bald Schluss sein. Ministerpräsident Manfred Stolpe möchte am liebsten die Prämie streichen. In fünf bis sechs Jahren, so der Sozialdemokrat, würde Brandenburg wieder Berufsnachwuchs brauchen. Er hält es für widersinnig, das Ausbluten seines Landes auch noch finanziell zu unterstützen.

Aber nicht alle teilen Stolpes Vorstoß. Ein fertig ausgebildeter Facharbeiter ohne Arbeitserfahrung nütze letztlich niemandem, kontert der Chef des Cottbusser Arbeitsamtes, Gert-Armin Schur. Auch älteren Langzeitarbeitslosen rät er, in den Westen zu gehen - nur so würden ihre Fachkenntnisse nicht verloren gehen.

Dabei schneidet Brandenburg bei den Abwanderungszahlen im Vergleich mit den anderen neuen Bundesländern noch am besten ab. Da sich das Land im Speckgürtel Berlins befindet, kann es sogar unterm Strich mit einem Bevölkerungsgewinn, vor allem aus der Hauptstadt rechnen. So zogen 1999 knapp 43.000 Berliner ins brandenburgische Umland.

In Mecklenburg-Vorpommern sieht die Lage hingegen weitaus schlechter aus. Selbst die CDU, die einst unter Helmut Kohl noch von blühenden Landschaften sprach, hat jetzt eine Kehrtwende unternommen. Die Abwanderung wird dort von den Christdemokraten zum Wahlkampfthema gemacht. Und das aus gutem Grund. Aus dem Bundesland mit der einst jüngsten Bevölkerung drohe bis 2020 das mit der ältesten zu werden, prognostiziert die CDU in einem Diskussionspapier. Seit der Wende vor zwölf Jahren hat das Land 400.000 der 20- bis 35-Jährigen verloren. "Sie haben hier das Gefühl, als lebten sie in einer schrumpfenden Gesellschaft, eine Region, die verblödet, weil die klügsten und intelligentesten Köpfe wegziehen", sagt die CDU-Sprecherin Constanze Steinke.

Potentielle Mütter verlassen den Osten

Vor allem junge Frauen packen ihre Koffer und beginnen in den alten Bundesländern ein neues Leben. Bis zu acht Prozent eines Jahrgangs verlassen gegenwärtig Mecklenburg-Vorpommern. Bei anhaltender Abwanderung junger Frauen werden in rund acht Jahren 30 Prozent der potenziellen Mütter fehlen. 2020 würde die Zahl der Einwohner in Mecklenburg-Vorpommern auf 1,61 Millionen schrumpfen, so Bevölkerungswissenschaftler aus Rostock und Bielefeld in einer Studie.

Der Aderlass in Mecklenburg-Vorpommern hat auch die rot-rote Landesregierung unter Zuzwang gesetzt. So fördert Arbeitsminister Helmut Holter (PDS) die erste Rückholagentur dieser Art mit 268.000 Euro. Sie soll qualifizierte Abwanderer durch ein individuelles Betreuungsangebot wieder ins Land locken, um dem drohenden Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken, erklärt die Projektleiterin Lilli Ullrich. "M4you" informiert über offene Stellen, neue Freizeitangebote und liefert allgemeine Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern. So können die Abgewanderten Kontakt zu ihrer Heimat halten. Vor allem "Heimweh und das fehlende soziale Umfeld" ließen einige mit dem Gedanken spielen, wieder zurückzukommen, weiß Ullrich.

Doch die Rückkehrer lassen sich auf ein Risiko ein. Dagegen können auch die wenigen Beispiele - wie die Ansiedelung des BMW-Werks in Leipzig oder die Rettung des Bombardier-Werkes in Ammendorf - nichts ausrichten. Was fehlt ist Arbeit: Nach wie vor ist die Arbeitslosenquote im Osten mit 19,3 Prozent mehr als doppelt so hoch wie im Westen.

Im nahenden Wahlkampf haben alle Parteien den Osten wiederentdeckt. Auch der CDU/CSU-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber. Hatte er noch vor seiner Nominierung gegen Geldtransfers in die neuen Bundesländer gewettert, erklärt er nun den Aufbau Ost zu seinem zentralen Anliegen. Bei seinem Wahlsieg wolle er zusätzliche Milliarden in den Ausbau der Infrastruktur der neuen Länder stecken. Das Werben um die Wähler in den neuen Ländern - nicht nur durch Stoiber - hat einen einfachen Grund: Das Abstimmungsverhalten der Ostdeutschen könnte die Bundestagswahl am 22. September entscheiden.

Schon einmal hatte vor vier Jahren ein Kanzlerkandidat den Aufbau Ost zur Chefsache erklärt: Gerhard Schröder. Das war vor der Wahl. Danach überließ der Kanzler das unbekannte Land weitgehend seinem Ostbeauftragten Schwanitz. Einzig Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, selbst Ostdeutscher, wiederholte im Januar, was er bereits im Sommer 2001 gesagt hatte: Dass der Osten auf der Kippe stehe. Die Zahlen geben Thierse bislang recht. Die Wirtschaft in den neuen Ländern schrumpfte im letzten Jahr um 0,6 Prozent, wogegen der Westen sogar ein geringes Wirtschaftswachstum verzeichnete.

Was tun, fragen sich nicht nur die Politiker der großen Parteien. Trotz finanzieller Lockangebote - die großen Firmen haben sich nur spärlich im Osten niedergelassen. Selbst eine Großstadt wie Berlin beherbergt - außer dem Pharmariesen Schering - keine weitere Konzernzentrale. Firmen wie Siemens oder Mercedes sehen keinen Grund, aus dem profitablen Süden und Südwesten der Republik wegzuziehen. Zu den wenigen Leuchttürmen der ostdeutschen Wirtschaft gehört Jenoptik in Thüringen. Ihr Vorstandsvorsitzender Lothar Späth fordert seit langem den Aufbau eines neuen Mittelstandes und neuer Technologien. Doch auch er weiß, dass dies lange dauern wird. 10 bis 20 Jahre prognostiziert der frühere Ministerpräsident von Baden-Württemberg.

Solange wollen junge Menschen wie Alexandra und Daniel aus Frankfurt/Oder, die nach Stuttgart zogen, nicht warten. Ursprünglich hatte sich Daniel noch vorgenommen, so bald wie möglich in seine Heimat zurückzukehren. Doch die letzten Besuche haben ihm die Lust genommen. "Krass" nennt er die Unterschiede zu Stuttgart: "Die Menschen in Frankfurt/Oder sind deprimiert." Er ist sich sicher: Die zehn Bewerbungsformulare für das Werk von Mercedes-Benz wird er nach Ostern ausgefüllt nach Stuttgart zurückbringen.  
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